Die meisten Wildbienen-Hotspots liegen ausserhalb von Schutzgebieten

Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben in einer Studie zahlreiche Orte in der Schweiz gefunden, an denen es besonders viele oder schützenswerte Wildbienen-Arten gibt. Das Problem: Sie liegen oft ausserhalb von Schutzgebieten.
Die Erdhummel (Bombus terrestris) ist weit verbreitet und auch in Siedlungen häufig. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Wildbienen sind unverzichtbare Bestäuber. Die weltweit über 20’000 Wildbienenarten befruchten aufgrund ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse, Nahrungsvorlieben und Aktivitätszeiten ein weites Spektrum an Blumen. Und sie verbessern auch deshalb sogar dort den Fruchtansatz von landwirtschaftlichen Kulturen, wo es viele Honigbienen gibt. In der Schweiz sind etwa 600 Wildbienenarten heimisch. Fast die Hälfte von ihnen ist laut der Roten Liste der bedrohten Tierarten gefährdet.

Schützen Schutzgebiete Wildbienen?

Ein Problem ist mangelnder Lebensraum, und es ist bisher unklar, wie gut Wildbienen von Schutzgebieten profitieren. «Wenn Schutzgebiete ausgewiesen werden, geht es meist um Wirbeltiere oder Pflanzen, nicht um Insekten», sagt der Ökologe Joan Casanelles-Abella von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Casanelles-Abella, Marco Moretti und Forschende weiterer Institutionen gingen dieser Frage nach - mit ernüchterndem Ergebnis.

Zunächst erkundeten sie, wo es besonders viele oder besonders schützenswerte, da seltene oder hochspezialisierte Wildbienenarten gibt. Dazu griffen sie auf Daten von fast 3350 Flächen zurück, auf denen im Rahmen von Langzeitbeobachtungen oder Studien erfasst worden war, welche Wildbienen dort vorkommen. Diese konkreten Vorkommen rechneten sie dann mit Hilfe von Verbreitungsmodellen, die Lage, Nutzung und Klima der Standorte mit einbezogen, für knapp 550 Bienenarten auf die ganze Fläche der Schweiz hoch. Dann verglichen sie die Zusammensetzung von Arten und Eigenschaften der Wildbienen-Gemeinschaften an verschiedenen Orten der ganzen Schweiz miteinander.

Unterschiede zwischen Tiefland und Gebirge

Als «Bienen-Hotspot» definierten sie bestimmte Flächen, auf denen besonders viele Bienenarten lebten, oder deren Bienen-Gemeinschaften in punkto Eigenschaften oder Zusammensetzung einzigartig und damit schützenswert waren. Dabei zeigten sich im Tiefland und im Gebirge gegenläufige Trends. Hotspots im Tiefland zeichnen sich durch eine grosse Artenvielfalt aus. Hotspots mit seltenen und stark spezialisierten Arten, die sich klar vom Rest der Schweiz unterscheiden, gab es dort allerdings keine. Im Gebirge war es genau umgekehrt: Dort machten die Forscher Hotspots mit Artengemeinschaften aus, die sich aufgrund seltener und spezialisierter Wildbienenarten stark von anderen absetzten. Die Artenvielfalt dagegen war generell niedriger als im Tiefland.

In einem weiteren Schritt untersuchten die Forschenden dann, wie stark sich die von ihnen identifizierten Wildbienen-Hotspots und Naturschutzgebiete in der Schweiz überlappen. «In streng geschützten Gebieten wie etwa dem Nationalpark ist die Überlappung gut», sagt Casanelles-Abella. Zudem liegt etwa die Hälfte der «Berg-Hotspots» in Schutzgebieten. «Das liegt daran, dass es in den Alpen viele Schutzgebiete gibt», erklärt der Forscher.

Hotspots überwachen

Über die ganze Schweiz gesehen, liegen die meisten Hotspots allerdings ausserhalb von Schutzgebieten: Bei den besonders artenreichen sind es über 75 Prozent, bei denen mit besonders einzigartigen Arten immer noch gut die Hälfte. «Der Grund hierfür ist, dass gerade streng geschützte Gebiete nur einen kleinen Teil der Landesfläche ausmachen», warnt der Forscher. «Diese ungeschützten Hotspots muss man mindestens genau im Auge behalten, noch besser aber in das Netzwerk bestehender Schutzgebiete einbeziehen, wenn das möglich ist.» Auch die Hotspots in den Bergen machen Forschenden Sorgen, selbst wenn sie in Schutzgebieten liegen: «Gerade in den höheren Lagen schreitet der Klimawandel schnell voran», sagt Casanelles-Abella. «In den Pyrenäen sieht man bereits, dass in hohen Lagen Arten verschwinden.»

Zudem müsse man nun mit Untersuchungen von Ort überprüfen, ob die vom Modell vorhergesagten Hotspots auch tatsächlich solche seien – und was sie auszeichne. Dieses Wissen könnte dann in die Planung von Schutzgebieten einfliessen, die auch Bienen etwas nützten, sagt Casanelles-Abella. «Und nicht nur Bienen – unsere Methode lässt sich auch auf andere Insekten übertragen und erlaubt so zu untersuchen, wo deren Hotspots liegen.»

Der Begriff «geschütztes Gebiet» ist ein Oberbegriff, der in der Schweiz viele verschiedene Strategien umfasst und verschiedene Ebenen der Gesetzgebung (europäisch/international, national, kantonal) abbildet. Geschützte Gebiete variieren stark in Bezug auf die Intensität des Managements und die Schutzmassnahmen. In dieser Studie wurde unter den zwei folgenden Kategorien unterschieden:

  • geschützte Gebiete sensu stricto: Nationalpark, Biotope von nationaler Bedeutung (Hoch- und Flachmoore, Auengebiete, Amphibienlaichgebiete, Moorlandschaften sowie Trockenwiesen und -weiden), Waldreservate und Pro Natura Naturschutzgebiete
  • geschützte Gebiete sensu lato: Schweizer Pärke, Wasser- und Zugvogelreservate, eidg. Jagdbanngebiete und weitere Schutzgebiete von internationaler Bedeutung wie Smaragd-Gebiete