Mit Kakao-Fingerabdruck zu besserer Schokolade

Mit einer neuen Analysemethode will die Doktorandin Julie Lestang das chemische Profil von Kakaobohnen zuverlässig und schnell bestimmen. Damit schafft sie die Basis für eine kontrollierte Fermentation – und qualitativ hochwertige Schokolade.
Auf der Suche nach der optimalen Fermentation: Die Lebensmittelwissenschaftlerin Julie Lestang schnuppert an einer Kakaobohne. (Bild: ETH Zürich / Michel Büchel)

Julie Lestang weiss aus eigener Erfahrung, welche Konsequenzen es hat, wenn bei der Fermentation von Kakao unerwünschte Mikroorganismen am Werk sind. Bevor sie im November 2021 nach Zürich kam, arbeitete sie zwei Jahre lang an der Elfenbeinküste für die Kakao-Sparte eines internationalen Lebensmittelkonzerns. «Ein grosses Problem sind Schimmelpilze», sagt Lestang. «Es kommt vor, dass die gesamte Kakaoladung eines Frachtschiffs weggeworfen werden muss, weil sie verschimmelt ankommt.»

Schimmel ist nicht nur ein geschmackliches, sondern auch ein gesundheitliches Problem, weil die Pilze gefährliche Mykotoxine produzieren. «In unserem Forschungsprojekt suchen wir deshalb nach Mikroorganismen, die den Pilzbefall hemmen und zu einer kontrollierten und optimalen Fermentation der Kakaobohnen führen», erklärt die französische Agronomin, die zurzeit am Labor für Lebensmittelbiotechnologie des Departements für Gesundheitswissenschaften und Technologie an der ETH Zürich doktoriert. Einst wollte sie Chocolatière werden, nachdem sie mit der Schule eine Schokoladenfabrik besucht hatte. So weit kam es nicht, aber während des Agronomiestudiums in Montpellier, wo sie sich auf die Nahrungsmittelproduktion in mediterranen und tropischen Ländern spezialisierte, wuchs Lestangs Interesse an der Kakaofrucht weiter an.

Fermentation besser kontrollieren

Bis eine Tafel Schokolade im Regal eines Einkaufladens steht, hat der Kakao nicht nur eine weite Reise hinter sich, sondern auch eine Reihe von Verarbeitungsschritten. Zentral ist dabei die Fermentation der Bohnen, ein natürlicher Prozess, der beginnt, sobald die grüne bis rötlich-gelbe Kakaofrucht geerntet, aufgebrochen und die Bohnen in Holzkästen zum Trocknen ausgelegt werden. Die Mikroorganismen, die natürlich in der Umgebung vorkommen und sich auf Werkzeugen, Bananenblättern zum Abdecken oder den Händen der Bauern und Bäuerinnen befinden, bauen den Zucker des Fruchtfleischs ab, das die Bohnen umhüllt. Dabei werden diese warm und saurer. Das zerstört die Zellen der Bohne. «Dies verhindert, dass die Samen keimen, sonst hätte man bald viele kleine Kakaobäume», sagt Julie Lestang und lacht. Während der Fermentation erhalten die Bohnen zudem ihre kakaobraune Farbe und den bitter-erdigen Geschmack, den schwarze Schokolade auszeichnet.

Qualität und Geschmack des Kakaos hängen weitgehend davon ab, welche Mikroorganismen an diesem Fermentationsprozess beteiligt sind. «Wenn wir zu Beginn der Fermentation die Kakaobohnen mit der richtigen Mischung von Mikroorganismen behandeln, reduzieren wir Gesundheitsrisiken, Qualitätsverlust und Lebensmittelabfälle.»

Als pilzhemmende Fermentationsstarter setzen Lebensmitteltechnolog:innen Hefen und Milchsäurebakterien ein. Doch nicht alle Kakaobohnen reagieren gleich auf die Mikroorganismen, weil das chemische Profil und die Eigenschaften der Bohnen je nach Anbauregion und Kakaosorte variieren. Deshalb entwickelt Lestang in ihrem Projekt eine Methode, um den chemischen Fingerabdruck von Kakaobohnen zu bestimmen. Ausgehend davon wird ersichtlich, welche Fermentationsstarter eine Bohne am besten vor Pilzbefall schützen.

Für die Analyse nutzt die Forscherin die «Rapid Evaporative Ionization Mass Spectroscopy» (REIMS), eine Methode, die vorwiegend in der Medizin für mikrobiologische Tests genutzt wird. Im Lebensmittelbereich kommt sie erst selten zum Zug. «REIMS hat den Vorteil, dass sowohl die Probevorbereitung als auch die Auswertung viel weniger aufwändig und zeitintensiv ist als bei herkömmlichen Testverfahren.»

Für die Analyse mahlt Lestang die Kakaobohnen und versetzt sie mit Wasser und Methanol. Die entstehende Suspension streicht sie auf eine Metallplatte und verbrennt sie anschliessend mit einer Art Lötkolben. Die entstehenden Gase werden durch ein Spektrometer entsprechend ihrer chemischen Zusammensetzung aufgeschlüsselt. Ein Diagramm bildet schliesslich den «Fingerabdruck» der Kakaobohne ab.

Validierung in den Produktionsländern

Lestang kooperiert im Projekt eng mit der Forschungsgruppe Lebensmittelbiotechnologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Diese forscht seit über zehn Jahren gemeinsam mit Industriepartnern an der Verbesserung des Kakaoverarbeitungsprozesses. Die ZHAW-Forschenden haben nebst einer Sammlung von über 13'000 Mikroorgansimen ein Partnernetzwerk mit Produzenten und Produzentinnen in mehreren Ländern Mittel- und Südamerikas aufgebaut. Eine ehemalige Doktorandin hatte in einer ersten Projektphase aus der Fermentation von Kakaobohnen in Honduras nahezu 800 Mikroorganismen isoliert und für eine spätere Anwendung getestet. Vier Kandidaten stellten sich dabei als besonders aussichtsreich heraus. Lestang kann auf diese Erfahrung und das Netzwerk zurückgreifen, um die Laborerkenntnisse in der Praxis zu prüfen.

Aktuell werden in den Kooperationsländern erste Fermentationsstarter an Proben von 20 bis 50 Kilogramm Kakaobohnen getestet. Im kommenden Herbst wird die Forscherin für Tests nach Ecuador reisen. Stellt sich heraus, dass sich die Massenspektroskopieanalyse dazu eignet, schnell und zuverlässig passende Fermentationsstarter zu entwickeln, könnte sich dieses Verfahren im Lebensmittelbereich zunehmend durchsetzen, zum Beispiel auch bei der Verarbeitung von Kaffee. Davon ist Lestang überzeugt. Sie selbst will nach ihrer Doktorarbeit weiter mit Kakao arbeiten. Kürzlich hat die Agronomin an einem Institut in Grossbritannien eine Ausbildung zur Schokoladenverkosterin gemacht – «in meiner Freizeit», wie sie betont. «Und meine Faszination für diese Frucht und deren Verarbeitung ist damit nur noch grösser geworden.»