Nachhaltige Toiletten für den Klimawandel und die SDGs

Die Trenntoilette save! hat den Designpreis Schweiz 2021 gewonnen. Dies ist auch ein Meilenstein für Tove Larsen. Sie ist Direktionsmitglied der Eawag und forscht seit bald 30 Jahren daran, wie die Nährstoffe im Abwasser sinnvoll zurückgewonnen werden können. Im Interview zum Welttoilettentag 2021 erklärt sie, wie entscheidend unser Umgang mit Abwasser für den Klimawandel und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele SDGs ist.
Cover des Magazins Environmental Science, Water Research and Technology zum Artikel von Tove A. Larsen et al. (Foto: Harald Gründl, EOOS next)

What do our toilets have to do with global challenges such as climate change?

Was haben unsere Toiletten mit globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu tun?
Der Klimawandel – aber vor allem auch das schnelle weltweite Bevölkerungswachstum – stellen uns vor grosse globale Herausforderungen. Diese Herausforderungen sind in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zusammengefasst und nehmen auch Bezug auf die Siedlungswasserwirtschaft. Das Nachhaltigkeitsziel SDG 6 verlangt sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen für alle sowie den Schutz von Wasser-Ressourcen gegen Verschmutzung. Das bedeutet, dass wir weltweit die Menge an unbehandeltem Abwasser halbieren und das Recycling sowie die sichere Wiederaufbereitung von Wasser substantiell erhöhen müssen. SDG 14 verlangt die Reduktion der Meeresverschmutzung, explizit erwähnt ist die Verschmutzung durch Nährstoffe, welche in grossem Mass in unserem Abwasser enthalten sind. SDG 2 soll den Hunger weltweit beenden, eine Rückgewinnung von Nährstoffen aus dem Abwasser spielt auch hier eine zentrale Rolle. Auch verschiedene andere Ziele hängen von einer Verbesserung der Abwasserentsorgung und der sanitären Einrichtungen ab.

Sie forschen seit vielen Jahren an der Trennung der Abwasserströme an der Quelle. Welches sind die Vorteile?

Wir halten die Stoffströme des Abwassers separat, weil sie dann einfacher zu reinigen sind und es vor allem einfacher ist, die Ressourcen darin wiederzugewinnen. Als Beispiel die Urinseparierung: Wird der Urin bereits in der Toilette abgetrennt, muss man an der Kläranlage keine Nährstoffelimination betreiben, die Kläranlagen werden also kleiner, günstiger und einfacher und die Nährstoffe aus dem Urin können für landwirtschaftlichen Dünger rückgewonnen werden. In einer Kläranlage ist das nicht mehr möglich. Es hat lange gedauert, bis wir einen grossen Sanitärhersteller davon zu überzeugen konnten, eine attraktive Toilette auf den Markt zu bringen. Unser Partner aus Österreich, Harald Gründl vom Designbüro EOOS, hat aber kürzlich die «Urine Trap» erfunden, die den so genannten «Teekanneneffekt» nutzt, um Urin in der Toilette separat aufzufangen. Damit konnte er die Schweizer Sanitärfirma Laufen überzeugen, eine neue urinseparierende Toilette zu entwickeln, die übrigens gerade den Design Preis Schweiz gewonnen hat.  

Welttoilettentag 2021

Der Welttoilettentag 2021 der Vereinten Nationen steht unter dem Motto «nachhaltige Abwasserentsorgung und Klimawandel». Wir veröffentlichen dazu Interviews mit unseren Forschenden Tove Larsen (Mitglied Direktion, Gruppenleiterin Abteilung Siedlungswasserwirtschaft) und Kai Udert (Gruppenleiter Abteilung Verfahrenstechnik), welche beide seit vielen Jahren daran arbeiten, Ressourcen aus dem Abwasser rückzugewinnen. Die Geschichte der Urinseparierung wurde von Luke Keogh in «Flows of Science» dargestellt.

Wir konnten kürzlich zeigen, dass alleine die Urinseparierung gezielt auf die SDGs eine positive Auswirkung hat: Die Trennung der Abwasserströme ermöglicht in ärmeren Gebieten, die auf Trockentoiletten angewiesen sind, attraktivere Toiletten. Weil sie verschiedene Vorteile haben, werden sie häufiger genutzt und wirken sich deshalb positiv auf die Hygiene aus. Ausserdem verringern sie die Verfrachtung der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor in die Gewässer, die dort aufgrund der Gewässererwärmung noch grössere Probleme verursachen werden als bereits heute. Diese Nährstoffe befinden sich, wie vorhin bereits erwähnt, hauptsächlich im Urin und können daraus rückgewonnen und gemeinsam mit den ebenfalls enthaltenen Mikronährstoffen als hochwertiger Dünger für Nahrungsmittel eingesetzt werden, was sich wiederum sehr positiv auf die Ernährungssituation auswirken kann. Das Eawag Spin-Off Vuna produziert bereits heute aus Urin Dünger, der hier in der Schweiz für den Gemüseanbau zugelassen ist. Mit den Durchbrüchen im Toilettendesign und den Behandlungsverfahren, die wir in über 30 Jahren Entwicklung erzielt haben, können wir nun die Wertschöpfungskette zur Marktreife bringen.

Was ist Ihre Botschaft zum Welt-Toilettentag 2021?

Wir müssen lernen umzudenken: das zentralisierte, netzwerk-basierte Abwassersystem ist aus guten Gründen zu einem erstrebenswerten Modell für Gesellschaften auf der ganzen Welt geworden. Aber es dient immer noch nur einer Minderheit der globalen Bevölkerung und ist an den meisten Orten schlicht nicht umsetzbar. Ausserdem gehen die grossen hygienischen Vorteile für den Menschen zulasten der aquatischen Umwelt, welche das anfallende Abwasser mit den enormen Nährstofffrachten aufnehmen muss. Diese Nährstoffe fehlen dafür bei der Nahrungsmittelproduktion. Wir müssen den Ressourcenkreislauf schliessen. Eine Separierung der Stoffströme im Abwasser macht dies möglich.