Neue, hochaufgelöste Modelle führen Wetter und Klima zusammen

Starkregen und Hochwasser haben das Wetter in den vergangenen Wochen geprägt. Um diese Wetterereignisse genauer vorherzusagen und zusammen mit dem globalen Klimawandel besser zu verstehen, entwickelt die ETH Zürich mit Partnern eine neue Generation von hochaufgelösten Wetter- und Klimamodellen.
Die Forschungsinitiative EXCLAIM entwickelt neue, globale Klimamodelle, die regionale Wettermodelle hochaufgelöst integrieren sowie Stürme, Gewitter oder Hurrikane direkt simulieren. (Themenbild: Wikipedia/ NOAA)

Starkregen, Hagelschauer und Überflutungen: Die vergangenen Wochen haben im Alpenraum und in Nordwesteuropa deutlich gemacht, wie sich extreme Unwetter auswirken können. Wie genau hängen jedoch die extremen Wetterereignisse mit der Klimaerwärmung zusammen? Für Forschende, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen Wetter und Klima sowie deren Modellierung befassen, ist das eine Schlüsselfrage.

Modelle sind ein Mittel, um diese Wechselwirkungen zu verstehen. Sie bilden die grundlegenden physikalischen Prozesse ab, um die wahrscheinlichen Entwicklungen zu berechnen. Mit den heutigen Modellen und Computer-Infrastrukturen stossen die Forschenden jedoch an Grenzen, wie genau ihre Aussagen über die Zusammenhänge von Wetter und Klima sein können. Darum hat die ETH Zürich mit Partnern die Forschungsinitiative EXCLAIM lanciert. Diese hat zum Ziel, die räumliche Auflösung der Modelle deutlich zu erhöhen, um deren Präzision zu steigern und um das Wetter in einer zukünftigen, warmen Welt auf globaler Ebene direkt zu simulieren.

Das Wetter nahtlos im Klimamodell abbilden

«Aufgrund ihrer hohen Auflösung werden die neuen, globalen Modelle wichtige Prozesse wie Stürme und Wettersysteme viel detaillierter abbilden als das bisher der Fall war. Auf diese Weise können wir viel genauer untersuchen, wie sich Klimaveränderungen und Wetterereignisse gegenseitig beeinflussen», sagt Nicolas Gruber, der Leiter von EXCLAIM und Professor für Umweltphysik.

EXCLAIM ist interdisziplinär: Neben den Klimaforschenden des ETH-Zentrums für Klimamodellierung (C2SM) beteiligen sich ETH-Informatiker, das Schweizerische Nationale Supercomputing Centre (CSCS), das Schweizer Data Science Center (SDSC), das Forschungsinstitut Empa sowie das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz. Die Zusammenarbeit soll nicht nur die Modellierung der Klimaforschung verbessern, sondern auch die Wetterprognosen der MeteoSchweiz. Zu den internationalen Projektpartnern zählen der Deutsche Wetterdienst (DWD) und das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M), die das Modellsystem ICON (Icosahedral Nonhydrostatic) entwickelt haben, das die Basis für EXCLAIM bildet, sowie das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW), bei dem die Schweiz Vollmitglied ist.

«Die neuen, globalen Modelle werden wichtige Prozesse wie Stürme und Wettersysteme viel detaillierter abbilden als bisher.»      Nicolas Gruber

Einen regelrechten Massstabssprung streben die Forschenden bei der räumlichen Auflösung der Wetter- und Klimamodelle an: Um das globale Wetter und Klima mit all seinen regionalen Details zu simulieren, legen ihre Modelle ein virtuelles, dreidimensionales Gitter über die Erdkugel. Auf der Basis von physikalischen Gesetzen berechnen die Forschenden dann in ihren Modellen für jeden Punkt die jeweiligen Klimabedingungen. In globalen Klimamodellen liegen diese Punkte heute 50 bis 100 Kilometer auseinander. In EXCLAIM peilen die Forschenden langfristig eine Auflösung von nur einem Kilometer an.

Da die Rechnerleistung der heutigen Hochleistungsrechner begrenzt ist, lässt sich das Wetter bisher nur regional derart feinmaschig aufgelöst simulieren – und das auch nur über relativ kurze Zeiträume. In den neuen Modellen wollen die Forschenden diese feinmaschige Auflösung nun auch global erreichen, um das Wettergeschehen aus einer globalen Klimaperspektive heraus viel schärfer als bisher zu simulieren. Das ist, als ob man die globalen Klimamodelle mit einer zusätzlichen Zoom-Funktion für kleinräumige Ereignisse ausstattet.

«Mit den neuen Modellen lassen sich auch ‹Wettervorhersagen› im zukünftigen Klima machen und Antworten finden wie Extremereignisse wie die Starkniederschläge dieses Sommers in Zukunft aussehen könnten», sagt Christof Appenzeller, Leiter des Geschäftsbereichs Analyse und Prognose der MeteoSchweiz.

Hochleistungsinfrastruktur für Klimasimulationen

Damit die neuen Modelle ihre Vorteile ausspielen können, ist eine massgeschneiderte Computer-Infrastruktur erforderlich. Schliesslich gehören Wetter- und Klimamodelle zu den rechen- und datenintensivsten Problemen. Die Modelle werden bei EXCLAIM deshalb Hand in Hand mit der Hardware und Software von Hochleistungsrechnern entwickelt: «Die Rechen- und Dateninfrastruktur wird ganz nach den Anforderungen der Wetter- und Klimamodelle eingerichtet», sagt Thomas Schulthess, der Direktor des Schweizerischen Nationalen Supercomputing Centre in Lugano. Das neue Supercomputing-System «Alps» ist zum Beispiel so gebaut, dass die hochauflösenden Klimamodelle auch konvektive Systeme wie Gewitter gut abbilden können.

Damit sich Wetter und Klima tatsächlich mit einer Maschenweite von wenigen Kilometern global und über Jahrzehnte simulieren lassen, muss das Modell ca. 100-mal schneller laufen als das zurzeit möglich ist. Die erste Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, ist es, schnellere und grössere Rechner einzusetzen. Dazu wird der Übergang vom aktuellen Hochleistungsrechner am CSCS auf das «Alps»-System beitragen.

«Die Rechen- und Dateninfrastruktur wird ganz nach den Anforderungen der Klima- und Wettermodelle eingerichtet.»      Thomas Schulthess

Eine Herausforderung stellt dabei das Ende des «Mooresche Gesetz» dar, demzufolge sich die Leistung von Prozessoren etwa alle 20 Monate verdoppelt: «Da die serielle Leistung von Prozessoren seit etwa 15 Jahren nicht mehr gesteigert werden konnte, besteht die einzige Möglichkeit, die Leistung von Supercomputern zu erhöhen, darin, ihre parallele Rechnerarchitektur zu verbessern», sagt Thomas Schulthess und ergänzt: «Zudem lohnt es sich, die Architektur eines Supercomputers so einzurichten, dass er bestimmte Klassen von Forschungsproblemen optimal lösen kann.» Eine wichtige Rolle für die Rechenleistung spielt eine gemischte Rechnerarchitektur, in der die herkömmlichen Hauptprozessoren, die CPU (engl. «Central Processing Units»), die für die Berechnungen und den Datenaustausch zwischen Speicher und Komponenten verantwortlich sind, zusammen mit GPUs (engl. «Graphical Processing Units») eingesetzt werden.

Die zweite Möglichkeit setzt bei der Software an und besteht darin, den Modellcode zu optimieren und besser auf die gemischte Rechenarchitektur anzupassen. Hier verfolgt EXCLAIM einen revolutionären Ansatz, in dem der Quellcode aufgeteilt wird in einen ersten Teil, der die Schnittstelle zu Modellentwickelnden und Benutzenden darstellt, und einer darunterliegenden Softwareinfrastruktur, in der die zentralen Algorithmen des Modells hocheffizient für die jeweilige Hardware implementiert werden. Diesen Ansatz verfolgen CSCS, MeteoSchweiz und C2SM bereits im heutigen Wettermodell der MeteoSchweiz erfolgreich. Nun wird ihr Ansatz auf das Wetter- und Klimamodell ICON angewendet. «Wir konnten mit diesem Ansatz das Wettermodell der MeteoSchweiz um einen Faktor 10 beschleunigen, was der MeteoSchweiz erlaubte, die Zuverlässigkeit der Vorhersagen zu verbessern», sagt Schulthess.

Mit der Datenflut umgehen

Die reine Rechengeschwindigkeit ist nicht matchentscheidend: Wenn die Auflösung der Modelle zunimmt, steigen die Datenmengen massiv an. Zudem benötigt und produziert die Wetter- und Klimaforschung sehr verschiedene Daten. Für den effektiven Durchsatz ist es ebenso entscheidend, dass die Rechner möglichst schnell auf die Daten zugreifen und die Resultate wieder auf Speichermedien ausschreiben können. Die Rechenprozesse sind entsprechend zu organisieren, wobei die Speicherbandbreite maximiert und kostspielige Datentransfers vermieden werden. «Damit die neuen Wetter- und Klimamodelle nützliche Ergebnisse erzielen, müssen wir die gesamte Infrastruktur optimieren. Dafür wenden wir die Erfahrungen aus vielen Jahren Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz und dem ETH-Bereich an», sagt Schulthess.

Mit einem neuen leistungsfähigen Wettermodell zu präziseren Schätzungen von Treibhausgasemissionen

Im Projekt EXCLAIM der ETH, an dem die Empa als externer Partner beteiligt ist, wird ein hocheffizientes Wetter- und Klimamodell entwickelt, das die Möglichkeiten der neusten Generation von Hochleistungsrechnern optimal nutzt und dafür neue Wege in der Programmierung beschreitet. Als Ausgangspunkt für diese Entwicklung dient das Modell ICON, das hauptsächlich vom Deutschen Wetterdienst und vom Max Planck Institut für Meteorologie entwickelt wurde, und das in Zukunft von der MeteoSchweiz für ihre Wettervorhersagen verwendet werden wird.

Atmosphärische Modelle können aber nicht nur für die Wettervorhersage und Klimaprognosen verwendet werden, sondern auch zur Simulation der Luftqualität oder der Ausbreitung von Schadstoffwolken, zum Beispiel von Vulkanausbrüchen oder nuklearen Störfällen.

Die Empa nutzt solche Modelle, um die Treibhausgasemissionen einzelner Quellen oder ganzer Länder abzuschätzen, indem die simulierten Konzentrationen mit Messungen verglichen werden, zum Beispiel den Messungen der Empa am Jungfraujoch. Ihre Schätzungen der Schweizer Emissionen von Methan und Lachgas werden im Nationalen Treibhausgasinventar publiziert, das jährlich von der Schweiz im Rahmen des Pariser Klimaabkommens an das UNFCCC geliefert wird. Damit leistet die Empa eine wertvolle, unabhängige Überprüfung des jährlich publizierten Inventars.

Um Simulationen in einer bisher unerreichten Auflösung im Bereich von wenigen Kilometern durchzuführen, wird die Empa in Zukunft auf das leistungsfähige Modell setzen, das in EXCLAIM entwickelt wird. Dafür müssen bis zu mehrere hundert verschiedene Realisationen der Konzentrationen eines Treibhausgases simuliert werden – ein aufwändiger Prozess, der in der Vergangenheit nur mit einer groben räumlichen Auflösung möglich war. Ausserdem wird es damit möglich sein, Messungen zukünftiger Satelliten, die die globale Verteilung von CO2 und Methan vermessen, für die Emissionsschätzung zu verwenden. (Dominik Brunner, Amanda Caracas)