Permafrost: eine tickende Zeitbombe unter unseren Füssen

Nahezu ein Viertel der Landoberfläche der Erde ist dauerhaft gefroren. Diese als Permafrost bezeichneten Gebiete befinden sich in den nördlichen Polarregionen und in grossen Höhenlagen. Doch nun beginnt der Permafrost aufzutauen – mit möglicherweise katastrophalen Folgen für das Klima. Wir sehen uns an, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derzeit über diese potenzielle Bedrohung wissen.
Permafrost bedeckt 22 % der Landoberfläche der Erde. © iStock

Permafrost ist eine Boden-, Gesteins- oder Sedimentschicht, die das ganze Jahr über eine Temperatur von 0 °C oder darunter aufweist. Obwohl er in der Öffentlichkeit wenig Beachtung findet, bedeckt Permafrost 22 % der Landoberfläche der Erde. Man findet ihn vor allem in nördlichen Breitengraden – in Grönland, Kanada, Alaska und Russland – und in Höhenlagen oberhalb der Baumgrenze. Rund 5-6 % der Schweiz sind von Permafrost bedeckt. Wir haben Michael Lehning, Leiter des Labors für Kryosphärenwissenschaften der EPFL, gefragt, was der auftauende Permafrost für unser Klima bedeutet.

Was sind die Hauptrisiken, die mit dem Auftauen des Permafrosts verbunden sind?

Das Hauptproblem ist, dass der Permafrost in den Polarregionen riesige Mengen an CO₂ und Methan enthält – zwei starke Treibhausgase. Würden diese Gase freigesetzt, hätte das katastrophale Folgen für das Klima. Aber das ist noch nicht alles: Der polare Permafrost enthält auch Bakterien und Mikroben, die seit Tausenden von Jahren eingefroren sind und möglicherweise wieder auftauchen könnten, sowie grosse Mengen an Quecksilber – wobei die genauen Konzentrationen und die möglichen Auswirkungen noch nicht bekannt sind.

Wie viel CO₂ und Methan könnte freigesetzt werden?

Der polare Permafrost besteht hauptsächlich aus Sümpfen und Torfmooren, in denen der Feuchtigkeitsgehalt hoch ist und Pflanzenmaterial aufgrund der kalten Temperaturen nur sehr langsam zersetzt wird. Dies schafft die perfekten anaeroben Bedingungen für die Kohlenstoffspeicherung. Man schätzt, dass Permafrostböden doppelt so viel CO₂ und Methan enthalten wie die derzeitige Atmosphäre. Sollte dieser grosse Speicher freigesetzt werden, würde dies die globale Erwärmung erheblich beschleunigen. Allerdings verstehen wir die Dynamik, die dabei im Spiel ist, noch nicht vollständig, insbesondere wenn es um natürliche Ausgleichsmechanismen geht. Wir wissen zum Beispiel, dass ein Teil des zusätzlichen CO₂ durch neues Pflanzenwachstum gebunden werden würde – aber wir wissen nicht, wie viel. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge gehen wir davon aus, dass das Schmelzen des Permafrosts die Auswirkungen des Klimawandels generell verstärken wird.

Stimmt es, dass der Permafrostboden schneller auftaut als erwartet?

Ja. Frühe Klimamodelle sagten voraus, dass wir das derzeitige Stadium der Permafrostschmelze nicht vor 2090 erreichen würden! Das zeigt, wie schwierig es ist, die Dynamik des Permafrosts vorherzusagen. Die Unsicherheitsspanne ist viel grösser als bei Gletschern, deren Veränderungen deutlicher sichtbar sind. Die Erforschung des Permafrosts ist wirklich kompliziert – nicht nur, weil sich alles tief unter unseren Füssen abspielt, sondern auch wegen der schieren Grösse der Erdoberfläche, die er bedeckt. Eine an einem Ort entnommene Probe sagt nichts über die Zusammensetzung und Dynamik des Permafrosts insgesamt aus.

Welche Bedrohung stellt dieses Tauwetter für die Alpenregionen dar?

Wenn der Permafrost in hohen Lagen auftaut, kann dies zu einer Instabilität des Bodens führen. Dies wird in der Schweiz von Forschenden genau beobachtet. Es besteht ein Risiko für Bauwerke wie Gebäude, Pipelines, Dämme, Seilbahnstationen und Umspannwerke zum Beispiel. Die gute Nachricht ist, dass wir vor möglichen Katastrophen gewarnt werden, weil wir zum Beispiel Anzeichen von Rissbildung sehen würden. Die Möglichkeit katastrophaler Erdrutsche kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, aber solche Ereignisse werden in der Regel nicht durch das Schmelzen des Permafrosts in hohen Lagen ausgelöst, da in diesen Regionen nur die Oberflächenschicht dauerhaft gefroren ist. Die grösste Gefahr geht von einer Instabilität des Bodens in Verbindung mit intensiveren Niederschlägen aus, da dies zu mehr Erdrutschen und Steinschlägen sowie zu mehr Sedimenten führen könnte, die flussabwärts gelangen und die Flussbetten verschlammen. Dieses Problem würde sich zwar allmählich ausbreiten, aber die Schäden könnten dennoch erheblich sein.

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