Forschung nimmt Grönlands Fjorde unter die Lupe

Das Schweizer Polarinstitut hat eine vierjährige Studie unter Leitung der EPFL lanciert, in der Forschende verschiedener Schweizer Institutionen den Einfluss des Klimawandels auf die Fjord-Ökosysteme Grönlands untersuchen. Mit dabei sind drei Forschungsgruppen der ETH Zürich.
Der Klimawandel verändert die Arktis – im Bild die Ortschaft Nuuk an der Westküste Grönlands – schneller und tiefgreifender als andere Weltregionen. Stark betroffen sind auch die lokalen Gemeinschaften. (Bild: Adobe Stock)

Die Gewässer der Fjordregion im Südwesten Grönlands sind nährstoff- und fischreich. Die Fischerei ist denn auch seit tausenden von Jahren die Haupterwerbsquelle der Menschen. Der Klimawandels verändert dieses Ökosystem jedoch rasant, und diese Dynamik stellt die lokale Bevölkerung vor gewaltige Herausforderungen.

Die Gletscher Grönlands schmelzen rasch und schwemmen dadurch zusätzliche Nährstoffe in die Gewässer, was Algenblüten begünstigt und das marine Ökosystem beeinflusst. Zudem verändern sich die chemische Zusammensetzung und die Wolkenbildungsmechanismen in der Atmosphäre. Wolken jedoch sind von entscheidend für den Strahlungshaushalt an der Oberfläche und die Gletscherschmelze. Kurz: Der Klimawandel wirkt sich auf das gesamte Ökosystem aus. Was also wird in den nächsten Jahren auf Grönland zukommen?

Dies ist eine der vielen Fragen, auf die das Forschungsprogramm «GreenFjord» in den kommenden vier Jahren Antworten finden will. Das Programm wird heute, am 9. März, offiziell gestartet.

Fjord-Ökosysteme gründlich erforschen

Ziel des GreenFjord-Programms ist, das Ökosystem der Fjorde vor dem Hintergrund des Klimawandels besser zu verstehen. Die Forschenden wollen grundlegende Daten liefern, anhand derer die Modelle verbessert werden können, mit denen sie die künftige Entwicklung des regionalen Ökosystems und Klimas vorhersagen. Dabei werden Faktoren wie die Gletscherschmelze ebenso berücksichtigt wie Veränderungen der Nahrungskette und des Kohlenstoffzyklus’.

Die Forschenden werden zudem die lokale Bevölkerung einbeziehen, um zu ergründen, welche Folgen der Klimawandel für ihre Lebensbedingungen hat. Dazu wollen die Forschenden besser verstehen, wie sich die veränderten Kohlenstoff- und Nährstoffzyklen auf die Artenvielfalt in der Atmosphäre, an Land und im Ozean auswirken. Einen Fokus wollen sie auf die Vielfalt der Mikro- und Makrofauna legen. Diese bilden die Basis des Nahrungsnetzes und beeinflussen letztlich, wie sich die Fischbestände künftig entwickeln.

Forschungsleiterin ist Julia Schmale, Assistenzprofessorin der EPFL. Dem Programm werden Forschende der Universität Lausanne, der ETH Zürich, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) sowie der Universität Zürich angehören. Unterstützt werden die Forschenden durch das Swiss Data Science Center.

Von der ETH nehmen Kristy Deiner und Loïc Pellissier aus dem Departement Umweltsystemwissenschaften sowie Lisa Bröder, Oberassistentin am Departement Erdwissenschaften, an «GreenFjord» teil.

Stoffflüsse untersuchen

Bröder leitet den Festland-Cluster. Sie möchte untersuchen, welches und wie viel Material, insbesondere Nährstoffe, Kohlenstoff und Sedimente, über Bäche und Flüsse in die Fjorde gelangen und wie dies die Fjord-Ökosysteme beeinflusst. Auch will sie herausfinden, wie Bodenerosion mineralische Stäube hervorbringt, die wiederum die Wolkenbildung beeinflussen.

Dazu will die Oberassistentin aus der Gruppe von Tim Eglinton einerseits Boden- und Wasserproben sammeln, andererseits auch automatisierte Ganzjahresmessungen der Abflussmengen, Temperatur oder Lichtabsorption durch gelöste organische Materie, durchführen.

«Der Cluster Land ist eng mit den anderen Clustern verknüpft, sodass wir eng und über Disziplinengrenzen hinweg zusammenarbeiten werden. Die interdisziplinäre Forschung ist für mich auch einer der Reize dieses Programms», sagt Bröder.

Mit Umwelt-DNA Nahrungsnetze analysieren

Am Programm beteiligt sind auch die beiden ETH-Umweltforschenden Kristy Deiner und Loïc Pellissier. Gemeinsam bearbeiten sie den Biosphäre-Cluster. Deiner ist Spezialistin für Umwelt-DNA und wird in verschiedenen Lebensräumen – Meer, Boden, Gletscher, selbst in der Atmosphäre - des Untersuchungsgebiets Proben sammeln lassen und diese später im Labor auf die enthaltene DNA analysieren. Damit möchte sie sich ein Bild über die gesamte biologische Vielfalt von Grönlands Fjordwelt verschaffen, von den Mikroben über Pilze und Pflanzen bis hin zu den grossen Meeressäugern.

«Mithilfe der Umwelt-DNA können wir das ganze Nahrungsnetz dieses Ökosystems rekonstruieren», sagt Deiner. Pellissier und seine Mitarbeitenden werden dann aufgrund der DNA-Daten zum Nahrungsnetz landschaftsökologische Modelle erstellen, um eine mögliche Weiterentwicklung der Fjord-Lebensräume in Zukunft einzuschätzen.

 «Die Arktis gehört zu den Regionen der Welt, die sich aufgrund der Klimaerwärmung am schnellsten wandeln. Es ist deshalb extrem spannend herauszufinden, wie sich auch die Biosphäre über die Zeit verändert», sagt Deiner.

Die weiteren vier Cluster sind:

  • Kryosphäre: untersucht das Phänomen der kalbenden Gletscher und dessen Folgen für die marine Dynamik der Fjorde und die Nährstoffzirkulation.
  • Ozean: erkundet physikalische, biogeochemische und mikrobiologische Prozesse in Fjord-Systemen mit Meeres- und Landgletschern. Diese Studien werden von einem Forschungsschiff aus mit hochmodernen Geräten durchgeführt.
  • Atmosphäre: erforscht mit einem Fesselballon Wolkenpartikel marinen und terrestrischen Ursprungs.
  • Menschliche Dimension: bestimmt, wie abhängig die Lokalbevölkerung vom Ökosystem der Fjorde ist, und ermittelt ihre künftigen Bedürfnisse.

«Dies wird das erste Mal sein, dass das gesamte regionale Ökosystem unter Berücksichtigung der menschlichen Dimension erforscht wird», betont Programmleiterin Julia Schmale. «Dies macht unser Projekt einzigartig und ist charakteristisch für unseren Ansatz, eine Vielzahl an wissenschaftlichen Disziplinen miteinander zu verknüpfen.»

Fahrplan für das Forschungsprogramm «GreenFjord»

  • Sommer 2022: Erste Erkundungstouren
  • Sommer 2023 und 2024: Probenahmen in der gesamten Region (Gletscher, Bäche, Aerosole, Boden und Ozean) und Austausch mit Einheimischen.
  • 2025: Auswertungen und Abschluss