Besseres Verständnis der Genregulation zur Behandlung von Leukämie

EPFL-Forschende diskutieren die Möglichkeit einer personalisierten Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie durch die Regulierung der Expression eines Gens, das für seine «antitumoralen» Eigenschaften bekannt ist.
Blutausstrich bei chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), Analyse unter dem Mikroskop. © iStock

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist eine der häufigsten Blutkrebserkrankungen bei Erwachsenen. Die Krankheit entsteht in B-Zellen – dem Teil des Immunsystems, der Antikörper produziert – und entwickelt sich dann langsam, wobei in der Regel ältere Menschen betroffen sind. Die beste Methode zur Behandlung schwerer Formen von CLL ist derzeit die Chemotherapie, möglicherweise ergänzt durch eine gesunde Stammzelltransplantation. Derzeit werden jedoch neue, möglicherweise weniger invasive und wirksamere Therapien entwickelt, die durch ein besseres Verständnis der genetischen Faktoren, die zur Krankheitsanfälligkeit beitragen, erheblich verbessert werden könnten.

Ein Anti-Tumor-Gen

Jedes Individuum hat sein genetisches Material in der DNA in den Kernen seiner Zellen gespeichert. Variationen in einer einzigen Base in einer bestimmten Nukleotidsequenz der DNA führen zu genetischen Unterschieden zwischen Menschen. Dies wird als Nukleotid-Polymorphismus bezeichnet und kann zu Unterschieden wie einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten wie CLL führen. Am EPFL-Labor für Systembiologie und Genetik, das von Prof. Bart Deplancke in der Fakultät für Life Sciences geleitet wird, versuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Mechanismen hinter der Bildung von variablen Chromatinmodulen (VCMs) zu entschlüsseln. VCMs sind differenzierte Einheiten im Genom, die ein koordiniertes molekulares Verhalten darstellen, das zur Expression oder zur Regulierung der Expression eines Gens führt.

«In bestimmten Fällen scheint die Variante das Fortschreiten der Krankheit bei Patienten deutlich zu verlangsamen.»      Bart Deplancke, Fakultät für Life Sciences

Die Forschenden wollten einen besonderen Fall von VCM finden, der es ihnen ermöglichen würde, CLL zu bekämpfen. «Wir haben zahlreiche VCMs auf ihre spezifischen Aktivitäten hin untersucht und uns für eines entschieden, das wir besonders interessant fanden, weil es ein Gen zu kontrollieren schien, das wir ziemlich gut kennen: AXIN2. Diesem Gen wird eine ‹antitumorale›󠅒 Wirkung nachgesagt», sagt Deplancke. Durch die Konzentration auf den VCM, der die Expression von AXIN2 in B-Zellen steuert, entdeckte das Team eine Variante, die sich nicht nur auf molekularer Ebene auswirkt, sondern auch den Phänotyp bei CLL-Patienten beeinflusst. «Diese Variante scheint die Krankheit auf zweierlei Weise zu mildern: Sie verringert die Anfälligkeit für Leukämie und in bestimmten Fällen verlangsamt sie das Fortschreiten der Krankheit bei den Betroffenen erheblich», so Deplancke.

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit mit dem Labor von Prof. Freddy Radtke an der EPFL und den Forschungsgruppen der Professoren Alistair Boettiger (Universität Stanford), Gianluca Gaidano (Onkologisches Institut der Südschweiz), David Rossi (Universität Ost-Piemont), Christoph Plass (Europäisches Labor für Molekularbiologie) und Dr. Sebastian Waszak (Zentrum für Molekularmedizin Norwegen) durchgeführt. Die Ergebnisse wurden am 19. April 2022 in Nature Communications veröffentlicht.

Neue Behandlungsmöglichkeiten

Die Forschenden glauben, dass die Regulierung der Expression von AXIN2 und damit seines «antitumoralen» Proteins in B-Zellen CLL-Patientinnen und -Patienten mit dieser genetischen Variante länger und besser leben lassen könnte. Um diese Erkenntnisse zu testen, hat der Hauptautor der Studie, Gerard Llimos, das AXIN2-Gen in Mäusen überexprimiert, die stark von chronischer lymphatischer Leukämie betroffen sind.

«Wir stellten fest, dass sich die Tumorzellen, in denen AXIN2 überexprimiert wurde, viel langsamer vermehrten als diejenigen, die AXIN2 nicht exprimierten», sagt Deplancke, «diese langfristige Krankheit ist immer noch schwer nachzuahmen, aber unsere Studie hat zwei Dinge gezeigt. Erstens könnte es interessant sein zu wissen, ob eine CLL-Patientin dieses AXIN2-VCM in ihrer DNA besitzt, denn das gibt Aufschluss über die Fähigkeit ihres Körpers, die Krankheit wirksam zu bekämpfen. Zweitens öffnet dies die Tür zu möglichen neuen Therapien, bei denen der AXIN2-Spiegel eines Patienten gezielt erhöht wird, um die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen, wie es Gerard bei Mäusen gelungen ist.»

Einige Medikamente, die speziell auf die AXIN2-Variante abzielen, sind bereits in der klinischen Erprobung. Dank dieser Forschung könnten personalisierte Krebstherapien bald in Sicht sein.