Intelligente Mikroskope zur Erkennung seltener biologischer Ereignisse

Biophysikerinnen der EPFL haben eine Steuerungssoftware entwickelt, die die Datenerfassung von Fluoreszenzmikroskopen an lebenden Proben optimiert. Ihr Regelkreis, der zur detaillierten Abbildung mitochondrialer und bakterieller Teilungsstellen dient, wird als Open-Source-Plug-in veröffentlicht und könnte eine neue Generation intelligenter Mikroskope inspirieren.
Ein Fluoreszenzmikroskop im Labor für Experimentelle Biophysik der EPFL. © 2022 EPFL / Hillary Sanctuary

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Doktorandin oder ein Doktorand mit einem Fluoreszenzmikroskop und einer Probe lebender Bakterien. Wie können Sie diese Ressourcen am besten nutzen, um detaillierte Beobachtungen der bakteriellen Teilung der Probe zu erhalten?

Sie könnten versucht sein, auf Essen und Ruhe zu verzichten, ununterbrochen am Mikroskop zu sitzen und Bilder aufzunehmen, wenn die bakterielle Teilung endlich beginnt. (Es kann Stunden dauern, bis sich ein Bakterium teilt!) Das ist nicht so verrückt, wie es klingt, denn die manuelle Erkennung und Kontrolle der Aufnahmen ist in vielen Bereichen der Wissenschaft weit verbreitet.

Alternativ können Sie das Mikroskop auch so einstellen, dass es wahllos und so oft wie möglich Bilder aufnimmt. Doch übermässiges Licht entzieht der Probe schneller die Fluoreszenz und kann lebende Proben vorzeitig zerstören. Ausserdem würde man viele uninteressante Bilder erzeugen, da nur einige wenige Bilder von sich teilenden Bakterien enthalten würden.

Eine andere Lösung wäre der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Erkennung von Vorläufern der bakteriellen Teilung und die automatische Aktualisierung der Steuerungssoftware des Mikroskops, um mehr Bilder von diesem Ereignis aufzunehmen.

Trommelwirbel... ja, Biophysikerinnen der EPFL haben in der Tat einen Weg gefunden, die Mikroskopsteuerung zu automatisieren, um biologische Ereignisse im Detail abzubilden und gleichzeitig die Belastung der Probe zu begrenzen, und zwar mit Hilfe künstlicher neuronaler Netze. Ihre Technik funktioniert sowohl bei der bakteriellen als auch bei der mitochondrialen Zellteilung. Die Einzelheiten ihres intelligenten Mikroskops werden in Nature Methods beschrieben.

«Ein intelligentes Mikroskop ist so etwas wie ein selbstfahrendes Auto. Es muss bestimmte Arten von Informationen verarbeiten, subtile Muster, auf die es dann mit einer Änderung seines Verhaltens reagiert», erklärt die leitende Forscherin Suliana Manley vom Labor für experimentelle Biophysik der EPFL. «Durch den Einsatz eines neuronalen Netzwerks können wir viel subtilere Ereignisse erkennen und sie nutzen, um die Aufnahmegeschwindigkeit zu verändern.»

Manley und ihre Kolleginnen und Kollegen haben als erstes herausgefunden, wie man die mitochondriale Teilung nachweisen kann, was schwieriger ist als bei Bakterien wie C. crescentus. Die Teilung von Mitochondrien ist unvorhersehbar, da sie nur selten auftritt und fast überall im Mitochondriennetzwerk zu jedem Zeitpunkt stattfinden kann. Die Forschenden lösten das Problem, indem sie das neuronale Netz darauf trainierten, nach mitochondrialen Einschnürungen Ausschau zu halten, einer Formveränderung der Mitochondrien, die zu einer Teilung führt, in Kombination mit Beobachtungen eines Proteins, von dem bekannt ist, dass es an Orten der Teilung angereichert ist.

Wenn sowohl die Einschnürungen als auch die Proteinkonzentrationen hoch sind, schaltet das Mikroskop auf Hochgeschwindigkeitsaufnahmen, um viele Bilder der Teilungsvorgänge im Detail zu erfassen. Wenn die Einschnürungen und die Proteinkonzentrationen niedrig sind, schaltet das Mikroskop auf Low-Speed-Imaging, um die Probe nicht zu sehr dem Licht auszusetzen.

Mit diesem intelligenten Fluoreszenzmikroskop konnten die Forschenden zeigen, dass sie die Probe im Vergleich zur schnellen Standardbildgebung länger beobachten konnten. Obwohl die Probe im Vergleich zur langsamen Standardbildgebung stärker beansprucht wurde, konnten sie mehr aussagekräftige Daten erhalten.

«Das Potenzial der intelligenten Mikroskopie besteht darin, das zu messen, was Standardaufnahmen verpassen würden», erklärt Manley, «wir erfassen mehr Ereignisse, messen kleinere Verengungen und können jede Teilung detaillierter verfolgen.»

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen das Kontroll-Framework als Open-Source-Plug-in für die offene Mikroskop-Software Micro-Manager zur Verfügung, um anderen Forschenden zu ermöglichen, künstliche Intelligenz in ihre eigenen Mikroskope zu integrieren.

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