Mit Satellitendaten Minenunglücke aufklären

Der Bergbau verursacht immer wieder Gewässerverschmutzungen. Im Globalen Südens kommen die Verursacher oft davon, weil die Gewässer kaum überwacht werden. Hier können Satellitendaten wichtige Beweise für solche Umweltkatastrophen liefern.
Das Gebiet der Catoca Mine auf einer Satellitenaufnahme von Sentinel-2. In der rechten Bildhälfte, am oberen Rand ist der Tshikapa-Fluss zu sehen, der von Süden nach Norden fliesst und sich verfärbt, sobald der Abfluss der Mine ihn erreicht. (Quelle: Copernicus Sentinel data, 30.7. 2021, processed by Sentinel Hub)

Die Catoca Mine im Norden Angolas ist eine der grössten Diamantminen der Welt. Ende Juli 2021 kommt es hier zu einem folgenschweren Zwischenfall: Aus einem Absetzbecken treten Minenschlämme, die beim Herauslösen der Diamanten aus dem Gestein anfallen, in die Umwelt aus. Der nahegelegene Fluss Tshikapa transportiert die mit Metallen belastete, giftige Fracht hunderte Kilometer weiter nordwärts in die Demokratische Republik Kongo. Dort wird schon bald von einer starken Verfärbung des Wassers, von tonnenweise toten Fischenberichtet. Tausende Menschen in den Anrainergemeinden leiden an Durchfallerkrankungen, rund ein Dutzend sterben an den Folgen. Die kongolesische Regierung spricht von erhöhten Eisen- und Nickelwerten im Wasser. Wochen später gibt die Betreiberfirma der Catoca Mine zu, dass es einen Rohrbruch gegeben habe, behauptet aber, dass dabei nur eine unbedenkliche Mischung aus Sand, Lehm und Wasser ausgelaufen sei, in der Zusammensetzung vergleichbar mit der Sedimentfracht, die die Gewässer während der Regenzeit mitführten.

«Solche Aussagen kommen leider häufig vor», weiss Désirée Ruppen, die sich im Rahmen ihres Doktorats an der ETH Zürich und dem Wasserforschungsinstitut Eawag intensiv mit den Umweltauswirkungen des Bergbaus befasst hat. Auch wenn die Ausreden zweifelhaft sind, so lassen sie sich doch nur schwer widerlegen. «Es gibt in dieser Region, wie in vielen anderen Bergbaugebieten in den Ländern des Globalen Südens, keine systematischen Messungen der Wasserqualität», sagt Ruppen. Eine Belastung wird oft erst spät erkannt, wenn die Folgen bereits verheerend sind. Wenn Wasserproben fehlen, lässt sich der Ursprung und das Ausmass der Verschmutzung rückwirkend kaum mehr eruieren. Erst recht nicht, wenn es sich um grossräumige Prozesse in Gebieten handelt, die nur schwer zugänglich sind, sei es aus logistischen oder politischen Gründen. «In solchen Fällen sind Satellitendaten enorm hilfreich, weil wir mit ihnen sozusagen in die Vergangenheit blicken und aus der Ferne auch grossflächige Ereignisse rekonstruieren können.» Genau das hat Ruppen gemacht.

Verschmutzung über 1400 Kilometer nachgewiesen

Die Forscherin schaute sich neun, öffentlich zugängliche Aufnahmen des betroffenen Gebietes an, aufgenommen von Sentinel-2, einem Satellitenpaar der Europäischen Weltraumorganisation, dessen Daten sich mitunter besonders für die Untersuchung von Gewässern eignet. Eine Aufnahme datierte vor dem Ereignis, als der Fluss noch «blau» war. Die übrigen waren danach aufgezeichnet worden, zwischen dem 25. Juli und dem 30. August, und zeigten bereits die starke Verfärbung des Wassers. Ziel war es, in dieser Bildabfolge zu erkennen, wo und wann die Trübung – hervorgerufen durch Partikel im Wasser – eingesetzt hatte, wie sie sich zeitlich im weiteren Flusslauf ausbreitete und wie hoch sie war im Vergleich zu vorher. James Runnalls, Programmierer an der Eawag, und Daniel Odermatt, Leiter der Fachgruppe Fernerkundung an der Eawag, unterstützten Désirée Ruppen bei der Analyse der Satellitendaten. «Mit blossem Auge lässt sich zwar erkennen, wo das Wasser blau und wo es rot verfärbt ist», sagt die Geologin, «aber um das Ausmass, die Intensität der Trübung und damit den Grad der Verschmutzung bestimmen zu können, braucht es den Computer.» Indem sie verschiedene Methoden und Algorithmen kombinierten, gelang es den Forschenden, einen automatisierten Analyseprozess für optische Satellitendaten zu entwickeln, mit dem sich erstmals die Verschmutzung eines ganzen Flusssystems beobachten und quantifizieren lässt.

«Wir konnten zurückverfolgen, wie sich die Verschmutzung innerhalb von fünf Wochen über rund 1400 Kilometer im Flusssystem ausgebreitet hat», erzählt Ruppen. «Das ermöglichte uns, die Fliessgeschwindigkeit des Wassers und in der Folge den Zeitpunkt des Unfalls zu ermitteln: Der Austritt begann am Mittag des 24. Julis.» Welche Schadstoffe in welcher Konzentration auftraten, lässt sich aus den Satellitendaten nicht bestimmen, dazu wären Wasserproben vor Ort nötig gewesen. Aber die Forschenden konnten berechnen, dass die Trübung des Wassers, die Partikelfracht, nach dem Ereignis mehrere zehnmal höher war als davor. Wie der Vergleich mit 170 älteren Satellitenbildern zeigte, war die Trübung im Tshikapa seit 2015 überhaupt noch nie so hoch gewesen wie in den Tagen nach dem Unfall. Die Behauptung der Betreiberfirma, der Fluss sei nicht stärker verschmutzt gewesen als während der Regenzeit, war damit widerlegt. Ruppen: «Die Daten zeigen, dass die Belastung des Wassers weit über Trinkwasserstandards lag, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu massiven Fischsterben und auch menschlichen Opfern geführt hat.»

Wolken versperren die Sicht

Haben Ruppen und ihre Kollegen damit die universelle Formel gefunden, um Minenunglücke aufzuklären? «So einfach ist es nicht», sagt die Geologin, die die Übertragbarkeit ihrer Methode auf eine Reihe vergleichbarer Ereignisse evaluiert hat. Das Hauptproblem ist die Verfügbarkeit von Satellitendaten: Sentinel-2 startete 2015 zunächst mit nur einem Satelliten, der einen Standort alle 10 Tage überflog. Mit dem Start des zweiten Sentinel-2-Satellitens hat sich die Dauer zwischen zwei Überflügen zwar auf 5 Tage verkürzt. Trotzdem kann es sein, dass für den entscheidenden Zeitraum eines Ereignisses keine oder keine brauchbaren Aufnahmen vorhanden sind. Denn wenn Wolken die Sicht auf die betroffenen Gewässer versperren, lassen sich letztere auf den Bildern nicht analysieren. Das ist umso problematischer, als dass viele Bergwerke in den Ländern des Globalen Südens in den Tropen liegen, wo die saisonalen Regenzeiten nicht nur mit einer starken Bewölkung, sondern auch mit einem erhöhten Risiko für Minenunglücke durch Starkniederschlägen einhergeht. «Von über zwei Dutzend Ereignissen seit 2015 habe ich neben jenem der Catoca Mine nur vier ausgemacht, für die wolkenfreie Satellitendaten vorliegen und die mit unserer Methode rekonstruiert werden könnten», hält die Désirée Ruppen fest. Doch im Feld der Fernerkundung tut sich enorm viel, die Sentinel-2 Mission wird langfristig mit der hohen Aufnahmefrequenz weitergeführt und neue Satelliten werden entwickelt, die anhand von Radar auch Wasseroberflächen darstellen können. Die Anwendungsmöglichkeiten von Ruppens Methode für künftige Minenunglücke bleiben somit bestehen und können durch neue Technologien erweitert werden.