Lässt sich’s klimaneutral Fliegen?

Der Luftverkehr ist für etwa zwei bis drei Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und den Flugverkehr bis 2050 klimaneutral zu gestalten, forscht das PSI an nachhaltigem Kerosin. Es könnte einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der flugbedingten Klimaschäden leisen.
Ein Passagierflug verbraucht pro Person und 100 Kilometer etwa 3,5 Liter Kerosin. (Bild: Adobe Stock)

Trotz pandemiebedingtem Rückgang und wachsendem Bewusstsein über die klimaschädlichen Auswirkungen des Fliegens bleibt die Reiselust gross und es ist davon auszugehen, dass der Flugverkehr ab 2024 mit einer jährlichen Wachstumsrate von zwei bis vier Prozent zunehmen wird. Von allen Arten zu Reisen verursacht jedoch Fliegen die meisten Kohlendioxid-Emissionen – der Ausstoss an klimarelevanten Gasen pro Personen- oder Frachtkilometer ist zwei bis dreimal höher als in anderen Verkehrssektoren.

Die klimaschädlichste Art zu Reisen

Direkte Kohlendioxid-Emissionen machen allerdings nur etwa ein Drittel der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs aus. Ebenso wichtig sind indirekte Effekte wie beispielsweise die Entstehung von Kondensstreifen.

Kondensstreifen entstehen unter anderem durch die Emission von Wasserdampf und Russpartikel aus der Verbrennung von fossilem Kerosin. Luftfeuchtigkeit und kalte Temperaturen in grosser Höhe lassen die Partikel zu Eiskristallen gefrieren und als Kondensstreifen sichtbar werden. Unter bestimmten Bedingungen entwickeln sich daraus künstliche Wolken – sogenannte Aviatik induzierte Zirruswolken. Einige dieser Wolken lassen zwar das sichtbare Sonnenlicht fast ungehindert passieren, reflektieren und absorbieren jedoch die Infrarotstrahlung von der Erdoberfläche sehr effizient. Diese Strahlung kann dadurch nicht ungehindert ins Weltall entweichen und erwärmt unseren Planeten.

Solche Klimaeffekte sind zwar kurzlebiger als die direkten Kohlendioxid-Emissionen, mit zunehmendem Flugverkehr zeigen sich ihre Auswirkungen jedoch umso frappanter. Um die enormen Treibhausauswirkungen im Flugverkehr zu reduzieren, wird an verschiedenen Alternativen geforscht.

Die Alternativen

Lithium-Ionen-Batterien, wie sie beispielsweise in Elektrofahrzeugen vorkommen, haben eine sehr geringe gravimetrische Energiedichte. Das heisst, sie benötigen enorm viel Masse, um die erforderliche Energie zu liefern. Für Mittel- und Langstreckenflüge, bei denen jedes Kilogramm zählt, fallen Batterien sprichwörtlich zu stark ins Gewicht. Zudem müsste hierfür die Logistik an Flughäfen entscheidend angepasst werden, um mehrere Flugzeuge schnell und parallel zu laden. Als Nischenprodukt, wie beispielsweise für Kurzstreckenflüge mit kleiner Passagierzahl, sind batteriebetriebene Flugzeuge jedoch durchaus eine Alternative. 

Wasserstoff in flüssiger Form besitzt zwar eine höhere gravimetrische Energiedichte als traditionelles Kerosin, seine volumetrische Energiedichte ist jedoch etwa viermal geringer. Das heisst, ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug benötigt ein viel höheres Tankvolumen, um die erforderliche Energie zu liefern. Um dieses Problem zu umgehen, entwickelt beispielsweise Airbus eine Hybridtechnologie, welche den Wasserstoff einerseits in Gasturbinen verbrennt und ihn andererseits in Brennstoffzellen verstromt. Dafür muss jedoch das komplette Design von Flugzeugen einschliesslich dem Treibstoffsystem und dem Antrieb überarbeitet werden.

Nachhaltiges Kerosin hat den Vorteil, dass es direkt in die bestehende Flughafeninfrastruktur integriert und in konventionellen Triebwerken genutzt werden kann. Die im Einsatz stehende Flugzeugflotte muss somit nicht ersetzt werden und der nachhaltige Treibstoff lässt sich durch vermehrte Beimischung ins fossile Kerosin stufenlos einführen. Durch seine molekulare Zusammensetzung liesse sich ausserdem der Verbrennungsprozess beeinflussen und so beispielsweise die Entstehung von Russpartikel deutlich reduzieren. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich dadurch nicht bloss die Nettoerwärmung der Erde reduzieren, sondern auch die lokale Luftqualität an Flughäfen verbessern lässt.

Mittels Elektrolyse lässt sich aus neuen erneuerbaren Energien und Wasser grüner Wasserstoff gewinnen. Wasserstoff und Kohlendioxid reagieren schliesslich zu grünem Methanol – dem Ausgangsstoff von nachhaltigem Kerosin. Da das Kohlendioxid direkt aus der Luft oder aus Non-Food-Biomasse wie beispielsweise aus Holz- oder pflanzlichen Abfällen stammt, ergibt sich ein neutraler CO2-Kreislauf.

Müssen wir angesichts der enormen Treibhausauswirkungen ganz auf Flugreisen verzichten oder gibt es eine klimaneutrale Art zu fliegen? In unserer letzten Energiezukunft-Episode befassen wir uns mit nachhaltigem Kerosin und der klimaneutralen Zukunft des Luftverkehrs. (Video: Paul Scherrer Institut/Benjamin A. Senn, Monika Blétry, Markus Fischer, Mahir Dzambegovic)

Anspruchsvolles Herstellungsverfahren am PSI

Allerdings entpuppt sich die Produktion von nachhaltigem Kerosin als äusserst energieintensiv. Insbesondere fällt der mittels Elektrolyse hergestellte Wasserstoff, in dem nur etwa 50 Prozent des zugefügten Stroms gespeichert werden kann, stark ins Gewicht. Rechnet man das Ganze auf die benötigte Menge an Treibstoff hoch, wäre eine Gesamtversorgung mit nachhaltigem Kerosin derzeit gar nicht möglich – und der Flugverkehr nimmt weiter zu.

Jörg Roth, Wissenschaftler am PSI, hat die folgende Rechnung gemacht: «Die Herstellung von einem Liter nachhaltigem Kerosin benötigt etwa 23 bis 27 Kilowattstunden Strom. Ein Passagierflug verbraucht pro Person und 100 Kilometer etwa 3,5 Liter Kerosin. Mit einem jährlichen Bedarf von circa 300 Millionen Tonnen an nachhaltigem Treibstoff wären dafür etwa 7500 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien erforderlich – was dem Dreifachen des gesamten europäischen Stromverbrauchs (2022) entspricht. Und das Flugverhalten nimmt nicht ab, sondern zu.» 

An der ESI-Plattform am PSI werden deshalb im Rahmen der vom ETH-Rat geförderten Initiative «Synthetic Fuels from Renewable Resources» und in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa verschiedene Verfahren entwickelt, um die Gewinnung von nachhaltigem Kerosin so energieeffizient wie möglich zu gestalten. «Wenn wir weiterhin fliegen wollen, so müssen wir es nachhaltig tun», erklärt Marco Ranocchiari, Leiter der ESI-Plattform. «Für Langstreckenflüge ist nachhaltiges Kerosin eine sinnvolle Alternative.»

Wenn dabei jedoch das Flugverhalten weiter anwächst, reicht nachhaltiges Kerosin allein nicht aus. Um die Luftfahrt bis 2050 klimaneutral zu gestalten, kommen wir nicht drumherum, künftig weniger zu fliegen.

Die Video-Serie Energiezukunft befasst sich mit Alltagsfragen zum Thema Energiewende in der Schweiz. In kurzen Videos wird pro Folge eine Frage aufgeworfen. Anhand der Energieforschung am PSI werden mögliche Lösungen formuliert.

Kontakt

Dr. Jörg Roth
Energie und Umwelt
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 53 96, E-Mail: joerg.roth@psi.ch [Deutsch, Englisch]

Dr. Marco Ranocchiari
Leiter der Energy System Integration 
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 58 43, E-Mail: marco.ranocchiari@psi.ch [Deutsch, Englisch, Italienisch]