Armut und Ungleichheit reduzieren

Zwei Drittel der Weltbevölkerung lebt immer noch mit weniger als zehn Internationalen Dollar am Tag. Obwohl die globalen Ungleichheiten gigantisch bleiben, ist Adina Rom davon überzeugt, dass sich die Lebensbedingungen für alle nachhaltig verbessern lassen.
Adina Rom ist Dozentin an der Professur für Entwicklungsökonomie der ETH Zürich und Geschäftsführerin von ETH for Development (ETH4D). (Foto: ETH Zurich)

Ein grosser Teil der Weltbevölkerung ist nach wie vor arm: Rund zwei Drittel der Menschen weltweit leben mit weniger als zehn Internationalen Dollar pro Tag und müssen damit ihren gesamten Lebensunterhalt wie Wohnung, Nahrung, Bildung, Gesundheit usw. decken. Darüber hinaus lebt etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut, was bedeutet, dass sie mit weniger als 1.90 Internationalen Dollar pro Tag überleben müssen. Diese Summen sind alle kaufkraftbereinigt. Das ist so wenig, dass wir uns das kaum vorstellen können.

Dabei ist es besonders ungerecht, dass der wichtigste Faktor, der das Einkommen bestimmt, ausserhalb der eigenen Kontrolle liegt: Nämlich wo man geboren wurde. Gemäss dem Ökonomen Branko Milanovic wird zwei Drittel unseres Einkommens rein davon bestimmt, wo wir leben.2 Massive regionale Unterschiede können auch bei der Lebenserwartung beobachtet werden: So liegt in den Ländern mit niedrigstem Einkommen die Lebenserwartung 30 Jahre tiefer als in der Schweiz.3

Ein Ende der extremen Armut ist möglich

Die Geschichte hat aber gezeigt, dass radikale Entwicklungen möglich sind. Noch bis 1880 starb jedes vierte Kind in der Schweiz vor seinem fünften Geburtstag. Heute ist es weniger als eines von 250 Kindern. Auch weltweit konnte die Kindersterblichkeit seit den 1990er um mehr als die Hälfte gesenkt werden.4 Das ist bemerkenswert, doch bleiben regionale Unterschiede enorm. Wäre die Kindersterblichkeit überall so gering wie in Europa, dann würden jedes Jahr 4,5 Millionen Kinder weniger sterben.5

Auch die Einkommen entwickeln sich; so hat sich die extreme Armut in den letzten 15 Jahren halbiert. Das bedeutet, dass sich etwa eine Milliarde Menschen aus der extremen Armut befreien konnten.

Klimakrise bedroht Fortschritt

Fortschritt ist also möglich, er ist aber leider vielerorts zu langsam. Und die Pandemie zeigt, wie fragil dieser positive Trend ist. Zudem bedroht die Klimakrise den Fortschritt. Unfairerweise leiden bei der Klimaerwärmung genau diejenigen am meisten, welche am wenigsten dazu beigetragen haben: Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen, die wenig CO2-Emissionen verursacht haben.  

Damit die Armut und Ungleichheit global bekämpft werden kann und dieser Fortschritt auch für zukünftige Generationen erhalten bleibt, braucht es eine nachhaltige Entwicklung in allen Weltregionen: Vielerorts steht dabei die Bekämpfung der Armut weiterhin im Mittelpunkt. In wohlhabenden Ländern wie der Schweiz geht es darum, die Wirtschaft umzugestalten. Neue Technologien zu entwickeln und zu skalieren, welche erlauben, Wohlstand mit den planetaren Grenzen zu vereinbaren. Genau hier setzten die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) an.

Die nachhaltigen Entwicklungsziele breit abgestützt

2015 haben die 193 UNO-Mitglieder die Agenda 2030 verabschiedet. Im Zentrum dieses globalen Aktionsplans zur Förderung des menschlichen Wohlergehens und zum Schutz der Umwelt stehen die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Sie decken Themen ab zur Beseitigung der globalen Armut (SDG 1), zur Geschlechtergerechtigkeit (SDG 5) und zum Klimaschutz (SDG 13). Während die SDGs von Staatsoberhäuptern verabschiedet wurden, ist es notwendig, dass alle einen Beitrag zu diesen Zielen leisten.

Hochschulen spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, diese Ziele zu erreichen. Einerseits indem sie eine nächste Generation von Führungskräften ausbilden, welche Verantwortung für eine nachhaltige globale Entwicklung übernimmt. Andererseits trägt Forschung dazu bei, Lösungen für die dringlichsten globalen Probleme zu entwickeln. Ziel sollte sein, die Lebensqualität und Produktivität aller Menschen, das heisst im speziellen auch der 6,5 Milliarden Menschen, die in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen leben6, auf nachhaltige Art und Weise zu verbessern.

«Wenn Sie diesen Text lesen, gehören Sie wahrscheinlich auch zu denen, die im Lotto gewonnen haben.»      Adina Rom

Es ist klar, um die SDGs zu erreichen, bedarf es der Zusammenarbeit und des Beitrags vieler: internationale Organisationen, Regierungen, Firmen, Universitäten und Individuen. Stellen Sie sich vor, dass an einer Schweizer Hochschule ein Malaria-Impfstoff oder ein Konzept, um die Verteilprobleme bei bestehenden Impfstoffen zu lösen, entwickelt wird. Eine Alumna könnte Investorin werden, die erfolgreich erneuerbaren Energien zum Durchbruch verhilft, oder Politikerin, die sich für ein faires globales Steuersystem einsetzt.  

Gemeinsam für die SDGs

Wenn Sie diesen Text lesen, gehören Sie wahrscheinlich auch zu denen, die im Lotto gewonnen haben: Sie leben in einem der reichsten Länder der Welt und geniessen eine der besten Ausbildungen. Sie haben die Chance, einen wichtigen Beitrag für die SDGs zu leisten. Dieser Beitrag kann verschieden aussehen: zum Beispiel abstimmen, wählen und sich geschäftlich oder politisch engagieren, an evidenzbasierte Hilfsprojekte spenden, die eigene Forschung und berufliche Tätigkeit mit den SDGs verknüpfen, oder die nachhaltigen Entwicklungsziele bei Konsumentscheiden in den Vordergrund stellen. Falls Sie übrigens nach Inspirationen suchen, besuchen Sie doch unsere Ausstellung Together for the SDGs.