Wie Waldbäume die Bodenlebewesen «füttern»

In einem Grossversuch, der an den Verhüllungskünstler Christo erinnert, haben Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ausgewachsenen Föhren markiertes Kohlendioxid (CO2) verabreicht. Damit konnten sie erstmals nachweisen, wie rasch die bei der Fotosynthese hergestellten Zucker zu den Bodenorganismen gelangen und wie Trockenheit die Prozesse behindert.
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Waldbäume geben einen Teil der Zucker, die sie mittels Fotosynthese in den Blättern herstellen, an den Boden ab. Sie ernähren die dortigen Organismen und profitieren wiederum von diesen, etwa indem ihnen das riesige Netzwerks von Wurzelpilzen (Mykorrhiza) hilft, mehr Wasser und Nährstoffe aufzunehmen als mit ihren Wurzeln alleine. Noch weiss man aber wenig darüber, wie sich wandelnde Umweltbedingungen dieses austarierte Zusammenspiel beeinflussen und stören.

Deshalb hat das Team um den Bodenforscher Frank Hagedorn 2017 an einem Grossversuch der WSL mitgewirkt, mit dem sich die Pfade des aufgenommenen Kohlenstoffs im Baum und seinem Umfeld nachvollziehen lassen. Denn Kohlenstoff ist nicht nur der wichtigste Baustein für sämtliche lebende Materie, sondern auch das «C» in CO2, jenem Gas, das sowohl die «Grundnahrung» der Bäume ist als auch ein wesentlicher Verursacher des Klimawandels. Wälder gelten deshalb als wichtige Speicher für klimawirksames CO2.

Für das weltweit erstmalige Experiment haben die Forschenden im Pfynwald (VS) zehn 100-jährige Föhren von rund zwölf Metern Höhe in riesige Plastiksäcke eingepackt und sie dann während drei Stunden mit einer Variante von CO2 «gefüttert», einem sogenannten Isotop, das schwerer ist als das CO2 in der Luft. Dieses ist komplett unschädlich, erlaubt es aber noch Jahre später, die Herkunft des Kohlenstoffs nachzuweisen – eine Methode, die erst seit rund einem Jahrzehnt anwendbar ist.

In nur vier Tagen im Wurzelraum

Bereits nach vier Tagen konnten Hagedorn und seine Mitforschenden die ersten «schweren» Zucker im Boden nachweisen, berichten sie im Fachjournal Global Change Biology. Das mit Baumzuckern versorgte Gebiet im Boden war dreimal grösser als die von der Baumkrone überdeckte Fläche, ein Hinweis auf die Grösse des unterirdischen Netzwerks. Über ein ganzes Jahr hinweg waren die schweren Kohlenstoff-Varianten im Boden noch zu finden.

«Damit konnten wir erstmals belegen, dass die Bäume die Zucker, die bei der Fotosynthese von den Blättern gebildet werden, zwischenlagern und erst mit der Zeit zum Bau von Holzzellen verwenden oder durch die Wurzeln in den Boden abgeben», sagt Hagedorn. «Das ist wichtig zu wissen, denn die Bäume ernähren mit diesen Zuckern einen grossen Teil des Bodenlebens.» Insgesamt wird etwa ein Drittel des aufgenommenen CO2 in den Boden verlagert, von den Organismen dort verbraucht und teilweise wieder als CO2 abgegeben.

Bodenlebewesen in «Trockenstarre»

Trockenheit reduzierte die Menge und die Ausbreitung der von Bäumen abgegebenen Zucker im Boden deutlich. Jeweils die Hälfte der mit CO2 begasten Föhren wird seit 2003 bewässert, die andere ist der natürlichen Trockenheit im Wallis ausgesetzt. Mit dem Experiment wiesen die Forschenden auch nach, dass Föhren unter Trockenheit ein um 50 Prozent kleineres unterirdisches Netzwerk aufbauten als solche, die optimal mit Wasser versorgt waren. Damit können trockengestresste Föhren auch in guten Zeiten weniger Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen, was ihr Wachstum noch weiter einschränkt.

Zudem zeigte sich, dass die unterirdische Lebensgemeinschaft bei starker Trockenheit inaktiv ist und sich in einer Art Trockenheitsschlaf befindet. Dadurch stehen den Bäumen weniger Wasser und Nährstoffe zur Verfügung, was ihr Wachstum hemmt. «Der unterirdische Zustand steuert, was oberirdisch geschieht», ist Hagedorns Schlussfolgerung. Das könnte bedeuten, dass das Waldökosystem bei zunehmender Trockenheit weniger CO2 speichern kann, was bei Prognosen zu den Effekten des Klimawandels berücksichtigt werden sollte, so sein Fazit.