Undichten Flüssen droht das Aus

In den USA versickert aus zwei Drittel der Flüsse und Bäche Wasser in den Grundwasserstrom. Dadurch drohen die Fliessgewässer in ihren Unterläufen auszutrocknen. Das zeigt eine neue Studie von Wissenschaftlern der UC Santa Barbara und der ETH Zürich.
Flüsse in den USA, insbesondere in den Trockengebieten, verlieren wegen der intensiven Bewässerung mit hochgepumpten Grundwasser viel Wasser. (Bild: https://eol.jsc.nasa.gov)

Flüsse sind die Lebensadern einer Landschaft. Um sie herum blüht und grünt es, ihr Wasser dient als Trinkwasser, als lebensspendendes Nass für landwirtschaftliche Kulturen, und der Mensch nutzt Flüsse auch intensiv in der Freizeit und für seine Erholung.

Doch die Tage vieler Bäche und Flüsse als nicht versiegende Ressource scheinen gezählt zu sein, wie Forschende der UC Santa Barbara und der ETH Zürich in ihrer jüngsten Studie aufzeigen: Zwei Drittel der Fliessgewässer der USA «verlieren» zurzeit Wasser an die darunterliegenden Grundwasserströme.

Das versickerte Wasser fehlt den Flüssen weiter flussabwärts – mit negativen Konsequenzen für die Wasserversorgung von Städten, der Industrie und der Landwirtschaft. Die Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht.

4,2 Millionen Brunnen analysiert

Für ihre Studie untersuchten die Forschenden das Zusammenspiel zwischen Oberflächen- und Grundwasser. Dieses ist schwierig zu analysieren. Scott Jasechko von der UC Santa Barbara und Hansjörg Seybold von der ETH Zürich nutzten deshalb eine grosse Datenbank mit Wasserspiegelmessungen von 4,2 Millionen Brunnen, um die Wechselwirkung zwischen diesen miteinander verbundenen Ressourcen für das gesamte Festland der USA (ohne Alaska) zu untersuchen.

So verglichen die Umweltwissenschaftler die Wasserstände der Brunnen mit der Höhe der Oberfläche der nächstgelegenen Bäche und Flüsse. Liegt der Wasserstand eines Brunnens unterhalb des Flusses, so kann Wasser aus solchen Fliessgewässern in den Untergrund versickern, wenn dieser ausreichend durchlässig ist. Liegt der Wasserspiegel des nächstgelegenen Flusses jedoch tiefer als der Brunnenwasserstand, dann speist das Grundwasser den Fluss.

Flüsse werden leergesaugt

Mit dieser einfachen Methode konnten die Forschenden aufzeigen, dass der Pegelstand von zwei Drittel aller untersuchten Brunnen tiefer lag als die Niveaus der nächstgelegenen Flüsse und Bäche. Mit anderen Worten: Zwei Drittel aller Fliessgewässer verlieren Oberflächenwasser ans Grundwasser.

Am stärksten betroffen sind Flüsse in trockenen Gegenden, in flachen Landschaften mit geringem Gefälle und Regionen, wo die Landwirtschaft viel Wasser aus dem Boden pumpt.

«Unsere Untersuchung zeigt, dass ein Grossteil der Flüsse in den USA Wasser verlieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich dieser Effekt in den kommenden Jahrzehnten verschlimmern wird und einige Flüsse sogar ganz verschwinden könnten», sagt Seybold.

In den USA versickert aus zwei Drittel der Flüsse und Bäche Wasser in den Grundwasserstrom. (Video: Scott Jasechko / UCSB)

Unintended consequences

Das Phänomen, das schon vor Jahrzehnten einsetzte, sei mittlerweile in den gesamten USA verbreitet. «Es gibt viel mehr Flüsse, die in ihre unterirdischen Grundwasserleiter entwässern, als wir angenommen haben. Dass die Lage bereits so ernst ist, hat uns überrascht.»

In Gebieten, in denen die Landwirtschaft ihre Felder intensiv mit Grundwasser bewässert, ist das Problem besonders akut. Ein Beispiel ist das Central Valley in Kalifornien. Rund 50 Prozent des in den USA angebauten Gemüses stammt von dort. Für den Anbau fördern die Farmer extrem viel Wasser aus dem Untergrund. Mit dem Resultat, dass alle Flüsse in der Region massiv Wasser verlieren. «Das saugt sie buchstäblich aus», betont Seybold.

Das Problem ist indessen nicht nur auf die USA beschränkt. Auch in Ländern wie Indien wird zu viel Wasser aus dem Boden gepumpt. Allerdings sind von den meisten Ländern kaum Daten verfügbar, und wenn, dann sind sie unter Verschluss.

Gute Datenbasis ermöglicht grossräumige Analyse

«Entscheidend für eine solche Analyse ist, dass hochaufgelöste Messungen flächendeckend und standardisiert erfolgen», sagt Scott Jasechko. In den USA sind solche Daten vorhanden, die der US Geological Service (USGS) erheben lässt. Die Messdaten sind zudem öffentlich zugänglich.

Dennoch brauchten Jasechko und seine Kollegin Debra Perrone mehrere Jahre, um die Messwerte von 64 Behördenstellen aus dem ganzen Land zusammenzutragen und die Resultate zu analysieren. «Das Zusammenstellen war ein gewaltiges Unterfangen. In sechs Jahren Arbeit sammelten wir Millionen von Datenpunkten und begutachteten hunderte von wissenschaftlichen Publikationen», sagt Perrone.

Und: «Wir können den Grundwasserstand auch nur dort beobachten, wo es Brunnen gibt», räumt Jasechko ein. «Unsere Analyse bezieht sich deshalb vor allem auf die Orte, an denen Brunnen gebohrt wurden, und deshalb auch für Orte, wo Grundwasser hochgepumpt wird.»

Die Forschenden möchten diese Art von grossräumigen Analysen auf weitere Teile der Welt ausweiten. Damit wollen sie herausfinden, wie sich die Grundwassernutzung und «undichte» Fliessgewässer auf grundwasserabhängige Lebensräume auswirken.

Literaturhinweis

Jasechko S, Seybold H, Perrone D, Fan Y, Kirchner JW: Potential widespread loss of streamflow into underlying aquifers across the USA. Nature, published online March 17th 2021. doi: 10.1038/s41586-021-03311-x