Umwandlungsprodukt von Schmerzmittel toxischer als gedacht

Der in verschiedenen Schmerzmitteln enthaltene Wirkstoff Diclofenac wird in der Kläranlage kaum abgebaut und reichert sich deshalb in Gewässern an. Dort wandeln Flohkrebse das Diclofenac in eine toxischere Substanz um, nämlich Diclofenac-Methyl-Ester, wie eine Studie des Wasserforschungsinstituts Eawag zeigt.
Diclofenac ist ein häufiger Wirkstoff von Schmerzmitteln. (Bild: pxhere)

Jeden Tag gelangen weltweit mehrere Tonnen an Arzneimittelwirkstoffen in die Gewässer. Diese stammen hauptsächlich aus häuslichem Abwasser, denn die meisten Stoffe werden nach der Einnahme – zum Teil unverändert – wieder ausgeschieden. Da viele Abwasserreinigungsanlagen nicht alle Stoffe rückstandslos zurückhalten, gelangt der Rest in die Gewässer. Auch wenn die Mengen winzig sind, können sie Organismen beeinträchtigen. So zeigten frühere Studien, dass der Schmerzmittelwirkstoff Diclofenac schädlich auf Leber, Nieren und Kiemen von Fischen wirkt.

Nun zeigen Forschende um die Leiterin der Eawag-Abteilung Umweltchemie Juliane Hollender: Ein Umwandlungsprodukt von Diclofenac – namentlich Diclofenac-Methyl-Ester – wirkt mitunter sogar noch toxischer als der «Ausgangswirkstoff» selbst. Diese Erkenntnis publizierte das Forscherteam kürzlich im Fachmagazin «Environmental Science & Technology».

Flohkrebse wandeln Wirkstoff um

Zu diesem Schluss gelangten die Umweltchemikerinnen und -chemiker mithilfe von zwei häufig vorkommenden Flohkrebsarten. Im Labor setzte die Postdoktorandin Qiuguo Fu diese während 24 Stunden unterschiedlichen Konzentrationen von Diclofenac aus. Die gewählten Konzentrationen waren allerdings um einiges höher als die in der Umwelt gefundenen. Dann untersuchten sie, wie sich der Stoff in deren Körpern verhält. Demnach führt eine enzymatische Reaktion in den kleinen Tierchen dazu, dass sich der Stoff Diclofenac-Methyl-Ester bildet, der akut viel toxischer wirkt als Diclofenac.

Kommt hinzu: Diclofenac-Methyl-Ester ist schlecht wasserlöslich und kann daher weniger gut ausgeschieden werden – so kann er sich im Körper stärker akkumulieren. «Deshalb halte ich den Stoff für potentiell gefährlicher als Diclofenac», sagt Juliane Hollender. Laut der Umweltchemikerin trat diese Art der chemischen Umwandlung unerwartet auf und sollte auch bei toxikologischen Risikoabschätzungen für andere Substanzen berücksichtigt werden. Denn: Nach ersten Untersuchungen geschieht diese Biotransformation auch in höheren Lebewesen wie Fisch und Mensch.

Die gute Nachricht: In der Schweiz werden momentan gut hundert Abwasserreinigungsanlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet, um Mikroverunreinigungen effektiv zu entfernen. «Nach dieser zusätzlichen Elimination taucht Diclofenac in den Gewässern nicht mehr in erhöhten Konzentrationen auf», sagt Hollender.

Originalpublikation

Fu, Q.; Fedrizzi, D.; Kosfeld, V.; Schlechtriem, C.; Ganz, V.; Derrer, S.; Rentsch, D.; Hollender, J. (2020) Biotransformation changes bioaccumulation and toxicity of diclofenac in aquatic organisms, Environmental Science and Technology, 54, 4400-4408, doi:10.1021/acs.est.9b07127, Institutional Repository

Finanzierung

Schweizer Nationalfonds, European Chemical Industry Council