Neues Programm unterstützt Femtech-Unternehmerinnen

Dreissig Start-ups haben im Rahmen von Tech4Eva, dem ersten Programm in Kontinentaleuropa, das sich speziell an Unternehmerinnen im Bereich Femtech (Technologie für die Gesundheit von Frauen) richtet, 60 Millionen Franken an Finanzmitteln erhalten. Am 7. Dezember findet die erste Femtech-Konferenz der Schweiz statt, die das erste Jahr von Tech4Eva abschliesst und den Startschuss für die nächste Finanzierungsrunde gibt.
Tech4Eva hat 60 Millionen Schweizer Franken für Technologien gesammelt, die speziell für die Gesundheit von Frauen bestimmt sind. © istock

Viele Männer, und fast ebenso viele Frauen, wissen nicht, was ein Tenaculum ist. Es ist ein Instrument, das von Gynäkologen verwendet wird, um den Gebärmutterhals bei Eingriffen wie dem Einsetzen einer Spirale zu fassen und zu halten. Tenacula werden häufig – etwa 80 Millionen Mal pro Jahr weltweit – und ohne Anästhesie verwendet. Obwohl sie schmerzhaft sein und Blutungen oder sogar eine Perforation des Gebärmutterhalses verursachen können, hat sich das Design seit der Erfindung des Instruments im späten 19. Jahrhundert nicht verändert. Letzteres ist nicht weiter verwunderlich, da nur 4 % der Forschungsausgaben für das Gesundheitswesen auf die zahlreichen frauenspezifischen medizinischen Probleme entfallen (wie Schwangerschaft, Menstruation, Empfängnisverhütung, Fruchtbarkeit, Menopause, bestimmte Krebsarten und psychische Probleme).

Femtech hat sich zum Ziel gesetzt, diese Ungleichheit, Abweichung und Ungerechtigkeit zu beseitigen, indem es Systeme und Geräte entwickelt, die speziell für die Gesundheit von Frauen bestimmt sind. Der EPFL Innovation Park unterstützt Femtech-Unternehmerinnen im Rahmen einer gemeinsamen Initiative mit der Groupe Mutuel mit dem neuen Programm Tech4Eva. Das am 8. März 2021 eingeführte Programm soll als Beschleuniger für Femtech-Startups dienen und ist das erste seiner Art in Kontinentaleuropa. Neun Monate lang erhielten Unternehmerinnen von 30 vielversprechenden Start-ups die Möglichkeit, an Seminaren teilzunehmen, von einem Mentor gecoacht zu werden, Investorinnen zu treffen und auf Roadshows zu gehen – dieses Jahr nach Japan, in die USA, nach Grossbritannien und in zwei Schweizer Städte. Das erste Jahr des Programms gipfelt in der ersten jährlichen Schweizer Femtech-Konferenz im SwissTech Convention Center am 7. Dezember. Die Konferenz bietet die Gelegenheit, die Arbeit der ausgewählten Start-ups vorzustellen und eine Bestandsaufnahme der Fortschritte zu machen, die im Bereich der Gesundheitsversorgung von Frauen noch gemacht werden müssen.

«Wir wollen die Innovationsdrehscheibe für Frauengesundheit in der Schweiz werden und Femtech-Forschung und -Entwicklung auf die nächste Stufe bringen.»      Ursula Oesterle, EPFL Innovation Park

«Mit Tech4Eva haben wir ein starkes Femtech-Netzwerk und -Ökosystem aufgebaut, das nicht nur Start-ups, sondern auch Unternehmen, Forschungszentren und Gesundheitsdienstleister umfasst», sagt Ursula Oesterle, Präsidentin des EPFL Innovation Park. «Wir wollen die Innovationsdrehscheibe für Frauengesundheit in der Schweiz werden und Femtech-Forschung und -Entwicklung auf die nächste Stufe bringen.»

Ersetzen des Tenaculums

Die Organisationsteam des Programms wollte ursprünglich nur 15 Start-ups auswählen. Da sich jedoch 110 Unternehmen beworben haben, haben sie beschlossen, 30 aufzunehmen (darunter zehn aus der Schweiz), von denen sich die Hälfte in der Start- und die andere Hälfte in der Wachstumsphase befindet. Die Unternehmen decken vier Segmente des Frauengesundheitsmarktes ab: Prävention und Wohlbefinden, Schwangerschaft und Wochenbett, Fruchtbarkeit sowie Menstruation, Menopause und Inkontinenz. Zu den ausgewählten Start-ups gehören: breathe ilo, das ein Atemanalysesystem zur Verfolgung des Menstruationszyklus entwickelt hat; Embr Labs, das ein elektronisches Armband entwickelt hat, das Hitzewallungen lindern kann; Fizimed, das einen intelligenten Kegel-Trainer zur Stärkung des Beckenbodens vertreibt; MOMM Diagnostics, das einen Schnelltest zur Erkennung von Präeklampsie entwickelt hat; Muvon Therapeutics, das eine autologe Zelltherapie zur Behandlung von Muskelschäden anbietet; CorDiFio, das ein KI-gestütztes System zur Früherkennung von Herzkrankheiten entwickelt hat; KOVE medical, das ein Gerät vorgestellt hat, das die fetale Membran nach fetoskopischen Eingriffen versiegeln kann und so Frühgeburten verhindern hilft; und Aspivix, das einen schmerzfreien Saugkopf auf Vakuumbasis entwickelt hat, der (endlich) das Tenaculum ersetzen kann.

60 Millionen CHF und mehr

«Embr Labs hat schon an vielen Acceleratoren teilgenommen, und Tech4Eva war bisher eine der wertvollsten Erfahrungen», sagt Elizabeth Gazda, Gründerin und CEO von Embr Labs. «Zusätzlich zu den ausgezeichneten Erfahrungen und dem Mentoring ist es erfrischend, an einem Programm teilzunehmen, das dem Femtech-Bereich gewidmet ist und es den Unternehmen ermöglicht, Lernen und Wachstum zu beschleunigen.» Das in Boston ansässige Unternehmen Embr Labs hat bereits 35 Millionen US-Dollar an Risikokapital aufgebracht, davon 22 Millionen US-Dollar durch das Tech4Eva-Programm. Das Unternehmen plant, in den nächsten sieben bis 12 Monaten weitere 40 Millionen Dollar aufzubringen.

Tech4Eva hat den ausgewählten Start-ups die Tür zu einer Finanzierung in Höhe von 60 Millionen Schweizer Franken geöffnet (26,2 Millionen Dollar bisher in diesem Jahr und 33,7 Millionen Dollar, die in den nächsten drei Monaten abgeschlossen werden sollen). Der Femtech-Markt ist gross und wächst – Frauen geben mehr Geld für die Gesundheit aus als Männer, und es wird erwartet, dass der Markt bis 2025 auf 50 Milliarden Dollar anschwillt. Aber die Hauptmotivation für diese Unternehmerinnen ist nicht finanzieller Natur. Jeden Tag sterben Frauen aufgrund mangelnder Forschung zu Krankheiten, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Durch die Schaffung eines Femtech-Ökosystems hofft Tech4Eva, das Bewusstsein für die Bedeutung dieser Art von Forschung und Entwicklung zu schärfen – nicht nur unter den Start-ups, sondern auch in den Gesundheitssystemen im Allgemeinen – sowie die notwendigen Daten zu sammeln und die erforderliche Ausbildung an den medizinischen Fakultäten zu gewährleisten. Ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, die Diskussion über Fruchtbarkeit, Menstruation und Menopause zu enttabuisieren. Die nächste Ausgabe des Tech4Eva-Programms wird Anfang 2022 starten, und Bewerbungen von Femtech-Unternehmerinnen aus der ganzen Welt werden demnächst entgegengenommen.

©https://www.womens.health

Tech4Eva-Konferenz

Diese erste Ausgabe der Tech4Eva-Konferenz bringt Unternehmerinnen, Innovatoren, Hochschulforschende, Entwicklerinnen von Ökosystemen und andere Agierende zusammen, um die Gegenwart und Zukunft der Femtech-Branche zu diskutieren. Die Konferenz findet am 7. Dezember im SwissTech Convention Center statt und wird aus der Ferne organisiert. Am Vormittag wird Audrey Tsang, Co-CEO von Clue by Biowink und die Frau, die den Begriff «Femtech» geprägt hat, in ihrer Keynote über ihre aussergewöhnliche Reise sprechen; ausserdem werden die CEOs der für das diesjährige Programm ausgewählten Start-ups zu Wort kommen. Am Nachmittag findet der Swiss Accelerators' Showcase statt, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer virtuell die Gründerinnen und Gründer der diesjährigen Tech4Eva-Startups sowie die von rund 40 weiteren Hightech-Startups aus Gründerzentren und Accelerators in der ganzen Schweiz treffen können. Dieser Teil des Programms wird über eine neuartige immersive 3D-Plattform abgewickelt.