Neue Technologie kann CO2 aus dem Auspuffrohr eines Lkws gewinnen

Das EPFL-Spin-off Qaptis hat ein System entwickelt, das die Kohlendioxidemissionen von Lastwagen um bis zu 90 % senken kann. Das Unternehmen hat gerade einen Prototyp seiner Technologie bei einer Spedition in Tolochenaz installiert, um vor Ort Pilotversuche durchzuführen.
Mitulkumar Suthar, Leitender Ingenieur, Ed Green, CTO und Masoud Talebi Amiri, Mitbegründer und CEO von Qaptis, vor dem in Tolochenaz installierten Prototyp © 2023 Alain Herzog

Jedes Jahr stossen Lastwagen, die Güter durch die Schweiz transportieren, über eine Million Tonnen CO2 aus, wie das Bundesamt für Statistik mitteilt. Der Anteil der Elektro-Lkws wächst, aber der genaue Prozentsatz wurde nicht veröffentlicht. In der EU waren im ersten Quartal 2023 nur 600 Elektro-Lkws mit einem Gewicht von mindestens 16 Tonnen zugelassen, gegenüber 86'455 Lkws mit Verbrennungsmotor. Qaptis will den CO2-Fussabdruck dieser konventionellen Lastwagen mit seinem neuen Dekarbonisierungssystem verringern, das das aus dem Auspuffrohr austretende CO2 auffängt und in flüssigem Zustand speichert. Ein Prototyp ist bereits bei einem lokalen Spediteur installiert, mit dem Qaptis eine strategische Partnerschaft eingegangen ist, und das Start-up ist bereit für Pilotversuche unter realen Bedingungen: «Wir planen, unser erstes Testfahrzeug Ende 2024 in Betrieb zu nehmen», sagt Théodore Caby, Mitbegründer und COO von Qaptis.

CO2-Abscheidung an der Quelle

Die Kerntechnologie des Systems wurde im Labor für industrielle Prozess- und Energiesystemtechnik der EPFL entwickelt. Sie besteht darin, CO2 von einem gasförmigen in einen flüssigen Zustand zu überführen und dabei möglichst wenig Fremdenergie zu verbrauchen, um einen positiven Kreislauf zu schaffen. Das System von Qaptis ist für den Einbau in bestehende Lastwagen vorgesehen. Sobald das CO2 aus dem Auspuff eines Lkws aufgefangen wurde, wird es gekühlt und von anderen Gasen (Stickstoff und Sauerstoff) getrennt, indem das Gemisch über ein pulverförmiges Adsorptionsmittel geleitet wird: «Wir planen, später ein metallorganisches Pulver zu verwenden, das unseren Prozess weiter verbessert», sagt Caby. «Nachdem das Adsorptionsmittel gesättigt ist, wird es mit der Wärme des Verbrennungsmotors erhitzt. Dadurch wird das CO2 freigesetzt, das dann von Hochgeschwindigkeits-Turboladern in eine Flüssigkeit komprimiert wird, so dass es weniger Volumen einnimmt. Wir haben endlich den ersten Schritt geschafft, nämlich die Übertragung unserer Kerntechnologie vom Labor in die Industrie. Jetzt werden wir uns darauf konzentrieren, ein Gerät zu entwickeln, das direkt in Lastwagen eingebaut werden kann.»

Wenn unser Planet, wie vom Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) empfohlen, bis 2050 eine Netto-Nullbilanz erreichen soll, müssen wir nicht nur unsere Treibhausgasemissionen senken und auf erneuerbare Energien umsteigen, sondern auch Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Unternehmen in einer Reihe von Branchen setzen die Technologie zur Kohlenstoffabscheidung ein, während andere Systeme zur Kohlenstoffspeicherung und -nutzung entwickeln. Das abgeschiedene CO2 kann beispielsweise bei der Herstellung von Lebensmitteln, Düngemitteln, Energie, Baumaterialien und synthetischen Kraftstoffen eingesetzt werden. Für die letztgenannte Anwendung ist das System von Qaptis gedacht: Das flüssige CO2 wird in einem Tank hinter der Fahrerkabine gespeichert und kann abgelassen werden, wenn der Lkw zu seinem Frachtterminal zurückkehrt. «Wir wollen zunächst lokale Spediteure ansprechen, die ihre Umweltbelastung reduzieren wollen», sagt Caby. Später wird das Unternehmen ein Rückgewinnungssystem entwickeln, das es den Fahrern ermöglicht, ihre CO2-Tanks an Tankstellen zu entleeren, so dass seine Technologie auf breiterer Basis eingesetzt werden kann.

Eine erste Finanzierungsrunde über 1,3 Millionen CHF

Qaptis hat im vergangenen Frühjahr einen wichtigen Forschungs- und Entwicklungsmeilenstein erreicht, als sein Prototyp die ersten Tropfen flüssigen CO2 produzierte. Der Prototyp ist zwar noch etwas unhandlich, kann aber mit Standardanschlüssen angeschlossen werden und läuft unter normalen Bedingungen. Er wurde zunächst bei einer US-Firma getestet, mit der Qaptis seit langem zusammenarbeitet, wurde aber vor kurzem für weitere Optimierungsarbeiten nach Tolochenaz verlegt. Es wird jedoch noch einige Monate dauern, bis das System so miniaturisiert ist, dass es in Fahrzeuge eingebaut werden kann. Caby erklärt: «Unser Ziel ist es, ein bahnbrechendes Gerät zu entwickeln, das modular und mit verschiedenen Arten von Lastwagen kompatibel ist. Wir müssen also mehrere Iterationen ausserhalb des Labors durchlaufen, um es für den täglichen Gebrauch bereit zu machen.»

Dank einer erfolgreichen Finanzierungsrunde im vergangenen März, bei der Qaptis 1,3 Mio. CHF von Business Angels und Risikokapitalfonds erhielt, kann das Unternehmen diese nächste Entwicklungsphase in Angriff nehmen: «Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit einer grossen lokalen Spedition, die unsere Technologie bald einsetzen möchte», so Caby. «Wir wurden auch von Unternehmen in Asien kontaktiert, aber im Moment konzentrieren wir uns auf den schweizerischen, deutschen und österreichischen Markt.» Eines Tages könnte die Technologie von Qaptis auch für andere Fahrzeugtypen, wie zum Beispiel Schiffe, eingesetzt werden.