Eine Diagnose für unseren Boden

Vielerorts leiden die Böden unter der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung. Nun haben Forscherinnen der ETH Zürich einen Schnelltest für die Messung der Bodenqualität vor Ort entwickelt. Künftig sollen Landwirte damit selbständig die Gesundheit ihres Ackerlandes überwachen können.
Sonia Meller (l.) und Hélène Iven testen ihren Sensor im Feld. (Bild: Kilian J. Kessler)

Viele von uns beachten den Boden kaum und gehen achtlos über ihn hinweg. Dabei ist das Erdreich für uns lebenswichtig: Als Ackerland ernährt es uns, es dient als Wasser- und Nährstoffspeicher und weil es Kohlenstoff bindet, beeinflusst es auch die Menge an CO2 in der Luft und damit die Klimaerwärmung. Doch unserem Boden geht es schlecht: «Die intensive landwirtschaftliche Nutzung hat die Böden vielerorts ausgelaugt», sagt Sonia Meller, Bodenwissenschaftlerin an der ETH Zürich. Sie hat zusammen mit der Agrarwissenschaftlerin Hélène Iven einen Sensor namens Digit Soil entwickelt, mit dem sich die Qualität des Bodens erstmals vor Ort messen lässt – schnell und kostengünstig.

Kranke Böden

Die Böden besser und engmaschiger zu überwachen, ist bitter nötig. Laut der Welternährungsorganisation FAO waren bereits 2011 ein Viertel der weltweiten Anbauflächen degradiert. Das bedeutet, dass der Boden kaum mehr organische Substanz enthält, in welcher lebensspendende Umwandlungsprozesse ablaufen: Insekten und Mikroorganismen zersetzen darin tote Pflanzenteile und Tiere, indem sie diese mithilfe von Enzymen in ihre chemischen Bestandteile aufspalten, und produzieren so Baumaterialien und Nährstoffe für neu wachsende Pflanzen. Doch mit fortschreitender Degradation verliert der Boden diese ökologische Funktion und wird unfruchtbar. Er kann Kleinsttieren keinen Lebensraum mehr bieten und kein Wasser und keine Nährstoffe mehr speichern. Dann hilft auch düngen nicht mehr. Die eingebrachten Nährstoffe werden mit dem nächsten Regen ausgewaschen.

Um herauszufinden, wie es um die Agrarböden bestellt ist, werden diese schon heute systematisch untersucht – allerdings nur grobmaschig und in langen Zeitabständen, weil die Messungen aufwendig und kostspielig sind. Die Bodenproben werden dabei nicht vor Ort vermessen, sondern in spezialisierten Laboren. «Das verändert die Bedingungen in den Proben und kann die Ergebnisse verfälschen», sagt Meller. Zudem werden für die Probenaufbereitung und für die Messungen unterschiedliche Methoden verwendet. So lassen sich Ergebnisse von verschiedenen Standorten und Zeitpunkten kaum vergleichen.

Fluoreszierende Erde

Das wollen Meller und Iven mit ihrem neuen portablen Sensor ändern. Konkret misst das Kästchen in der Grösse eines Taschenbuchs die Aktivität einer Reihe von Enzymen, die in der Erde organisches Material zersetzen – darunter Phosphatasen, die phosphorhaltige chemische Bestandteile zerlegen, Glucosidasen, die Zuckermoleküle spalten, oder Peptidasen, die Proteine in ihre Bausteine aufteilen.

Kernstück des Sensors ist eine quadratische Membran, auf welcher in separaten Feldern verschiedene Moleküle als Substrate für die Bodenenzyme aufgetragen sind. Der Clou: Die Substrate enthalten einen chemischen Baustein, der fluoresziert, sobald sie von Enzymen verarbeitet wurden. Die Helligkeit dieser Fluoreszenz und damit auch die Aktivität der Enzyme wird von der Elektronik des Sensors gemessen. Dazu reicht es, den Sensor mit der Membran in den Boden zu drücken. Nach wenigen Minuten sind die Resultate auf einem USB-Stick abgespeichert.

Die gemessenen Enzymaktivitäten wiederum erlauben Rückschlüsse auf die Bodenqualität und die Effekte landwirtschaftlicher Massnahmen – etwa der Einsatz von Pestiziden oder die Bodenbearbeitung. Intensives Pflügen beispielsweise führt mit der Zeit zu einer tieferen Enzymaktivität, weil dadurch organische Substanz verloren geht. «So lässt sich beginnende Degradation erkennen», sagt Hélène Iven.

Allerdings sind die Prozesse im Boden sehr komplex, und noch ist es schwierig, aus den Messungen direkte Empfehlungen für die Landwirtschaft abzuleiten. «Wir müssen erst genauer untersuchen, wie die Enzymaktivitäten, die wir nun rasch und standardisiert messen können, mit der Qualität des Bodens verbunden sind», sagt Sonia Meller. «Dafür benötigen wir eine Menge Daten.» Bei der Datensammlung erhalten die Entwicklerinnen schon bald Unterstützung von ihren ersten Kunden. Denn noch in diesem Jahr werden etliche Forschende anfangen, eine erste Version des Digit-Soil-Sensors zu testen, etwa am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Deren Daten helfen den Entwicklerinnen dann dabei, die Messmethode zu validieren und die Ergebnisse mit den Vorgängen im Boden zu verknüpfen.

Ihr Ziel ist es, mithilfe ihres Schnelltest abzubilden, welche Massnahmen das Erdreich auf welche Weise beeinflussen. So wollen sie Behörden ein Werkzeug bieten, um die Bodengesundheit nachhaltig zu fördern. Künftig sollen auch Landwirte den Sensor selbständig nutzen können, um die Qualität ihres Ackerlandes und den Effekt von Massnahmen selbst zu überwachen – etwa welche Dünger und Pflanzenschutzmittel sie auf ihren Felder versprühen und auf welche sie besser verzichten sollten.

Mit ihrer Idee haben Meller und Iven 2020 ein ETH Pioneer Fellowship gewonnen. Zurzeit arbeiten sie daran, den Sensor noch kompakter zu machen. Zudem soll er bis Ende 2021 die Messdaten drahtlos an Computer oder Handys übertragen können.