Wie gesund ist Ihr digitaler Zwilling?

Digitale Zwillinge – eine geschickte Kombination aus künstlicher Intelligenz und persönlichen Daten – haben bereits begonnen, die Arbeitsweise der Gesundheitsversorgung zu revolutionieren. Aber sie werfen eine Menge ethischer und rechtlicher Fragen auf, insbesondere angesichts der riesigen Mengen an medizinischen Daten, die gesammelt werden müssen, um Algorithmen der künstlichen Intelligenz zu trainieren. Müssen wir uns also Sorgen über die Möglichkeit eines digitalen Klons machen? Wir haben mit Expertinnen aus verschiedenen Bereichen gesprochen, um das herauszufinden.
Ein digitaler Klon würde Ihre komplette Krankenakte enthalten: Alter, Grösse, Gewicht, Vorerkrankungen, Puls, Organtätigkeit, Cholesterinspiegel, genetische Veranlagungen und mehr. © iStock

Stellen Sie sich vor, es gäbe da draussen eine virtuelle Kopie Ihres Körpers – eine Art Klon, aber in der digitalen Welt. Und stellen Sie sich vor, dieser Klon enthielte Ihre komplette Krankenakte: Alter, Grösse, Gewicht, Vorerkrankungen, Puls, Organtätigkeit, Cholesterinspiegel, genetische Veranlagungen und mehr. Das ist die Idee hinter digitalen Zwillingen. Sie wandeln die medizinischen Daten der Patientinnen und Patienten in mathematische Formeln um, die dann in KI-Algorithmen und Computerprogramme eingespeist werden. Sie arbeiten in Echtzeit und verarbeiten nicht nur die medizinischen Daten der zu behandelnden Patientin, sondern auch die Daten aller anderen digitalen Zwillinge.

Ziel ist es, dass ärztliches Fachpersonal diese virtuellen Modelle nutzen, um Vorhersagen zu treffen und eine personalisierte Gesundheitsversorgung anzubieten. Zum Beispiel könnten sie den digitalen Zwilling einer Patientin nutzen, um eine versteckte Krebserkrankung zu erkennen, verschiedene Behandlungsprotokolle zu testen, die entsprechenden Reaktionen zu beobachten und das beste Protokoll für diese bestimmte Person auszuwählen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glauben, dass digitale Zwillinge die Praxis der Gesundheitsversorgung revolutionieren und Patientinnen und Patienten einen grossen Teil der Frage abnehmen könnten, wie sie gesund bleiben. Digitale Zwillinge wurden bereits für bestimmte Organe entwickelt (oder sind gerade in Entwicklung); einer für den gesamten menschlichen Körper könnte innerhalb von 15 Jahren fertig sein. Doch hinter dieser technologischen Leistung stehen einige ethische Fragen, wie z. B., wie genau die virtuellen Klone verwendet werden und wie die persönlichen Daten der Patientinnen und Patienten geschützt werden – vor allem, wenn die Zwillinge von der Privatwirtschaft entwickelt werden.

Digitalisierte Objekte

Digitale Zwillinge haben Potenzial über den Gesundheitsbereich hinaus – von einer Vielzahl von Objekten, von Motoren und Maschinen bis hin zu ganzen Städten, wurden bereits virtuelle Nachbildungen erstellt. Ingenieure nutzen diese 3D-Computermodelle, um das Verhalten von Objekten vorherzusagen, indem sie die Beziehung zwischen der physischen und der virtuellen Welt konzeptualisieren. Mit anderen Worten: Ein digitaler Zwilling ist eine digitalisierte Version eines realen Objekts. «Es hat sich gezeigt, dass diese Modelle in der Lage sind, den gesamten Lebenszyklus eines Objekts von der Herstellung und Nutzung bis hin zu seiner Zerstörung oder Wiederverwertung effektiv nachzubilden», sagt Frédéric Kaplan, Leiter des Digital Humanities Laboratory der EPFL.

Bei der Anwendung im Gesundheitswesen handelt es sich bei digitalen Zwillingen um Computermodelle von Patientinnen und Patienten, die aus deren vollständigen Krankenakten entwickelt werden: «Theoretisch können Ärztinnen die Modelle nutzen, um Behandlungen an die spezifischen Merkmale jedes Patienten anzupassen. Viele Behandlungen werden heute für 'Durchschnittserkrankte' entwickelt, sind aber nicht unbedingt für unterschiedliche Individuen geeignet», sagt Kaplan.

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