Sensor von ETH-Studierenden ermöglicht klimabewusste Platzgestaltung in Zürich

ETH-Studierende haben Sensoren entwickelt, die Aufschluss geben können, wie Menschen städtische Plätze nutzen. Sie messen anonym, wie die Leute zum Beispiel Stühle auf einem Platz gebrauchen. Die Sensoren haben sich im Testlauf bewährt und könnten künftig für eine bedarfsgerechte Planung von öffentlichen Räumen zum Einsatz kommen.
Wie nutzen Zürcher:innen einen Platz wie den Münsterhof, wenn es im Sommer sehr heiss ist? Ein Sensor von ETH-​Studierenden liefert Antworten auf diese Frage. (Bild: Keystone)

Wie verhalten sich Menschen im öffentlichen Raum, wenn es in der Stadt sehr heiss ist und als Folge der Klimaerwärmung künftig noch heisser wird? Wie benutzen sie zum Beispiel Sitzgelegenheiten wie vorhandene Stühle auf öffentlichen Plätzen? Wie unterscheidet sich deren Gebrauch je nach Tageszeit, Wetter oder Ausstattung eines Platzes? Um diese Fragen zu klären, haben das Tiefbauamt und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich im August und September 2022 ein Pilotprojekt durchgeführt und 16 der gemeinsam mit der ETH Zürich entwickelte Sensoren getestet. Eingesetzt wurden je acht Sensoren auf dem Münsterhof und auf dem Vulkanplatz in Zürich. Die beiden Plätze unterscheiden sich in ihrer Lage und auch hinsichtlich des Materials der Stühle.

Tatsächlich registrierten die Sensoren auch Unerwartetes: Eines Nachts schlugen die Daten bezüglich Lärmpegel und Stuhlbewegungen ungewöhnlich stark aus. Das war am 13. August 2022, als die Street Parade nach zwei Jahren Corona-bedingten Unterbruch wieder mit tausenden Teilnehmenden stattfand und viele Raver:innen die Nacht auf den beiden Plätzen verbrachten.

Entworfen und gebaut haben diese Sensoren ETH-Studierende am D-ITET Center for Project Based Learning (vgl. Kasten). Mit den Sensoren lassen sich Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lärmpegel messen. Ausserdem liefern sie Daten, die auf die Belegung und den jeweiligen Standort der Stühle hinweisen: «Der Sensor kann die Position eines Stuhls mittels GPS bestimmen», erklärt Lukas Schulthess, Projektleiter von Seiten der ETH. «Mit einem Beschleunigungssensor und einem intelligenten Auswertungsalgorithmus lässt sich ermitteln, wie lange jemand auf einem Stuhl sitzt.»

Zudem wurde getestet, ob die Sensoren einen Beitrag zu einer bedarfsgerechten Planung des öffentlichen Raums leisten, da diese Planung in Zürich an Wichtigkeit gewinnt.

ETH-Sensoren haben sich bewährt

Nun teilt die Stadt Zürich heute mit (vgl. Medienmitteilung des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements der Stadt Zürich), dass sich die neu entwickelten Sensoren bewährt haben: Die drahtlose Datenübertragung funktionierte in der Testphase zuverlässig, der Betrieb lief störungsfrei und die Datenqualität war gut. Die Datenauswertung konnte zudem Aufschluss darüber geben, wo und wie häufig die Stühle genutzt wurden.

Entsprechend können, schreibt die Stadt weiter, die Sensoren künftig für Angebotsverbesserungen (etwa mehr Sitzgelegenheiten oder mehr Schattenplätze) und zur bedarfsgerechten Planung von Plätzen eingesetzt werden. Natürlich, sagt Schulthess, lassen sich solche Daten auch mittels Beobachtung, Fragebögen, Zählungen oder Kameras erzeugen. «Die Sensoren erheben diese Daten jedoch effizienter, zuverlässig, kontinuierlich und anonym. Die Daten gestatten keine Rückschlüsse auf einzelne Personen.»

Und was «sagt» die Datenauswertung insgesamt? Neben Gemeinsamkeiten zeigen sich vor allem auch Unterschiede, wie die Plätze genutzt werden: Die Sitzmöglichkeiten wurden auf beiden Plätzen morgens und abends ähnlich stark genutzt. Die Stühle auf dem Münsterhof waren nachmittags am stärksten ausgelastet, diejenigen auf dem Vulkanplatz am Mittag. Am Samstag waren die Sitzgelegenheiten auf dem Münsterhof stärker besucht als diejenigen auf dem Vulkanplatz.

Bezüglich der Position der Stühle zeigte sich, dass die Stühle auf dem Münsterhof bei Sonneneinstrahlung in den Schatten gestellt wurden. Auf dem Vulkanplatz hingegen blieben sie unabhängig von Sonneneinstrahlung und Temperatur über den ganzen Platz verteilt. Dies hat mit der Gestaltung der Plätze zu tun: Der Vulkanplatz beherbergt viele kleine Bäume die Schatten liefern, während der Münsterhof ohne Begrünung gestaltet ist.

Das Pilotprojekt wurde im Rahmen von «Smart City Zürich» durchgeführt und umfasst auch Aspekte des «Urban Computing» und «Urban Planning». Für die ETH-Studierenden ist das Sensorprojekt nun abgeschlossen, während die Stadt Zürich weitere Einsatzmöglichkeiten prüft.

Center for Project-Based Learning

Das Center for Project-Based Learning (PBL) gehört zum Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET). Das PBL konzentriert sich in erster Linie auf Lehrveranstaltungen mit Projekten und praktischer Anwendung für Bachelor- und Master-Studierende. Um den Studierenden innovative und realitätsnahe Projekte zu bieten, finden solche oftmals in Zusammenarbeit mit Industriepartnern und externen Institutionen – wie im aktuellen Fall mit der Stadt Zürich – statt.

Die Kernkompetenz des PBL liegt dabei in der Forschung und Entwicklung von energieeffizienten, smarten Systemen mittels neuartiger Sensoren, Sensorfusion und Edge Computing (worunter die dezentrale Datenverarbeitung am Rand eines Netzwerks verstanden wird). Dies ermöglicht es dem PBL, mit vielen interdisziplinären Forschungsbereichen zusammenzuarbeiten, die auf spezialisierte Systeme angewiesen sind.