Ein tiefer Blick in Huntington-Gehirnaggregate

Eine neue Studie der EPFL gibt neue Einblicke in die Ultrastruktur und die biochemische Zusammensetzung von Huntingtin-Aggregaten, dem Kennzeichen der Huntington-Krankheit, und weist auf neue Wege für Behandlungsstrategien hin.
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Die Huntington-Krankheit ist eine fortschreitend schwächende Hirnerkrankung, die unkontrollierte Bewegungen, psychische Probleme und den Verlust der kognitiven Fähigkeiten verursacht. Die Huntington-Krankheit wird durch eine Mutation in dem Gen verursacht, das für Huntingtin kodiert, ein Protein, das normalerweise eine wichtige Rolle dabei spielt, die Gehirnzellen gesund und aktiv zu halten. Die Mutation verleiht Huntingtin jedoch einen abnorm langen Schwanz von Glutamin-Aminosäuren, die dazu führen, dass Huntingtin in den Neuronen verklumpt und sie schliesslich abtötet.

Diese Huntingtin-Aggregate oder «Einschlusskörper» waren Gegenstand zahlreicher Forschungsbemühungen, um einen Weg zum Verständnis und zur Behandlung der Huntington-Krankheit zu finden. Was jedoch bisher fehlte, war eine eingehende Analyse der Ultrastruktur der Einschlüsse – ein Begriff, der die Strukturebene beschreibt, die mit einem herkömmlichen Mikroskop nicht zu erkennen ist.

Tiefe Einblicke

Mit Hilfe fortschrittlicher Mikroskopie und Proteomik haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Hilal Lashuel von der EPFL in Zusammenarbeit mit der Biological Electron Microscopy Facility nun erfolgreich die erste Studie durchgeführt, die sowohl die Ultrastruktur der Huntingtin-Einschlusskörper als auch ihre Zusammensetzung in Zellen untersucht, die die pathologische Entstehung der Huntington-Krankheit modellieren. Die Arbeit wurde in Nature Communications veröffentlicht.

Die Forschenden verwendeten eine fortschrittliche Technik, die als korrelative Licht-Elektronen-Mikroskopie (CLEM) bekannt ist und mit der Einschlüsse in verschiedenen Zellkompartimenten (Zytoplasma oder Zellkern) identifiziert und ihre strukturellen und organisatorischen Merkmale in kultivierten Neuronen untersucht werden können. CLEM kombiniert im Wesentlichen ein Elektronenmikroskop mit einem Fluoreszenzmikroskop. Ersteres liefert hochauflösende Informationen bis in den Nanobereich, während das Fluoreszenzmikroskop (buchstäblich) interessante Regionen hervorheben kann.

Die Forschenden setzten auch die Elektronentomographie ein, die es ihnen ermöglichte, einzelne Aggregate innerhalb dieser Einschlüsse sichtbar zu machen. «Wir wollten nicht nur ein detailliertes Bild davon zeichnen, wie sich diese Einschlüsse bilden», sagt Nathan Riguet, Erstautor der Studie, «deshalb haben wir unsere Studien erweitert, um zu verstehen, wie sich diese Einschlüsse bilden, wie sie sich auf ihre subzelluläre Umgebung, die Funktion der Organellen in ihrer Umgebung und letztlich auf die Lebensfähigkeit der Neuronen auswirken.»

Verschiedene Mechanismen der Aggregation

Die Studie ergab, dass die Aggregation von Huntingtin und die Bildung von Einschlüssen im Zytoplasma und im Zellkern von Neuronen durch unterschiedliche Mechanismen erfolgt, die zu unterschiedlichen biochemischen und ultrastrukturellen Eigenschaften führen. Dies bedeutet, dass diese beiden Arten von Einschlüssen auch auf unterschiedliche Weise toxisch sein können, was bedeutet, dass bei der Behandlung unterschiedliche Strategien eingesetzt werden müssen, um ihre Bildung, Reifung und Toxizität zu bekämpfen.

Die Studie deutet auch darauf hin, dass die Suche nach Möglichkeiten zur Veränderung des Wachstums von Einschlüssen und ihrer Interaktionen mit anderen Proteinen und Organellen eine gültige, alternative oder ergänzende Strategie zur Verlangsamung des Fortschreitens der Huntington-Krankheit darstellt, insbesondere nach dem Ausbruch der Krankheit. Denn dieser Prozess führt zur Sequestrierung funktioneller Proteine und stört die Funktion wichtiger Organellen in der Zelle, wie z. B. der Mitochondrien. Die Autorinnen und Autoren stellen fest: «...[W]ir glauben, dass die gezielte Beeinflussung des Wachstums und die Reifung von Einschlüssen eine praktikable therapeutische Strategie darstellt.»

Fluoreszierende Tags

«Unsere Ergebnisse sprechen auch gegen die Verwendung grosser fluoreszierender Protein-Tags zur Entwicklung von Krankheitsmodellen der Huntington-Krankheit und zur Suche nach Medikamenten, die die Huntingtin-Aggregation und die Bildung von Einschlüssen modifizieren», sagt Lashuel, «Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Huntington-Krankheit und andere neurodegenerative Erkrankungen, bei denen die Fusion fluoreszierender Proteine üblicherweise zur Untersuchung der Mechanismen der Proteinaggregation und zur Entdeckung von Medikamenten verwendet wird.»

«Unsere Arbeit eröffnet neue Einblicke in die Zusammensetzung und Ultrastruktur von Huntingtin-Einschlüssen», schliesst er, «sie verbessern unser Verständnis der Mechanismen der Huntingtin-Aggregation und zeigen auch neue Wege für therapeutische Interventionen auf, die wir weiter verfolgen wollen.»