Maschine entwirft endlos Chalets auf der Biennale in Seoul

Das Exponat Artificial Swissness – ein überlebensgrosses «Design-Gehirn», entwickelt vom Media x Design Lab (LDM) der EPFL – ist derzeit auf der Seoul Biennale für Architektur und Urbanismus zu sehen, die bis zum 31. Oktober 2021 dauert. Diese Hightech-Maschine kann eine praktisch unendliche Anzahl von Architekturbildern von Schweizer Chalets erzeugen.
Die Ausstellung auf der Seoul Biennale. © Hansol Bae/Hanul Lee

«Unser Design-Hirn ist ein Experiment, das der Frage nachgeht, ob Maschinen Strukturen entwerfen können», sagt Professor Jeffrey Huang, Leiter des LDM, «das heisst, ob sie nicht nur Musik empfehlen oder Autos fahren können, sondern auch sinnvolle kulturelle Artefakte schaffen, wie zum Beispiel Architektur mit ausgeprägten Schweizer Merkmalen». Artificial Swissness wird bis zum 31. Oktober auf der Seoul Biennale für Architektur und Urbanismus zu sehen sein. Sie wurde von LDM in Zusammenarbeit mit Convergeo, einer von Prof. Huang mitbegründeten Designagentur, und dem Seouler Architekturbüro SPOA entwickelt.

Unendliche Architekturbilder

Die Ausstellung ist als eine sich ständig verändernde räumliche Schnittstelle gedacht, die die inneren Gedanken einer KI-Maschine offenbart, die auf 10 000 Bilder von Schweizer Chalets und alpiner Architektur trainiert wurde. Sie hat die Form eines grossen, hochaktiven künstlichen Gehirns, das den Betrachtenden durch ein Palimpsest architektonischer Bilder fesselt. Die radiale Form des künstlichen Gehirns vermittelt den Betrachtenden einen Eindruck vom visuellen Kortex der tiefen neuronalen Faltungsnetzwerke, während die Maschine eine praktisch unendliche Anzahl von Architekturbildern von Schweizer Chalets erzeugt.

Frederick Kim und Mikhael Johanes, zwei Doktoranden am LDM – die 14 Tage in Quarantäne waren, um vor Ort zu sein und das Exponat aufzubauen – beschreiben die Funktionsweise des Design-Gehirns: «Wir machen die visuellen Schlussfolgerungen in diesen Schichten des neuronalen Faltungsnetzwerks deutlich, indem wir von einer sehr niedrigen Auflösung bis zur endgültigen Auflösung fortschreiten. Dies gibt einen Einblick in die innere Arbeitsweise unseres generativen künstlichen Netzwerks (GAN), wie es Architekturbilder erzeugt.»

Ein sich ständig weiterentwickelnder Lernprozess

Die Ausstellung besteht aus mehreren Schichten von Displays, die kreisförmig angeordnet sind und aus 30 hochauflösenden, leuchtstarken digitalen Bildschirmen bestehen, die von Raspberry Pi-Minicomputern gesteuert werden. Winkel, Höhe und Tiefe der Bildschirme sind so gestaltet, dass sie den Betrachtenden ein vielfältiges und individuelles Sichtfeld bieten. Der Denkprozess des neuronalen Netzes wird durch eine programmierte LED-Projektion der Faltungsschichten des GAN dargestellt. Die digitalen Bildschirme und die LED-Projektion laufen gleichzeitig, um die Betrachtenden emotional (visuell) und intellektuell (zerebral) anzusprechen. Die digitalen Bildschirme zeigen die maschinell erzeugten Bilder typischer Schweizer Architektur (die Essenz der alpinen Baukultur), und die LED-Projektion offenbart den sich ständig weiterentwickelnden Lernprozess, den die Maschinen durchlaufen, während sie Tausende von Bildern alpiner Architektur durchforsten, um die Essenz der «Swissness» zu destillieren.

Das LDM wird von der Fakultät für Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen und der Fakultät für Informatik und Kommunikationswissenschaften der EPFL gemeinsam betrieben. Es untersucht die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Architektur und moderne Städte. Artificial Swissness zielt darauf ab, die Erkenntnistheorie der Computerwissenschaften auf den kulturellen Bereich auszudehnen und spezifische computerbasierte Perspektiven der architektonischen und künstlerischen Kultur aufzuzeigen.