Ernährungsunsicherheit in Nigeria mindern

Die Empa und BASE (Basel Agency for Sustainable Energy) haben eine datenwissenschaftlich gestützte mobile App lanciert, die darauf abzielt, die Verluste bei der Lebensmittelproduktion zu minimieren und die Treibhausgasemissionen zu senken, indem sie den Zugang zu Kühleinrichtungen ermöglicht und Kleinbauern die Möglichkeit gibt, die Haltbarkeit ihrer Produkte zu überwachen. Nach der erfolgreichen Implementierung der App «YourVCCA» in Indien hat das Team das Projekt kürzlich auf Nigeria ausgeweitet, wo es wichtige Partnerschaften mit Datenwissenschaftlern und Finanzierungspartnern geschlossen hat.
Daniel Onwude, Kanaha Shoji, Roberta Evangelista, Thomas Motmans (v.l.n.r.) während einer Fragerunde auf dem West Africa Cold Chain Summit in Lagos. (Bild: BASE)
Die Ausweitung des Projekts auf Nigeria wird durch die Pilotphase der Software in verschiedenen Regionen des Landes in Zusammenarbeit mit mehreren lokalen Anbietern von Clean Technology gekennzeichnet sein, allen voran ColdHubs Limited. Neben den vor Ort gewonnenen Erkenntnissen ermöglichte die Reise dem Team, wichtige Partnerschaften zu knüpfen, zum Beispiel mit Data Science Nigeria und Infracredit. Die Erweiterung des Projekts Your Virtual Cold Chain Assistant in Nigeria wird im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchgeführt und von BASE in Partnerschaft mit der Empa im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH umgesetzt. Das Projekt ist eine Erweiterung der Bemühungen von BASE und Empa in Indien, die im Januar als Teil der DataDotOrg Inclusive Growth and Recovery Challenge, die in Partnerschaft mit der Rockefeller Foundation und dem Mastercard Center for Inclusive Growth durchgeführt wird, begonnen haben.

Erfolgreiche Umsetzung in Indien

Indien ist einer der grössten Lebensmittelproduzenten der Welt. Unzureichende Kühlmöglichkeiten und andere Engpässe in der Lieferkette führen jedoch dazu, dass bis zu einem Drittel der produzierten Lebensmittel verschwendet werden – ein geschätzter Verlust in Milliardenhöhe. Nur 6% der Lebensmittel durchlaufen die Kühlkette, verglichen mit etwa 60% in Industrieländern. Besonders problematisch ist die Situation für Kleinbauern, die einen grossen Anteil an der Nahrungsmittelproduktion in Indien haben. Finanzielle, technologische und fachliche Hürden hindern diese Landwirte am Zugang zu nachhaltigen Kühllösungen, um Lebensmittel zu retten – und ihre Existenz zu sichern.

Um diese Herausforderung zu meistern, entwickeln Empa und BASE eine frei zugängliche, datenwissenschaftlich gestützte mobile App, die Kleinbauern und -bäuerinnen Zugang zu nachhaltigen Kühlanlagen, zu Fachwissen vor und nach der Ernte und zu Marktinformationen ermöglicht. Die App «Your Virtual Cold-Chain Assistant» (YourVCCA) enthält verschiedene Dateneingaben wie Wetter- und Klimadaten, Satellitenbilder, geografische Standortdaten, Erträge von Frischprodukten, Daten von hygrothermischen Kühlhaussensoren, prognostizierte Resthaltbarkeit von Produkten und Marktpreise in Echtzeit. Durch die Ausstattung der Kleinbauern mit geeigneten Daten will das Projekt die Ernährungssicherheit verbessern, die Einkommen der Kleinbauern erhöhen, Lebensmittelverluste verringern und die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf das globale Klima minimieren.

Zugang zu Kühlräumen und Daten

Ein entscheidender Weg, um den Zugang von Kleinbauern zu Kühlanlagen zu verbessern, ist die Gründung von Partnerschaften mit Anbietern von Kühllösungen. Einer der lokalen Partner bietet Kühlungsdienste auf einem Markt an, der von rund 500 Kleinbauern besucht wird. Im Rahmen dieses Projekts, das als Pilotprojekt für die YourVCCA-App dient, werden hygrothermische Daten und Nutzungsdaten gesammelt, die Aufschluss über die optimalen Lagerbedingungen und die voraussichtliche Haltbarkeitsdauer der Erzeugnisse geben. Ziel des Projektteams ist es, Daten zu sammeln und diese in einer mehrschichtigen Karte Indiens zusammenzufassen, auf der die vielversprechendsten Kühlraumlager im Land verzeichnet sind.

Gleichzeitig wird die Wirksamkeit von YourVCCA getestet, einschliesslich eines bildbasierten maschinellen Lernmodells zur Bewertung von Früchten nach der Ernte. Darüber hinaus entwickelt das Projektteam visuelle, physikbasierte Zwillinge, die in Echtzeit die voraussichtliche Haltbarkeit der gelagerten Früchte vorhersagen. «An der Empa können wir bereits voraussagen, wie lange man ein Produkt lagern kann und wie Kleinbauern und -bäuerinnen diese Produkte lagern sollten, damit sie möglichst lange haltbar sind», sagt Empa-Forscher Thijs Defraeye. Diese digitalen Zwillinge werden Landwirten und Kühldienstleistern demnächst über eine webbasierte Plattform oder über eine mobile Version zur Verfügung gestellt. In YourVCCA werden diese digitalen Zwillinge und ihre Haltbarkeitsvorhersagen mit Marktpreisprognosen kombiniert, um den Landwirten zu empfehlen, wann sie ihre Ware am besten verkaufen sollten. «Wir haben YourVCCA als eine Art virtuellen Coach konzipiert, der den Nutzern rät, wie sie ihre Produkte lagern sollen, wie viel von der Qualität noch vorhanden ist und wann sie verkaufen sollten», fügt Defraeye hinzu.

Derzeit arbeitet das Projektteam an der Architektur der Benutzeroberfläche für YourVCCA. Die Benutzerfreundlichkeit sowohl für Kleinbauern als auch für Betreiber von Kühlsystemen wird in den kommenden Monaten getestet. «Die Fortschritte sind vielversprechend», so Defraeye, «wenn wir die Daten nutzen können, können wir viel mehr Lebensmittel vor dem Verderb retten, was sowohl den lokalen Produzenten als auch dem Klima zugutekäme. Wir alle wissen, dass die Technologie dafür vorhanden ist, aber derzeit sind die Lösungen nicht auf Kleinbauern zugeschnitten, da der finanzielle Anreiz dafür einfach geringer ist als bei grösseren Agrarunternehmen.»