Städtische Wärmeinseln verursachen Gesundheitskosten

Eine neue Studie hat die erste Kostenschätzung der Auswirkungen von städtischen Wärmeinseln auf die menschliche Gesundheit erstellt. Die Studie untersuchte 85 europäische Städte über einen Zeitraum von drei vollen Jahren, d. h. sie berücksichtigte auch den Schutz, den Wärmeinseln im Winter bieten – ein Aspekt, der bisher nur wenig untersucht wurde.
Gabriele Manoli: «Urbane Hitzeinseln sind nicht nur eine Frage des Wohlbefindens der Menschen.» © iStock

Die in vielen europäischen Städten anzutreffenden Wärmeinseln haben eindeutige Auswirkungen auf das menschliche Sterberisiko – vergleichbar mit der Luftverschmutzung oder, was die Kosten angeht, mit dem Preis, den die Stadtbewohner für öffentliche Verkehrsmittel zahlen. Dies geht zumindest aus einer kürzlich in Nature Communications veröffentlichten Studie hervor, in der die durchschnittlichen Kosten für die hitzebedingten Auswirkungen auf 192 € pro erwachsener Einwohnerin und Jahr beziffert werden. Die Studie ist die erste, die die wirtschaftlichen Folgen eines Problems beziffert, das in vielen städtischen Gebieten auf der ganzen Welt auftritt, aber in seiner ganzen Komplexität von den Forschenden noch nicht verstanden wird. Um zu solch klaren, greifbaren Zahlen zu gelangen, kombinierte das Forscherteam Daten und Methoden aus einer Reihe von Disziplinen, darunter Stadtklimatologie, Epidemiologie, Wirtschaft, Statistik und mathematische Modellierung.

«Unsere Forschung zeigt, dass es bei Hitzeinseln nicht nur darum geht, dass Menschen im Sommer zu heiss haben», sagt Gabriele Manoli, der korrespondierende Autor der Studie, «sie haben auch erhebliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, indem sie zum Beispiel zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen führen und die Lebenserwartung insgesamt verringern.» Manoli ist Assistenzprofessor mit Tenure Track an der EPFL und Leiter des Labors für Stadt- und Umweltsysteme an der EPFL-Fakultät für Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen (ENAC).

Potenziell tödlich, aber auch schützend

Die Bedrohung durch die städtische Hitze ist in Helsinki, Genf oder Madrid offensichtlich nicht dieselbe, und die Menschen in Spanien sind an höhere Temperaturen deutlich mehr gewöhnt als in Finnland. Diese Studie ist die erste, die die Auswirkungen städtischer Hitzeinseln in verschiedenen Städten und zu verschiedenen Jahreszeiten untersucht. Dabei wurden grosse Mengen an Daten und Simulationen zusammengetragen, um sowohl die Schäden durch Hitzeinseln im Sommer als auch den Schutz, den sie bei Kälteeinbrüchen im Winter bieten, zu bewerten.

Für jede Stadt schätzten die Forschenden die temperaturbedingten Risiken und rechneten sie in Gesundheitskosten um, wobei sie sowohl die Auswirkungen im Sommer als auch im Winter sowie den jährlichen Nettoeffekt berücksichtigten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der städtischen Hitzerisiken und die Rolle, die Wärmeinseln im Winter spielen, sind bisher kaum erforscht worden. In dieser Studie werden die durchschnittlichen «Einsparungen» für die kältebedingten Auswirkungen auf 314 € pro erwachsenem Einwohner und Jahr beziffert. Die Wissenschaftlerinnen fanden heraus, dass die städtische Wärmeinsel von Genf beispielsweise 4 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle pro 100 000 Einwohner pro Jahr verursachen – aber 3,4 kältebedingte Todesfälle verhindern kann.

«Künftig können politische Entscheidungsträgerinnen und -träger diese konkreten Informationen für ihre Entscheidungen nutzen.»      Gabriele Manoli, EPFL, verantwortlicher Autor der Studie

Fundierte Entscheidungen treffen

Manoli und seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und Singapur hoffen, mit ihrer Studie Licht in diese wichtigen Fragen zu bringen und Informationen für die künftige Planung und die Strategien zur Eindämmung des Klimawandels zu liefern. Manoli erklärt, dass ihr interdisziplinärer Ansatz den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in den Städten helfen kann, hitzebedingte Risiken einzuschätzen und mit den vielen verschiedenen Faktoren zu jonglieren, die mit städtischen Hitzeinseln verbunden sind: «Das Ziel ist es, diese Gebiete in den Sommermonaten weniger gefährlich zu machen, ohne den Schutz, den sie im Winter bieten können, zu beeinträchtigen», sagt er. «Unsere Studie zeigt, dass die Auswirkungen von Hitzeinseln von Stadt zu Stadt und von Jahreszeit zu Jahreszeit sehr unterschiedlich sind. Künftig können politische Entscheidungsträger diese konkreten Informationen für ihre Entscheidungsfindung nutzen».

Die vollständige Studie enthält Tabellen, in denen alle 85 in die Studie einbezogenen Städte sowie die durch Hitzeinseln verursachte Sterblichkeit, die Anzahl der verlorenen Lebensjahre und die geschätzten wirtschaftlichen Auswirkungen aufgeführt sind. Wiederum am Beispiel von Genf betrugen die Nettokosten der hitzebedingten Sterblichkeit 20,7 € pro erwachsenem Einwohner und Jahr (155 € aufgrund des Hitzerisikos und -134 € aufgrund des kalten Wetters), während sie in Triest 184,4 € betrugen (547 € und -363 € aufgrund des Hitzerisikos bzw. des kalten Wetters).

Negative Nettokosten

Einige europäische Städte wiesen sogar negative Nettokosten auf, da sie durch Wärmeinseln über längere Kälteperioden geschützt wurden. In Helsinki beispielsweise betrug die Nettoeinsparung 113,9 €. Die Wissenschaftlerinnen betonen jedoch, dass solche Zahlen die Stadtplanungsfachleute nicht in Selbstgefälligkeit bezüglich der Gefahren extremer Hitze wiegen sollten, da die Auswirkungen im Sommer sehr schädlich sind und sich in Zukunft wahrscheinlich noch verstärken werden.

Manoli beabsichtigt, diese Forschung weiterzuführen, indem er sich mit den Einschränkungen dieser ersten Studie auseinandersetzt. So plant er beispielsweise, diese ersten Kostenschätzungen zu verfeinern, indem er die Beziehung zwischen Hitzeinseln, sozialer Ungleichheit und Verkehrsmustern untersucht.