Wie lassen sich invasive Arten rasch entdecken?

Monitoring von Süsswasser-Ökosystemen mittels Umwelt-DNA-Methoden bietet neue Möglichkeiten, um invasive Arten zu entdecken. Eine Untersuchung der Eawag konnte damit zeigen, dass eine invasive Qualle in der Schweiz verbreiteter ist als bisher angenommen.
Mittels Umwelt-DNA konnten Forschende der Eawag zeigen, dass die invasive Süsswasserqualle Craspedacusta sowerbii in der Schweiz verbreiteter ist an angenommen. (Foto: Wikimedia / CrazyBiker 84 / Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported lice

«Ich hätte nie gedacht, dass die Art so weit verbreitet ist», sagt Rosetta Blackman, Postdoktorandin am Wasserforschungsinstitut Eawag. Die Rede ist von Craspedacusta sowerbii, einer kleinen, für den Menschen ungefährlichen Süsswasserqualle. Sie stammt ursprünglich aus dem Einzugsgebiet des chinesischen Jangtse-Flusses und gilt in der Schweiz als invasive Art. Zwar wusste man, dass die Qualle auch in der Schweiz vorkommt – unbekannt war jedoch bisher die grosse Verbreitung der Art. Dies, obwohl in den Schweizer Gewässern regelmässig nach invasiven Arten gesucht wird.

Der Grund, warum die Forschenden die Qualle nun doch in vielen Einzugsgebieten der Schweizer Flüsse nachweisen konnten, liegt daran, dass sie eine neue Methode eingesetzt haben: die Bestimmung der sogenannten Umwelt-DNA («environmental DNA»; eDNA). Dabei wird DNA aus Wasserproben extrahiert, um daraus auf die Biodiversität im Gewässer zu schliessen. Dieser Ansatz könnte sich künftig als komplementäre Methode zum traditionellen Monitoring invasiver Arten etablieren, so Blackman.

Regelmässiges Monitoring der Gewässer

Invasive, also gebietsfremde Arten sind ein Problem für Ökosysteme, da sie einheimische Arten verdrängen können. Deshalb ist es wichtig, ihre Anwesenheit möglichst früh zu erkennen, damit schnell Massnahmen ergriffen werden können, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. In der Schweiz führen das BAFU und die Kantone zu diesem Zweck regelmässig Monitorings in den Gewässern durch. Traditionell geschieht dies mit Methoden wie Elektrofischerei oder Kicknetz-Sampling.

Letzteres kommt zum Beispiel bei Makroinvertebraten zum Einsatz: Das sind mit blossem Auge sichtbare, wirbellose Kleinlebewesen wie Käfer, Schnecken und Krebse sowie die Larven von Eintags-, Stein- oder Köcherfliegen. In den Schweizer Gewässern leben hunderte Arten von Makroinvertebraten, rund 50 davon sind gebietsfremd. Beim Kicknetz-Sampling wird das Substrat des Flusses oder Sees aufgewühlt; die im Substrat lebenden Organismen treiben mit der Strömung davon und werden mit dem Netz aufgefangen. Die Arten werden dann im Feld oder im Labor unter dem Mikroskop bestimmt.

Organismen geben ständig DNA in die Umwelt ab

Bei der Umwelt-DNA-Methode, die seit einigen Jahren entwickelt und getestet wird, nimmt man eine Wasserprobe und untersucht sie im Labor auf DNA-Fragmente der Wasserbewohner. Dies funktioniert, weil alle Organismen ständig ihre DNA in die Umwelt abgeben – sei es etwa in Form von Hautzellen, Schuppen, Urin oder Kot. Dank der PCR-Methode können auch noch die kleinsten Mengen DNA nachgewiesen werden. Die Eawag gehört zu den führenden Zentren bei der Erforschung und Entwicklung dieser Methode.

In Zusammenarbeit mit dem BAFU, der ETH Zürich, der Universität Zürich und dem Kompetenzzentrum für angewandte Gewässerökologie haben die Eawag-Forschenden nun verglichen, wie gut sich mit den beiden Methoden Kicknetz-Sampling und Umwelt-DNA invasive Makroinvertebraten in Schweizer Gewässern nachweisen lassen.

Früherkennung gebietsfremder Arten

Dabei zeigte sich: Nur die Umwelt-DNA-Methode war in der Lage die Süsswasserqualle Craspedacusta sowerbii nachzuweisen, die aufgrund ihrer versteckten Lebensweise im Kicknetz nicht erfasst werden konnte – trotz ihrer Häufigkeit. Insgesamt erwies sich die traditionelle Methode aber noch als zuverlässiger und konnte deutlich mehr Arten nachweisen.

«Gemeinsam eingesetzt, liefern uns die beiden Methoden ein nuanciertes und robustes Bild», sagt Florian Altermatt, der Leiter des Projekts und Professor an der Universität Zürich. Das Monitoring via Umwelt-DNA könnte einfach in das nationale Routine-Monitoring aufgenommen werden, so Altermatt. «Dies wäre eine wichtige Erweiterung, insbesondere für die Früherkennung gebietsfremder Arten.»

Das grosse Potenzial von Umwelt-DNA sieht Altermatt einerseits darin, dass die Methode einfach skalierbar ist und sich viele Proben gleichzeitig analysieren lassen, womit auch die Wahrscheinlichkeit steigt, invasive Arten frühzeitig zu erkennen. Andererseits eigne sie sich besonders für verborgen lebende Arten wie die erwähnte Süsswasserquelle oder für neue invasive Arten. «Mit traditionellen Methoden wird oft übersehen, wonach nicht gesucht wird, während der eDNA-Ansatz auch solche ‘unerwarteten’ Arten entdecken kann», ergänzt Blackman.

Aus diesem Grund wollen die Forschenden die Methode in den nächsten Jahren weiter verfeinern, um mit dem Kicknetz-Sampling vergleichbare Resultate zu erreichen. Die Gruppe von Florian Altermatt hat die Standardisierung der eDNA-Methode in der Schweiz mitgeleitet (siehe BAFU Methodenanleitung) und arbeitet international mit anderen Forschenden zusammen (z.B. im Rahmen des Forschungsprogramms COST Action DNAqua-Net), um dies auf europäischer Ebene zu erreichen.

Welchen Effekt nun die gefundene Süsswasserqualle auf die Ökosysteme hat, ist noch nicht klar. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass sie kein allzu grosses Problem darstellen dürfte. Da sich die Quallen jedoch von Zooplankton ernähren, muss die Art trotzdem genau beobachtet werden, um mögliche Einflüsse auf das aquatische Nahrungsnetz erkennen zu können, vor allem, wenn sie in grosser Zahl auftritt. «Umwelt-DNA wäre die geeignete Methode dazu», resümiert Blackman.