Leben in fremden Welten

Gibt es an anderen Orten im Weltall Leben? Gut möglich – auch wenn dieses vielleicht ganz anders aussieht als das auf der Erde. Der Nachweis könnte in absehbarer Zeit gelingen.
Eine künstlerische Darstellung des Extremely Large Telecope (ELT), das derzeit in der chilenischen Atacama-​Wüste gebaut wird. (Bild: ESO/L. Calçada, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Vor 27 Jahren entdeckten Michel Mayor und der heutige ETH-Professor Didier Queloz, damals beide an der Universität Genf, erstmals bei einem sonnenähnlichen Stern einen Planeten. Seither ist viel passiert: Astronominnen und Astronomen haben inzwischen über 5000 Exoplaneten bei mehr als 3700 Sternsystemen ausfindig gemacht, viele davon in einer ähnlichen Grösse wie die Erde. Bedenkt man, dass sich diese Entdeckungen nur auf einen winzig kleinen Bereich des Universums beziehen, scheint die These ziemlich plausibel, dass es ausserhalb unseres Sonnensystems noch an anderen Orten Leben gibt.

Doch eine plausible These reicht in der Wissenschaft bekanntlich nicht. Und so stellen sich viele Forschende die Frage, wie man denn konkret Leben ausserhalb unseres Sonnensystems nachweisen könnte. Ein Schlüssel dazu liegt in der Analyse der Atmosphäre der Exoplaneten. Zumindest bei den grösseren Exemplaren kann man heute anhand der Absorptionslinien im Lichtspektrum des Muttersterns rekonstruieren, welche Moleküle in der Atmosphäre der Planeten vorkommen.

Dabei suchen die Forschenden nicht nur nach Methan, Kohlendioxid, Sauerstoff oder Wasserdampf, sondern sie möchten auch wissen, in welcher Kombination diese Verbindungen vorkommen. «In der Erdatmosphäre finden wir gleichzeitig Methan und Sauerstoff», erklärt Sascha Quanz, Professor für Exoplaneten und Habitabilität an der ETH Zürich. «Dass dieses chemische Ungleichgewicht existiert, dafür sorgen die Lebewesen.» Anders gesagt: Leben verursacht Ungleichgewicht. Würde man in der Atmosphäre eines erdähnlichen Exoplaneten ebenfalls ein chemisches Ungleichgewicht finden, wäre dies ein deutliches Indiz, dass es dort Leben geben könnte.

«Das Leben auf der Erde benötigt Wasser, deshalb sind Orte, an denen es nachweislich Wasser gibt, besonders interessant für uns.»      Judit Szulágyi

Ideal wäre natürlich, wenn man die Exoplaneten nicht nur indirekt beobachten könnte, wenn sie vor dem Mutterstern hindurchziehen, sondern wenn man direkt ein Bild von ihnen machen könnte. Doch das ist eine tückische Angelegenheit, sind die Exoplaneten doch neben ihrem hellen Mutterstern kaum zu sehen. Quanz entwickelt nun zusammen mit anderen Forschenden ein Gerät, das beim Extremely Large Telescope (ELT) zum Einsatz kommen soll. Das ELT wird zurzeit in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut und soll schon bald mit einem Spiegeldurchmesser von 39 Metern die Beobachtungsmöglichkeiten der Astronominnen und Astronomen massiv erweitern. «Mit dem ELT können wir erstmals bei einem nahen Stern einen erd-ähnlichen Planeten direkt abbilden, indem wir das Licht des Muttersterns abdecken», erklärt Quanz.

Immer neue Überraschungen

Doch wo sollen die Forschenden überhaupt nach Leben suchen? Nach welchen Signalen müssen sie Ausschau halten? Hinweise dazu liefern physikalische Modelle, wie sie beispielsweise Judit Szulágyi, Assistenzprofessorin für rechnergestützte Astrophysik, mit ihrer Gruppe entwickelt. Sie rekonstruiert damit, wie bei einem jungen Stern aus der anfänglichen Staub- und Gasscheibe nach und nach Planeten entstehen und welche Objekte man mit den Teleskopen genauer untersuchen sollte. Gravitationskräfte, Gasbewegungen, die Interaktion des Sternlichts mit der Materie sowie Magnetismus sind alles Faktoren, die in diesen Modellen berücksichtigt werden wollen. Rechnet man mit diesen Parametern unzählige verschiedene Kombinationen durch, bekommt man eine Ahnung, wie divers die Planetenwelten im Universum sein könnten.

Dabei zeigt sich allerdings immer wieder, dass die Natur mehr zu bieten hat, als die Modelle voraussagen. So waren beispielsweise bereits die ersten Exoplaneten eine wissenschaftliche Überraschung, wusste man bis dahin doch nicht, dass Riesenplaneten so gross wie Jupiter sehr nahe um ihren Mutterstern kreisen können. Auch die Existenz von sogenannten Supererden, die ebenfalls aus Gestein bestehen, aber rund anderthalbmal so gross sind wie die Erde, hat die Forschenden überrascht. Obwohl sich die Modelle immer wieder als unzutreffend erweisen und sie ihre Berechnungen anpassen muss, freut sich Szulágyi: «Das gibt uns Anlass, unsere Vorstellung immer wieder zu überdenken, wie Planeten entstehen.»

Eine wichtige Frage, die Szulágyi mit ihren Modellen beantworten möchte, ist die Herkunft des Wassers. «Das Leben auf der Erde benötigt Wasser», erklärt sie. «Deshalb sind Orte, an denen es nachweislich Wasser gibt, besonders interessant für uns.» Auch in unserem Sonnensystem gibt es solche Orte, welche die Astronomen in den nächsten Jahren genauer unter die Lupe nehmen wollen, beispielsweise der Jupitermond Europa, auf dem es unter einer dicken Eisoberfläche vermutlich einen Ozean aus Wasser gibt, oder der Saturnmond Enceladus, auf dessen Oberfläche Fontänen aus Eispartikeln beobachtet wurden.

Völlig andere Welten

Hinweise, wie fremde Welten in anderen Planetensystemen beschaffen sein könnten, kommen auch aus der Geologie. Paolo Sossi, Assistenzprofessor für experimentelle Planetologie, untersucht in seinem Labor, aus welchen exotischen Mineralien, Flüssigkeiten und Gasen das Innere und die Atmosphäre von anderen Planeten aufgebaut sind. «In unseren Experimenten simulieren wir ein breites Spektrum an Bedingungen», erklärt er. «Wir können aufzeigen, was sich an der Oberfläche der Planeten abspielt und wie das Innere dieser Himmelskörper beschaffen ist.»

Die Herausforderung dabei ist, dass man gegenwärtig nur ungefähr weiss, wie die Planeten chemisch zusammengesetzt sind. «Eine erste Abschätzung der Zusammensetzung ergibt sich aus dem Lichtspektrum des Muttersterns», erläutert Sossi. «Daraus kann man ableiten, welche Elemente wie häufig vorkommen.» Wie die verschiedenen Elemente dann im Planetensystem um den Stern effektiv verteilt sind, kann man anhand der Massen und der Durchmesser der Planeten sowie aufgrund von Modellrechnungen abschätzen. Dazu ist unser Sonnensystem ein gutes Referenzsystem, weisen doch 60 bis 70 Prozent aller untersuchten Sternsysteme eine ähnliche chemische Zusammensetzung auf. Sossi versucht deshalb, mit numerischen Modellen die Entstehung der Erde und ihrer Nachbarn besser zu verstehen. Daraus kann er dann die Masse, die Anzahl und die Verteilung der Planeten bei anderen Sternen rekonstruieren.

«Wir könnten zum ersten Mal die Frage nach ausserirdischem Leben empirisch beantworten. Das würde unser Weltbild fundamental verändern. Und diese Chance sollten wir ergreifen.»      Sascha Quanz

Allerdings gibt es auch Sterne, die eine ganz andere Zusammensetzung haben als die Sonne. Dort findet man zum Beispiel mehr Kohlenstoff und weniger Sauerstoff. Dementsprechend könnten die Planeten dort aus anderen Mineralien zusammengesetzt sein als beispielsweise unsere Erde. «Silizium- und Titancarbid, aber auch Diamanten könnten bei diesen kohlenstoffreichen Planeten vorherrschende Mineralien sein», sagt Sossi. Und das wiederum hat Auswirkungen auf die Atmosphäre dieser Planeten. So könnte es sein, dass auf solchen Planeten die Regentropfen nicht aus Wasser, sondern aus Graphit bestehen.

Eine langfristige Vision

Letztlich gelingt die Suche nach ausserirdischem Leben nur durch ein Zusammenspiel von verschiedenen Elementen. Beobachtungen mit Teleskopen, Experimente im Labor und numerische Modelle sind sicher wichtige Säulen der Forschung. Doch daneben braucht es auch clevere Algorithmen, die aus dem Wust an Messdaten ein Maximum an wissenschaftlicher Information herausfiltern, sowie Instrumente, welche genau diejenigen Daten liefern, welche die Forschenden benötigen. «Die Instrumentenentwicklung ist für uns Planetenforscher zentral», hält Quanz fest. «Wir müssen als Forschende verstehen, wie die Messgeräte funktionieren, damit wir wissen, welche Informationen wir von ihnen bekommen.»

Und es braucht eine langfristige Perspektive. Quanz denkt daher bereits jetzt einen Schritt weiter. Er leitet eine internationale Initiative, die mit einer der grossen wissenschaftlichen Missionen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in den Jahren 2035 bis 2050 die Suche nach ausserirdischem Leben einen grossen Schritt weiterbringen möchten. «Mit erdgebundenen Teleskopen stossen wir an Grenzen, weil in der Erdatmosphäre alle relevanten Moleküle ebenfalls vorkommen und die Erde eine ähnliche Temperatur hat wie die Exoplaneten, die uns interessieren», erläutert er. «Wenn wir dieses enorme Hintergrundrauschen der Erde überwinden wollen, müssen wir ins All gehen. Nur so können wir Lebensspuren in den Atmosphären von Exoplaneten finden.»

Doch leider lassen sich im All keine so grossen Teleskope installieren wie in der Atacama-Wüste. Quanz und seine Mitstreiter:innen machen deshalb im Projekt «LIFE – Large Interferometer for Exoplanets» einen kühnen Vorschlag: Im Lagrange-Punkt L2, also dort, wo das James-Webb-Teleskop mit spektakulären Aufnahmen für Furore sorgt, sollen vier weitere kleine Teleskope stationiert werden. «Wenn wir die Messsignale von mehreren kleinen Teleskopen miteinander kombinieren, haben wir eine ähnliche Auflösung wie mit einem einzelnen grossen Teleskop», schwärmt Quanz. «Wir können dann erstmals erdähnliche Planeten direkt abbilden und chemisch charakterisieren.»

Bis es soweit ist, muss eine Reihe von anspruchsvollen technischen Aufgaben gelöst werden: Die Teleskope müssen in einer sehr genauen Formation fliegen, die sich je nach Zielobjekt immer wieder ändert; die Messsignale der einzelnen Satelliten müssen sehr präzise synchronisiert werden; und da von den Exoplaneten wenig Licht eintrifft, braucht es extrem empfindliche Sensoren. Und nicht zuletzt ist auch die Energieversorgung ein kritisches Thema, benötigt doch das Neuausrichten der Satelliten viel Treibstoff.

Technisch, so ist Quanz überzeugt, ist das alles machbar. Aber es braucht einen grossen Effort – auch auf der forschungspolitischen Ebene. «Letztlich ist es eine Frage der Priorisierung», erklärt er. «Wir könnten zum ersten Mal die Frage nach ausserirdischem Leben empirisch beantworten. Das würde unser Weltbild fundamental verändern. Und diese Chance sollten wir ergreifen.»

Zu den Personen

Sascha Quanz ist Professor für Exoplaneten und Habitabilität am Departement Physik und Co-​Direktor des Centre for Origin and Prevalence of Life (COPL) der ETH Zürich.

Judit Szulágyi ist Assistenzprofessorin für Rechnergestützte Astrophysik am Departement Physik der ETH Zürich.

Paolo Sossi ist Assistenzprofessor für Experimentelle Planetologie am Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich.

Dieser Text ist in der Ausgabe 22/04 des ETH-​​​​​Magazins Globe erschienen.