EPFL-Studierende kommen auf den Geschmack des Unternehmertums

2018 hat die EPFL ein Programm eingeführt, mit dem hoch motivierte Masterstudierende ein Start-up für ihre Masterprojekte gründen können. Wir haben mit zwei Absolventen gesprochen, die dieses Programm nutzten, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
2022 EPFL / Jamani Caillet - CC BY-SA 4.0

Das Ökosystem der EPFL ist sehr förderlich für die Gründung neuer Unternehmen. Allein im Jahr 2021 wurden 32 innovative, schnell wachsende Start-ups aus der Hochschule ausgegründet. Und die EPFL-Start-ups haben im vergangenen Jahr zusammen fast 800 Millionen Franken an Finanzmitteln eingeworben. Die meisten dieser Unternehmen wurden von Doktorierenden, Postdocs sowie Alumnae und Alumni gegründet, doch auch immer mehr Bachelor- und Masterstudierende wollen sich als Unternehmerinnen versuchen. Um sie dabei zu unterstützen, hat die EPFL 2018 ein Programm für Masterstudierende eingeführt, das ihnen ermöglicht, im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten ein Start-up zu gründen. Die Studierenden erhalten Rat und Unterstützung von einem Business-Coach und dem neuen Business Accelerator Blaze der EPFL. Im Gegenzug verpflichten sich die Studierenden, innerhalb weniger Monate ein neues Unternehmen zu gründen.

Sami El Bouari, der heute einen Abschluss in Maschinenbau hat, nutzte das Programm, um Evoly zu gründen, ein Unternehmen, das intelligente Stromzähler herstellt: «Unsere Systeme nutzen die Langstrecken-Funktechnologie LoRa, die viel billiger ist und weniger Strom verbraucht als die Technologie herkömmlicher Zähler», sagt er, «deshalb kosten unsere Zähler fünfmal weniger als die derzeit auf dem Markt erhältlichen. Das Bundesamt für Energie schätzt, dass der Austausch eines Zählers für einen Haushalt derzeit rund 460 Franken kostet. Neben den preiswerten Zählern bietet Evoly auch Datenanalysesoftware an, mit der Netzbetreiber den Zustand ihrer Netze kontinuierlich überwachen und Probleme sofort beheben können, sobald sie auftreten.

Jean-Baptiste Beau ist ein weiterer Unternehmer, der das Programm durchlaufen hat. Er hat an der EPFL einen Bachelor-Abschluss in Informatik gemacht, bevor er sich für den Master-Studiengang in Management of Technology & Entrepreneurship einschrieb. Für seine Masterarbeit entschied er sich, ein Unternehmen zu gründen, das auf einer Idee basiert, an der er schon länger gearbeitet hatte: eine App zu entwickeln, mit der die Nutzenden lernen können, ihre Träume zu kontrollieren. «Zunächst tragen die Nutzerinnen und Nutzer ihre Träume nach dem Aufwachen in die Tagebuchfunktion unserer App ein, was ihnen hilft, sich an ihre Träume zu erinnern», sagt Beau. «Dann analysiert unsere App die Träume auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse der Psychologie und der Neurowissenschaften über den Traumprozess. Die Ergebnisse helfen den Nutzenden, zum Beispiel wiederkehrende Themen zu erkennen.» Schliesslich wird die App – Oniri genannt – einen Abschnitt enthalten, der den Nutzenden zeigt, wie man luzide Träume hat, bei denen man sich bewusst ist, dass man träumt.

«Das Programm soll Masterstudierenden, die ein Start-up gründen wollen, die Zeit, die Unterstützung und das Know-how dazu geben – wobei ihre Arbeit Teil ihres Studiums und Abschlusses ist.»      Margaux Pagès, Leiterin der Abteilung für studentisches Unternehmertum an der EPFL

Das Masterprogramm für Unternehmertum wurde vom Vizepräsidium für Innovation (VPI) der EPFL ins Leben gerufen. Zehn Studierende haben im Rahmen ihrer Master-Projekte bereits ein Unternehmen gegründet, drei weitere sind in Planung: «Das Programm soll Master-Studierenden, die ein Start-up gründen wollen, die Zeit, die Unterstützung und das Know-how dazu geben – und zwar im Rahmen ihres Studiums und ihrer Studiengänge», sagt Margaux Pagès, Verantwortliche für das studentische Unternehmertum an der EPFL. «Die Studierenden können die Kriterien für ihre Master-Projekte und Unternehmenspraktika erfüllen und gleichzeitig eine Geschäftsmöglichkeit ausloten.»

Der Weg zur Gründung eines Unternehmens entbindet die Studierenden jedoch nicht von der akademischen Strenge, die von Masterprojekten erwartet wird. Die in Oniri verwendeten Techniken basieren zum Beispiel zum Teil auf den Forschungen von Sophie Schwartz, einer Neurowissenschaftlerin an der Universität Genf, die die Hirnaktivität während des Träumens untersucht und die Beaus Masterprojekt mitbetreut hat. Und El Bouari hat sich mit dem Labor für eingebettete Systeme der EPFL zusammengetan, um die Technologie für Evoly zu entwickeln.

Diese beiden jungen Unternehmen wachsen schnell. Im November 2020 konnte Evoly mit der Bestellung von rund hundert intelligenten Zählern seinen ersten Kunden gewinnen. El Bouari und sein kleines Team haben hart gearbeitet, um sie alle rechtzeitig herzustellen und auszuliefern. «Im Moment ist unser Ziel, Geldmittel zu beschaffen und mehr Mitarbeitende einzustellen», sagt er, «erst dann werden wir versuchen, grössere Kundinnen zu gewinnen, die Tausende von Zählern kaufen wollen.»

In der Zwischenzeit ist Beau's App bereits für das iPhone erhältlich, eine Android-Version soll noch in diesem Sommer auf den Markt kommen. Sie wurde über 200 000 Mal heruntergeladen, hat 25 000 aktive Nutzende und mehr als eine halbe Million Träume, die in ihrem Journal verzeichnet sind. «Jetzt, wo unser Geschäftsplan solide ist, wollen wir eine Marketingkampagne starten, um unsere Einnahmen und Kennzahlen zu verbessern», sagt Beau, «dann werden wir uns um eine Finanzierung bemühen, damit wir bis Ende 2022 ein Team von vier oder fünf Vollzeitmitarbeitenden bilden können.»

Immer mehr Studierende gründen ihre eigenen Unternehmen: «Seit wir im Januar 2021 das Student Launchpad eröffnet haben, wurden zehn von Studierenden geführte Start-ups gegründet», sagt Pagès, «und wir können realistischerweise davon ausgehen, dass noch in diesem Jahr vier bis sechs weitere gegründet werden.»