Erstes Licht an Furka: Die Experimente können beginnen

Es ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum vollen Betrieb des Freie-Elektronen-Röntgenlasers SwissFEL mit insgesamt fünf Experimentierstationen: «Erstes Licht» an der Endstation Furka. Dies ebnet den Weg zu weltweit einzigartigen Experimentiermöglichkeiten. Was die Furka-Gruppe plant, erläutert Teamleiter Elia Razzoli.
Elia Razzoli, 36, hat an der ETH Lausanne EPLF und am PSI promoviert und ist nach Forschungsaufenthalten im Ausland seit zwei Jahren wieder zurück am PSI, wo er an der Furka-Endstation arbeitet. Seit Januar 2021 ist er Leiter der neu gegründeten Furka-Gruppe. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)

Warum ist das «erste Licht» für Ihr Team so ein wichtiges Ereignis?

Elia Razzoli: Es bedeutet: Wir sind im Business. Oder konkreter: Wir können jetzt mit den ersten Experimenten beginnen.

Der Laie stellt sich vor, dass man einfach einen Schalter umlegt und dann ist das Licht da. Aber so einfach ist es bei Ihnen vermutlich nicht…

Nein, das ist eine komplexe Aufgabe. Wenn wir am SwissFEL von Licht sprechen, meinen wir nicht sichtbares Licht, sondern Röntgenlicht mit weltweit einzigartigen Eigenschaften. Um das zu erzeugen und für die Forschung nutzen zu können, müssen mehrere Teams am PSI zusammenarbeiten. Wir sind mit der Experimentier-Endstation Furka sozusagen am Ende der Nahrungskette. Um das Röntgenlicht des SwissFEL zu erzeugen, werden Elektronen mithilfe von Magneten auf eine Schlangenlinienbahn gebracht. Dabei geben sie dann das Röntgenlicht ab, das wir für die eigentlichen Untersuchungen benötigen. Die Magnete, die die Elektronen derart ablenken, heissen Undulatoren. Und genau die machen die ganze Sache so schwierig, weil sie exakt im Gleichtakt arbeiten müssen, sonst hat das Röntgenlicht nicht die Güte, die wir brauchen. Die Komplexität der Anlage wächst exponentiell mit der Zahl und Länge der Undulatoren. Deshalb ist das erste Licht bei Furka schon eine technische und organisatorische Meisterleistung.

Was steht als Nächstes an?

Gerade laufen die ersten Testexperimente, bei denen wir Parameter variieren, um zu sehen, ob sich alles wie gewünscht verhält. So führen wir Experimente mit Diffraktion durch, bei denen wir die Abstände von einzelnen Atomen in Kristallstrukturen messen können, und mit Absorption, wo wir die Wellenlänge des Röntgenlichts variieren und uns anschauen, wie viel Energie je nach Wellenlänge im Material absorbiert wird. Das ist wichtig, wenn wir später ambitioniertere spektroskopische Experimente durchführen wollen. Danach werden wir in den nächsten sechs bis acht Monaten die Anlage hochfahren und uns damit vertraut machen, den Röntgenstrahl zu fokussieren und zu detektieren. Dann starten wir 2022 die ersten wissenschaftlichen Experimente mit externen Nutzern.

Welche Experimente planen Sie?

Das Forschungsgebiet an der Athos-Strahllinie sind Experimente mit weichen Röntgenstrahlen. Unsere Kollegen an der Endstation Maloja, die bereits in Betrieb ist, schauen sich vorwiegend flüssige und gasförmige Stoffe an. Wir bei Furka spezialisieren uns auf Feststoffe, die wir unter anderem bei sehr tiefen Temperaturen studieren. Wir können hinunter bis zu minus 263 Grad Celsius abkühlen, also etwa 10 Kelvin über dem absoluten Nullpunkt. Wir nutzen Spektroskopie, um die Elektronen in den Atomen zu beobachten, die für die physikalischen Eigenschaften von Stoffen verantwortlich sind, zum Beispiel für die Supraleitung.

Warum geht das nur am SwissFEL?

Der Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL ist weltweit einzigartig. Er liefert gepulstes Röntgenlicht, die Pulse sind unvorstellbar kurz, sie liegen im Bereich von Femtosekunden oder sogar darunter, das ist der millionste Teil einer Milliardstelsekunde. Damit können wir zum Beispiel chemische Reaktionen wie in einem Film einer extrem schnellen Hochgeschwindigkeitskamera anschauen. Für Athos haben wir die speziellen Systeme CHIC und APPLE-X entwickelt, die es uns erlauben, den Elektronenstrahl des SwissFEL zu manipulieren und mit einzigartigen Eigenschaften «à la carte» zu erzeugen.

Werden aus dieser Forschung auch praktische Anwendungen resultieren?

Die Ergebnisse der Experimente, die unsere Kollegen vor 50 Jahren gemacht haben, stecken heute in jedem Smartphone, etwa in den Halbleitermaterialien der Mikrochips. Auch wir hoffen natürlich, dass unsere Experimente einmal Fortschritte in der Elektronik oder bei Quantencomputern ermöglichen. Wir interessieren uns zum Beispiel für Materialien, deren magnetische Zustände sich blitzschnell umschalten lassen. Das ist interessant für kommende Generationen von Computerfestplatten mit extrem hoher Speicherdichte. Aber zuallererst sind wir Forschende, die neue Entdeckungen machen wollen. Vielleicht finden wir sogar neuartige Quantenzustände wie lichtinduzierte topologische Phasen, die von fundamentaler Bedeutung sein könnten bei der Suche nach Majorana-ähnlichen Teilchen. Diese Teilchen sind exotische Quantenzustände, die unseren Ansatz für das Quantencomputing revolutionieren könnten.

Kam es aufgrund der Corona-Einschränkungen zu Verzögerungen beim Aufbau von Furka?

Wir achten auf die Hygienevorgaben, zum Beispiel darauf, dass nicht zu viele Personen im selben Raum sind. An einer Endstation arbeiten normalerweise vier bis sechs Forschende sowie zeitweise ausserdem noch Forschende von externen Partnern. Das ging zuletzt nicht, aber wir haben uns so organisiert, dass es kaum zu Verzögerungen kam. Experimentierstationen wie Furka sind zudem so automatisiert, dass man viele Tests quasi vom Küchentisch aus machen kann.