Die Pollen erzählen die Geschichte der Kastanienkultur

Die Edelkastanie und die Walnuss sind eine wirtschaftlich bedeutende Baumart in Europa. Dass wir deren Früchte und Holz heute so weit verbreitet vorfinden, ist den alten Römern zu verdanken. Wissenschaftler der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und der Universität Bern haben die Verbreitungsgeschichte aufgrund von Pollen- und archäologischen Spuren neu nachgezeichnet.
Mosaike mit dem Motiv «Asarotos oikos» (Ungewischtes Haus) bilden am Fussboden verstreute Bankettreste ab. Auf diesem Exemplar aus dem 1. Jahrhundert v.Chr. ist eine Kastanie abgebildet, neben u.A. einer Feige, Birne, Mandel, Dattel und Haselnuss. (Bild: Nina Willburger, aufgenommen im archäologischen Nationalmuseum von Aquileia)

Das Römische Reich hat nicht nur die Verwaltung, Sprache, Religion und Kultur der betroffenen Völker vereinheitlicht, sondern auch die Ernährungsgewohnheiten über Jahrhunderte beeinflusst. In einer im Journal «Environmental Archeology» publizierten Studie gingen vier Forscher der ethnobotanischen Geschichte von Edelkastanie (Castanea sativa) und Walnuss (Juglans regia) nach. So entstand zum ersten Mal ein umfassendes Bild der früheren Verbreitungs- und Kultivierungsgeschichte dieser Baumarten in West- und Mitteleuropa.

Eine ethnobotanische Geschichte

Die Esskastanie und die Walnuss sind Kulturbäume. Schon aus dem ersten Jahrtausend vor Christus gibt es Hinweise, dass Menschen sie anbauten. Die Untersuchung zeigt nun, welch entscheidende Rolle die römischen Eroberungen bei der flächendeckenden Ausbreitung dieser beiden Baumarten in Mittel- und Westeuropa gespielt haben. Dies gilt insbesondere für die Kastanie, die in Folge der römischen Feldzüge einen regelrechten Boom erlebte, vor allem am Alpensüdhang und in Frankreich. Die Walnuss war schon vorher stark verbreitet, was durch die römische Kolonisierung gefestigt wurde. 
Alte Texte bezeugen, dass die Römer, wie auch die Griechen, die Kastanie vor allem wegen ihres schnellen Wachstums und ihres widerstandsfähigen Holzes anbauten. Beim Nussbaum hingegen hielten sich von Anfang Holz- und Nahrungsmittelgewinnung die Waage. Mit der Anpflanzung von Kastanienbäumen in ganz Europa legte das römische Reich die Grundlage für die mittelalterliche Kastanienkultur. Die Esskastanie wurde mehr und mehr als Nahrungsmittel genutzt und wurde zeitweise auch «Brotbaum» genannt, gerade auch in der Südschweiz. Heute sind beide Baumarten in Europa für Holz und Früchte wirtschaftlich wichtig.

Funde von Pollen und Fruchtreste sind Zeugen der Verbreitung

Durch die Untersuchung von Pollen (Palynologie) und pflanzlichen Resten aus Ausgrabungsschichten können Forschende die vergangene Verbreitung von Pflanzen rekonstruieren. Das Team um Patrik Krebs, Geograf an der WSL, hat für dieses Projekt die Region der maximalen Ausdehnung des römischen Reichs berücksichtigt. Nach einer systematischen Analyse von Daten aus der Neotoma Paleloecology Database brachten die Forscher die Einträge mit historischen Berichten und archäologischen Ausgrabungsfunden in Verbindung. Die daraus gezogenen Schlüsse verglichen sie mit wissenschaftlichen Publikationen und weiteren Quellen und zeichneten so die bisher genaueste Karte der Verbreitungsgeschichte der Edelkastanie und der Walnuss.