Stadtkühlung mit Satellitenbildern optimieren

Grünflächen oder Bäume können die Hitze in Städten mindern. Doch bis sie wirken vergeht Zeit. Eine Modellierung mit Satellitendaten zeigt nun wieviel.
Begrüntes Atrium an der Heinrichstrasse in Zürich (Foto: Eawag, Lucas Gobatti)
Städte werden immer heisser. So heiss, dass die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner gefährdet wird oder man sich zumindest nicht mehr wohl fühlt. Blau-grüne Infrastruktur, also Grünflächen, Bäume, Teiche, offene Bachläufe und dergleichen, können helfen, Temperaturen zu mindern. Doch solche Massnahmen brauchen Zeit, bis sie messbar wirken. Wieviel Zeit genau hängt von Umweltfaktoren ab, aber auch von der Gestaltung der Anlagen und deren Unterhalt. Einfache Formeln wie «jeder Baum kühlt ein Grad», gibt es daher nicht.  

«Cooling Establishment Time» quantifizieren

CET steht in diesem Zusammenhang nicht für Central European Time, sondern für Cooling Establishment Time, also für die Zeitspanne bis eine bestimmte Massnahme eine stabile Kühlleistung erbringt. Bisher ist die CET noch wenig erforscht. Ein Team vom Wasserforschungsinstitut Eawag hat nun erstmals mit Hilfe von Satellitendaten die CET von blau-grünen Infrastrukturen untersucht. Quantifiziert wurden die Effekte von sechs ab 2002 in Zürich erstellten, respektive gepflanzten Strukturen – von neuen Bäumen am Tessinerplatz beim Bahnhof Enge bis zu Rankgerüsten und Wasserbecken im Park der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO-Park). Aus sinkenden Oberflächentemperaturen und steigenden Indizes für gesundes Grün – beides aus Satellitendaten ablesbare Grössen – haben die Forschenden dann die CET berechnet.

Bewässerte Flächen und Wiesen wirken schnell

Die kürzlich in der Zeitschrift «Sustainable Cities and Society» publizierte und frei zugängliche Arbeit weist nach, dass Anlagen mit Bäumen oder Kletterpflanzen relativ lange - sieben bis zehn Jahre benötigen, bevor eine nennenswerte Veränderung der Oberflächentemperaturen sichtbar wurde. Grasflächen, Wiesen oder künstlich bewässerte Systeme wirken dagegen bereits innert einem bis drei Jahren. Wie effizient die Temperaturminderung tatsächlich ausfällt, hängt jedoch noch von zahlreichen weiteren Faktoren ab. Auf den sechs untersuchten Flächen resultieren gegenüber direkt benachbarten Grundstücken reduzierte Oberflächentemperaturen zwischen 0.5 und gut 3 Grad Celsius.

Die Arbeit ist Teil der Dissertation von Lucas Gobatti, Bauingenieur und Architekt. Sein persönlicher Favorit ist ein Umbau an der Heinrichstrasse: Statt heisse Fabrikdächer messen die Satelliten dort seit der Erstellung eines begrünten Atriums 2005 um bis zu 3.5°C tiefere Oberflächentemperaturen. Dazu trage nicht nur das Grün bei, sondern auch die Beschattung und vor allem die Bewässerung. «Wenn wir das Wasser während starker Regenfälle zurückhalten und es später für die Bewässerung einsetzen, können wir den Nutzen von blau-grünen Infrastrukturen massiv verbessern bei», sagt der Forscher.  

Planung von Stadtgrün unterstützen

Gobatti betont, es sei in ihrer Studie nicht darum gegangen, eine Rangliste der besten Massnahmen zur Stadtkühlung zu erstellen: «Wir wollten eine Methodik erarbeiten, die uns mit Hilfe der Satellitendaten zu verstehen hilft, welche Prozesse von welchen Massnahmen im Bereich der blau-grünen Infrastruktur beeinflusst werden.» Das sei Grundlage dafür, blau-grüne Infrastruktur optimaler zu planen und umzusetzen, so dass sie rechtzeitig messbare Resultate erziele. Nun müsse das Vorgehen noch verfeinert werden. Zum Beispiel würde aktuell die kühlende Wirkung von Bäumen noch unterschätzt, weil die Satelliten die Temperaturen in den Baumkronen, nicht im Schatten unter den Bäumen, messen. Gobattis Betreuer, der Umweltingenieur João Leitão, ergänzt: Je nach Zielsetzung und Zahl der Hitze-Betroffenen stünden unterschiedliche Massnahmen im Vordergrund. Wichtig sei, dass alle Nutzen von blau-grüner Infrastruktur berücksichtigt würden, also nicht nur eine mögliche Temperaturreduktion, sondern zum Beispiel auch das langsamere Abfliessen von Regenwasser oder Gewinne für die Biodiversität und Qualität für die Naherholung.  

Online Plattform der NASA genutzt

Mit ARSET bietet die US-Raumfahrtbehörde Nasa eine online Plattform an, wo jedermann gratis üben kann, wie Satellitendaten genutzt werden können. Die Abkürzung steht für «Applied Remote Sensing Training Program». Der Ingenieur und Architekt Lucas Gobatti, Erstautor der im Hauptartikel beschriebenen Studie sagt: «Ohne das Training hätten wir das nie so gut hinbekommen.» Gobatti hatte auf der Plattform erst einen Kurs absolviert, wie Satellitendaten ausgewertet werden, dass Hitzeinseln in Städten erkannt und Kennzahlen berechnet werden können. Für die nun publizierte Studie hatte das Team ausserdem Kontakt aufgenommen mit einem Programmierer, der Skripts für Google Earth entwickelt und die Forschenden unterstützt hat, ihre eigenen Berechnungen darauf aufzubauen. Direkt zum Trainings-Angebot der Nasa