Startschuss für die Reise zu CO2-negativem Zement

Die Zementindustrie emittiert grosse Mengen von klimaschädlichem Kohlendioxid – doch alternative Bindemittel auf der Basis von Magnesiumcarbonat könnten CO2 sogar binden. Beton als Kohlenstoffsenke? Ein Forschungsprojekt der Empa soll die Grundlagen dazu erkunden und praktische Anwendungen vorbereiten.
Umweltfaktor Beton: Der Zement für seine Herstellung muss mit Blick aufs Klima weniger CO2-Emissionen verursachen. Bild: istockphoto.com

Mehr als vier Milliarden Tonnen weltweit pro Jahr, Tendenz steigend: Zement ist bei weitem der meist verwendete Baustoff und setzt bei seiner Herstellung aus gebranntem Kalk unweigerlich grosse Mengen des im Kalk «gebundenen» CO2 frei. Zwar haben Hersteller in aller Welt diesen Anteil bereits deutlich reduziert – doch je stärker die Erderwärmung fortschreitet, desto dringender sind Alternativen gesucht.

Ein Hoffnungsträger sind Zemente, die nicht auf Kalkstein alias Calciumcarbonat (CaCO3) basieren, sondern auf Magnesiumcarbonaten. Empa-Fachleute erforschen seit Jahren solche Bindemittel auf der Basis des Minerals Olivin, das zum Beispiel in Norwegen in grossen Mengen verfügbar ist. Aus diesem Magnesiumsilicat gewonnenes Magnesiumoxid lässt sich, vereinfacht gesagt, mit Wasser und CO2 zu einem Zement verarbeiten. Unter dem Strich wird dabei mehr Kohlendioxid gebunden als emittiert – eine Kohlenstoffsenke also.

Grosszügige Förderung für wichtige Ziele

Nur: Anders als herkömmliche Zemente, deren Erhärtung bis in winzigste Details erforscht sind, werfen diese Werkstoffe noch viele Fragen auf. Das Forschungsprojekt «Low Carbon Magnesium-Based Binders» unter Leitung der Empa-Expertin Barbara Lothenbach soll bald Antworten liefern – dank eines «Advanced Grant» des Schweizerischen Nationalfonds (SNF; siehe Infobox) mit einer Fördersumme von 2,2 Millionen Franken.

Der Aufwand ist gerechtfertigt, denn die Aufgabe ist knifflig. In sieben Schwerpunkten wollen die Empa-Fachleuten mit Partnern der finnischen Universität Oulu erkunden, was sich auf molekularer Ebene abspielt. Wie erhärten solche Zement bei welchen Rezepturen? Wie wirken sich Temperatur, pH-Wert und andere Faktoren wie Reaktionsbeschleuniger aus? Bleibt das Volumen eines «Magnesium-Betons» auf lange Sicht stabil? Und wie widerstandsfähig ist er?

Grundlagenforschung mit Blick auf die Praxis also, in der zwei Produktionsverfahren zur Verfügung stünden: die Härtung mit CO2 unter erhöhtem «Gasdruck», ein aufwändiges Verfahren, das vor allem für Betonfertigteile brauchbar wäre. Und die Hydratation: Härtung mit Wasser bei Umgebungsbedingungen, die auch für Herstellung auf Baustellen tauglich ist.

Am Ende sollen die Erkenntnisse aus Laborversuchen und thermodynamischen Modellierungen in einen «digitalen Zwilling» von Magnesiumcarbonat-Zement einfliessen. Also eine Simulation der chemischen und physikalischen Vorgänge beim Härten – und damit die Grundlage, so hoffen die Empa-Fachleute, für Rezepturen von robusten Betonen, die möglichst viel CO2 binden.

Ambitioniertes Forschungsprojekt

Das Projekt «Low Carbon Magnesium-Based Binders» – kurz: Low CM – startet Anfang 2023 und ist auf fünf Jahre angelegt. Es wird auch viele Erkenntnisse nutzen, die Empa-Forschende sowie Fachleute der finnischen Universität Oulu auf diesem Gebiet bereits gewonnen haben. «SNSF Advanced Grants» des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ersetzen die renommierten «ERC Advanced Grants» des «European Research Council» (ERC), zu denen Forschende mit Sitz in der Schweiz wegen der Nicht-Assoziierung zum Forschungsprogramm «Horizon Europe» derzeit keinen Zugang haben. Insgesamt fördert der SNF 24 Projekte mit 60 Millionen Franken.