Verkehrs-Pricing im Feldversuch

Verkehrsteilnehmende verändern ihr Verhalten, wenn sie für Kosten ihrer Mobilität aufkommen müssen, die bisher die Allgemeinheit bezahlt. Das zeigt das bisher grösste Pricing-Experiment im Schweizer Agglomerationsverkehr von Forschenden der Universität Basel, der ETH Zürich und der ZHAW.
Stau vor der Autobahn-​Ausfahrt in Bern. Verkehrs-​​Pricing vermag die externen Kosten des Verkehrs auf Gesundheit, Klima und Stau zu reduzieren. (Foto: Keystone/Gaetan Bally)  

Die Mobilität verursacht eine Reihe von Kosten, welche die einzelnen Verkehrsteilnehmenden nicht selber bezahlen müssen. Zu diesen externen Kosten gehören etwa durch Schadstoffe verursachte Schäden an Umwelt und Gesundheit, Kosten für die Infrastruktur, aber auch Zeitverluste, die anderen Verkehrsteilnehmenden durch Stau entstehen. 2017 beliefen sich die externen Mobilitätskosten in der Schweiz auf über 13 Milliarden Franken.

Ein Ansatz, diese erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten zu reduzieren, besteht darin, sie nach dem Verursacherprinzip zu verrechnen. Das dies technisch möglich ist und den gewünschten Effekt erzielt, hat nun ein Feldversuch gezeigt, an dem rund 3700 Personen in städtischen Agglomerationen der Romandie und der Deutschschweiz teilgenommen haben. Bei der 2019/2020 durchgeführten Studie handelt es sich um die grösste ihrer Art weltweit.

Tracking via App

Die Teilnehmenden des Experiments erklärten sich bereit, ihre täglichen Fahrten während acht Wochen mit einer App auf ihrem Smartphone zu erfassen. Die App zeichnete sowohl die Distanzen als auch die verwendeten Verkehrsmittel auf. Auf dieser Basis berechnete das Projektteam die externen Kosten pro Fahrt.

Nach vier Wochen wurden die Probanden zufällig in drei Gruppen eingeteilt: Die Teilnehmer der Informations-Gruppe erhielten wöchentlich eine Übersicht über ihre externen Kosten, die sie verursacht hatten, sowie Tipps, wie sie sich reduzieren liessen. Die Teilnehmer der Pricing-Gruppe erhielten dieselben Informationen, aber ihnen wurden die externen Kosten von einem individuellen Transportguthaben abgezogen – mit der Aussicht, dass ihnen der eingesparte Betrag am Ende der Studie ausbezahlt wird. Die dritte Gruppe diente der Kontrolle und erhielt weder zusätzliche Informationen noch Abzüge.

Verhaltensänderung reduziert Kosten

Der Vergleich der Pricing-Gruppe mit der Kontrollgruppe zeigt, dass die Bepreisung und der damit verbundene finanzielle Anreiz zu einer signifikanten Reduktion der externen Kosten um 5,1 Prozent führt. Die Teilnehmenden passten ihr Verkehrsverhalten an und verringerten die Kosten, indem sie auf andere Routen auswichen, ihre Abfahrtszeit nach vorne verschoben und andere Verkehrsmittel verwendeten. Unverändert blieb hingegen die täglich zurückgelegte Gesamtdistanz.

Keinen klaren Effekt sahen die Forschenden hingegen bei der Informations-Gruppe: Unter dem Strich führte die Bereitstellung von Information alleine nicht zu einem Rückgang der externen Kosten.

Für die Studienautoren zeigen diese Resultate, dass Verkehrs-Pricing technisch machbar ist und die erwünschte Wirkung hat, nämlich die externen Kosten des Verkehrs auf die Bereiche auf Gesundheit, Klima und Stau zu reduzieren. «Zudem gibt es eine Reihe von Argumenten, die langfristig grössere Effekte erwarten lassen als in diesem achtwöchigen Experiment», sagt Beat Hintermann, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Basel, der gemeinsam mit Kay Axhausen, Verkehrswissenschaftler der ETH Zürich, den Lead in dieser Studie hat. «Diese Ergebnisse eröffnen auch neue Wege für die Verkehrspolitik in der Schweiz», ergänzt Kay Axhausen.

Weiter zeigt die Studie in einer Abschlussbefragung unter den Studienteilnehmern auch eine tendenziell positive Akzeptanz für eine Internalisierung der externen Kosten im Verkehr, je nach Verwendung der generierten Mittel. Gerecht umgesetzt, könnten die Preisanreize im Verkehr ein effektives Instrument zur Brechung der Verkehrsspitzen und ein wichtiger Pfeiler einer nachhaltigen Verkehrspolitik werden, so die Studienautoren.

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine redaktionell geringfügig bearbeitete Version einer Medienmitteilung der Universität Basel.

Literaturnachweis

Hintermann, B., Molloy, J., Schoeman, B., Tchervenkov, C., Götschi, T., Castro, A., Tomic, U., Becker, F., Axhausen, K.W. (2021). Empirical Analysis of Mobility Behavior in the Presence of Pigovian Transport Pricing. Publication series, 1704, Federal Roads Office (FEDRO), Bern. DOI: 10.3929/ethz-​b-000500100.