«Meereis und Schnee wirken wie ein Schutzschild»

Am 8. Juni ist Welttag der Ozeane. Auch das SLF forscht im Meer, auf dem Meereis. Kurzinterview mit Ruzica Dadic, Leiterin der Forschungseinheit Schnee und Atmosphäre am SLF, über die Motivation dahinter und die Ziele der Arbeit.
Sonnenuntergang über dem Meereis in der Antarktis. (Foto: Mario Hoppmann / AWI / MOSAiC)

Frau Dadic, warum forscht ein Institut für Schnee- und Lawinenforschung auf den Weltmeeren?

Genau genommen erforschen wir Eis auf dem Meer und den Schnee auf diesem Meereis. Uns geht es vor allem darum, wie der Schnee die Energiebilanz der Erde beeinflusst, also die Wärme beziehungsweise Energie, die die Weltozeane aufnehmen. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist es wichtig, alle Prozesse, die Meereis beeinflussen können, zu berücksichtigen, inklusive Schnee.

Inwiefern?

Schnee und Eis wirken wie ein Schutzschild auf der Meeresoberfläche. Ähnlich wie die Planen für parkierte Autos, die das Sonnenlicht reflektieren, damit es im Fahrzeug nicht zu heiss wird. So ähnlich ist das beim Schnee, der das Sonnenlicht zurück ins All reflektiert. Die Erde absorbiert dann weniger Sonnenstrahlung, erwärmt sich also weniger. Nimmt nun die mit Meereis und Schnee bedeckte Meeresoberfläche aufgrund der Klimaerwärmung ab, wird viel weniger Energie reflektiert. In der Folge verstärkt sich die Erwärmung zusätzlich. Studien zeigen, dass allein der Rückgang des Eises in der Arktis in den Jahren 1979 bis 2011 den gleichen Effekt auf den globalen Energiezufluss hatte wie ein Viertel der globalen CO2-Emissionen in der gleichen Zeit, was ja wirklich nicht zu vernachlässigen ist. Wir wollen daher Schneeprozesse auf dem Meereis besser verstehen, damit wir einerseits Klimamodelle verbessern und andererseits die Genauigkeit von Satellitenmessungen erhöhen können.

Wie forscht das SLF auf dem Meer?

Erstens machen wir hochaufgelöste Schneemessungen auf dem Meereis, um zu verstehen, wie sich der Schnee von unserem Alpenschnee unterscheidet. Damit können wir Modellabläufe so verbessern, dass sie auch diesen “neuen” Schnee berücksichtigen. In Kooperation mit dem Finnischen Meteorologischen Institut setzen wir auch Drohnen ein, die speziell dafür gemacht sind, die Albedo zu messen. Das können wir natürlich nur vor Ort machen. Wir arbeiten darüber hinaus mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, die Sattelitendaten bearbeiten, um die Interpretation dieser Daten in Bezug auf den Schnee zu verbessern. 

Beeinflusst Schnee das Meereis noch auf andere Art?

Schnee isoliert. Je mehr davon auf dem Eis liegt, desto weniger Eis schmilzt in der warmen Jahreszeit. Selbst die Biologie greift auf unsere Erkenntnisse zurück. Denn wie viel Schnee auf dem Eis liegt, beeinflusst auch, wie viel Licht durch das Eis in das darunter liegende Wasser durchdringt. Und das wiederum wirkt sich auf Algen und andere Lebewesen im Meer aus. Unsere Kolleginnen und Kollegen an der WSL untersuchen zudem, welche Prozesse die Stabilität des grossen, antarktischen Eisschelfs beeinflussen. Schelfeis ist Eis, das auf dem Ozean schwimmt, aber noch mit dem Eis auf dem Festland verbunden ist, und kann hunderte von Metern dick sein. Es beeinflusst auch die Stabilität des Westantarktischen Eisschilds. Wird diese riesige Eismasse instabil, kann dies zu einem rasanten Anstieg des Meeresspiegels führen.