Neuer Bericht zum Geoenergiepotenzial der Schweiz

Die Schweiz verfügt über beträchtliche Kapazitäten für die Kohlenstoffspeicherung und hat eine grosse Zukunft in der flachen Geothermie. Dies sind die beiden wichtigsten Erkenntnisse, die im Schlussbericht von Innosuisse zum Förderprogramm Energie 2013-2020 im Kapitel über Geoenergie vorgestellt werden. Lyesse Laloui, ordentlicher Professor für Bauingenieurwesen an der EPFL, ist Autor des Kapitels und Leiter einer Forschungsgruppe zu diesem Thema.
Nur mit einer Reihe von Massnahmen können die Länder, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, ihre CO2-Emissionen reduzieren. © iStock

Als die Schweizer Regierung nach dem Unfall in Fukushima am 11. März 2011 den Ausstieg aus der Kernenergie beschloss, lancierte sie auch ein grosses landesweites Forschungsprogramm zur Erforschung alternativer Energiequellen mit dem Ziel, die Kernenergie bis 2050 vollständig durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Rund 250 Millionen Franken wurden für die Entwicklung und Umsetzung einer umfassenden Strategie eingesetzt. Im Rahmen des landesweiten Forschungsprogramms wurden acht Schweizerische Kompetenzzentren für Energieforschung (SCCER) eingerichtet, die sich mit sieben energierelevanten Themen befassen. Hochschulen und Forschungsinstitute aus dem ganzen Land führten in Zusammenarbeit mit rund 900 Unternehmen und öffentlichen Organisationen zwischen 2013 und 2020 in diesen Zentren 1500 Forschungsprojekte durch. Mit der Evaluation der Projektergebnisse wurde Innosuisse beauftragt, die am 22. Juli 2021 ihren Schlussbericht vorlegte.

Im Rahmen dieses gesamtschweizerischen Forschungsprogramms war die EPFL federführend im Bereich der Geoenergie, wo unter anderem das Potenzial der Schweiz für die Kohlenstoffspeicherung sowie für die tiefe und flache Geothermie untersucht wurde. Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen?

Kohlenstoffspeicherung in der Schweiz

«Die Forschungen, die wir in den letzten acht Jahren durchgeführt haben, zeigen, dass es in der Schweiz genügend unterirdische Speicher gibt, um grosse Mengen CO2 zu speichern, vor allem im Schweizer Mittelland, von Freiburg bis Zürich», sagt Prof. Lyesse Laloui, «der Prozess der Kohlenstoffspeicherung wäre sogar einfacher als das Vergraben von Atommüll.» Die an dem Projekt beteiligten Expertinnen und Experten schätzen, dass 50 bis 700 Millionen Tonnen CO2 im Schweizer Boden gespeichert werden könnten. Dabei handelt es sich vor allem um Emissionen aus der Bauindustrie (Zement- und Stahlproduktion), der biochemischen Industrie und der Landwirtschaft: «Von den rund 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, die in der Schweiz jährlich emittiert werden, könnten etwa 12 Millionen unterirdisch gespeichert werden. Das bedeutet, dass das Land für diese Emissionen 70 Jahre lang kohlenstoffneutral sein oder sogar negative Emissionen erreichen könnte», so Prof. Laloui. Er weist aber auch darauf hin, dass die Erreichung dieses Ziels voraussetzt, dass die heutigen Treibhausgasemittenten ihre Produktionsketten dekarbonisieren.

Über 20 % Anteil der oberflächennahen Geothermie bis 2035

Prof. Lalouis Forschungen zur oberflächennahen Geothermie zeigen, dass diese Art von erneuerbarer Ressource über ein beträchtliches Potenzial verfügt: «Die Schweizer Regierung hatte sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 11 % der für die Heizung und Kühlung ihrer Gebäude verwendeten Energie aus geothermischer Energie zu gewinnen. Die Projektergebnisse zeigen, dass dieser Anteil leicht verdoppelt werden könnte», sagt er. In Bezug auf die Tiefengeothermie – d.h. die natürliche Wärme, die sich in einem bis drei Kilometern Tiefe befindet – haben die Aktivitäten im Rahmen des Geoenergie-Projekts SCCER-SoE mit den Stadtwerken des Kantons Genf ergeben, dass die im Sommer anfallende Wärme unter dem Genfersee gespeichert werden kann, um einen Teil der Gebäude des Kantons im Winter zu heizen.

Die Geoenergie-Studie des SCCER-SoE untersuchte auch die Möglichkeiten der Nutzung geothermischer Energie zur Stromerzeugung. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies in Zukunft eine Option sein könnte: «Viele Forschende haben sich mit der Frage befasst, wie man Gestein aufbrechen kann, ohne seismische Bewegungen auszulösen, aber es besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Eines Tages werden wir es sicher schaffen, aber wir sind noch nicht so weit.»

Prof. Laloui ist der Meinung, dass diese Jahre intensiver Forschung zu vielen wichtigen Erkenntnissen geführt haben. Die Schweiz gehört heute zu den europäischen Spitzenforschungszentren im Bereich der Geoenergie, und die gemeinsamen Anstrengungen von 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem ganzen Land haben sich als sehr effektiv erwiesen. Er hofft nun, dass die Forschung weitergeführt wird: «Ich ermutige die Schweizer Regierung nachdrücklich, ein nationales Forschungszentrum für Geoenergie und Kohlenstoffspeicherung einzurichten, um die bereits gemachten Entdeckungen zu nutzen und unsere soliden Kompetenzen in diesem Bereich im Land zu halten.»

Pilotversuch in Island geplant

Der jüngste Bericht des Weltklimarates (IPCC) ist eindeutig: Nur mit einem Bündel von Massnahmen können die Unterzeichner des Pariser Abkommens ihre Ziele erreichen und ihre Treibhausgasemissionen senken. Eine dringend notwendige Massnahme ist die Kohlenstoffspeicherung, und die Schweiz hat noch nicht entschieden, welche Schritte sie in dieser Hinsicht unternehmen wird. Am 20. Juli 2021 unterzeichneten die Schweiz und Island jedoch eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Förderung und Entwicklung emissionsmindernder Technologien, zu denen auch die Kohlenstoffspeicherung gehört. Ein entsprechender Pilotversuch wird demnächst in Island durchgeführt. Die Schweiz hat derzeit keine Pläne für eine unterirdische Kohlenstoffspeicherung innerhalb ihrer Grenzen.