Berechnungsmodell ebnet den Weg für effizientere Energiesysteme

EPFL-Forschende erzielen theoretischen Durchbruch bei thermoelektrischem Material zur besseren Nutzung von Abwärme für nachhaltige Energie.
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Rund 70% der Energie, die wir im Alltag verbrauchen, wird in Form von Wärme verschwendet, die von Motoren, Fabriken und elektrischen Geräten erzeugt wird. Forschende der EPFL-Fakultät für Ingenieurwissenschaft und Technologie haben jedoch einen bedeutenden theoretischen Fortschritt erzielt, der die nachhaltige Energieerzeugung fördern könnte. Die Berechnungen des Labors für Theorie und Simulation von Materialien (THEOS) haben die grundlegenden Theorien hinter einer der wichtigsten Technologien zur Steigerung der Effizienz der thermoelektrischen Umwandlung entschlüsselt und den Weg für eine bessere Materialauswahl und schnellere, kostengünstigere Entdeckungsprozesse geebnet. Dieser Durchbruch, der in der Zeitschrift Physical Review Research veröffentlicht wurde, hat das Potenzial, zu einer grüneren Wirtschaft und einer nachhaltigeren Zukunft beizutragen.

Thermoelektrische Geräte sind ein heisses Thema, da sie das vielversprechende Potenzial bieten, Abwärme in nachhaltigen Strom umzuwandeln. Bei einem Temperaturunterschied zwischen einem thermoelektrischen Material, bei dem eine Seite heisser ist als die andere, kommt es zu einem Ladungsfluss innerhalb des Materials, der einen elektrischen Strom erzeugt, der wieder in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Diese Technologie wird zunehmend zur Verbesserung der Nachhaltigkeit verschiedener energieintensiver Industrien, vom Verkehr über Kraftwerke bis hin zur Fertigung, eingesetzt.

Die Maximierung des Wirkungsgrads der thermoelektrischen Umwandlung hat sich jedoch als schwierig erwiesen, da es keine grundlegenden Theorien zur Wärmeleitung in Materialien mit schlechter Wärmeleitfähigkeit gibt. Damit ein Material für ein thermoelektrisches Gerät geeignet ist, muss es eine niedrige Wärmeübertragung bzw. Wärmeleitfähigkeit und eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen. Je grösser der Unterschied zwischen diesen beiden Werten ist, desto besser ist das Material geeignet. Einige Materialien sind als gute Kandidaten bekannt, aber die Materialwissenschaftler sind auf teure Tests angewiesen, da die zugrundeliegenden physikalischen Prinzipien schwer zu ergründen sind.

«Die Entschlüsselung der theoretischen Geheimnisse thermoelektrischer Materialien bringt uns einer grüneren, nachhaltigeren Zukunft einen Schritt näher.»      Enrico Di Lucente

Hier kommt die Computerphysik ins Spiel, die fortschrittliche Simulations- und Modellierungstechniken auf leistungsstarken Supercomputern einsetzt, um die grundlegenden physikalischen Prinzipien zu entschlüsseln, die das Verhalten thermoelektrischer Materialien und die Wärmeleitung bestimmen. «Die Entschlüsselung der theoretischen Geheimnisse thermoelektrischer Materialien bringt uns einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft einen Schritt näher», sagt Enrico Di Lucente, Forscher am THEOS, in Zusammenarbeit mit Michele Simoncelli, jetzt an der Universität Cambridge, und Professor Nicola Marzari, Leiter des THEOS und Direktor des NCCR MARVEL.

Um das Geheimnis zu lüften, konzentrierte sich das EPFL-Team auf eine Klasse von Kristallen, die sogenannten Skutterudite, die eine einzigartige käfigartige atomare Struktur aufweisen und als vielversprechende Materialien für die thermoelektrische Umwandlung bekannt sind. Sie erhöhen ihre thermoelektrische Effizienz, wenn zusätzliche Atome, sogenannte «Rattler», in ihre atomaren Käfige eingebaut werden. Mit dem neuen, an der EPFL entwickelten, Modell konnten die Forschenden die erwartete signifikante Reduktion der Wärmeübertragung beobachten und das Phänomen mit grosser Präzision vorhersagen, ohne dass empirische Daten nötig waren.

Der grosse wissenschaftliche Fortschritt besteht darin, dass das Rechenmodell auch einen unerwarteten Quantenmechanismus aufzeigt: «Wir haben zum ersten Mal festgestellt, dass diese Rattler-Atome einen Übergang in der Wärmeleitung innerhalb der Kristalle bewirken, indem sie von einer teilchenartigen Leitung zu einem wellenartigen Tunneln übergehen», sagt Di Lucente. Das neue Berechnungsmodell öffnet die Tür zur Entwicklung neuer Materialien mit ultraniedriger Wärmeleitfähigkeit, ohne dass kostspielige empirische Versuche erforderlich sind, und bringt uns der Schaffung einer energieeffizienteren Wirtschaft einen wichtigen Schritt näher.

Weitere Informationen

Finanzierung

Diese Forschung wurde vom NCCR MARVEL, einem Nationalen Forschungsschwerpunkt, unterstützt, der vom Schweizerischen Nationalfonds (Grant Nr. 205602) und vom SNF durch Grant Nr. CR- SII5 189924 (Projekt «Hydronik») finanziert wurde.

Referenzen

Enrico Di Lucente, Michele Simoncelli, and Nicola Marzari, Crossover from Boltzmann to Wigner thermal transport in thermoelectric skutterudites, Physics Review Research (2023)