Zentralisierte Datenbank um Korallenriffe besser zu verstehen

Korallenriffe sind durch den Klimawandel und menschliche Aktivitäten zunehmend bedroht. Deshalb ist es wichtiger denn je, ihre Stärken und Schwächen zu verstehen. Ein Team von EPFL-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern hat nun mit der neuen, frei zugänglichen RECIFS-Datenbank über Riffumgebungen einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan.
Luftaufnahme des Great Barrier Reefs in Australien. © iStock

Das Reef Environment Centralized InFormation System (RECIFS) ist eine Webanwendung, die alle derzeit verfügbaren Datensätze über Riffumgebungen weltweit in einem einzigen Repository zusammenfasst. RECIFS wurde von Forschenden der EPFL und der ENTROPIE-Forschungsgruppe für Meeresökologie im Pazifischen und Indischen Ozean entwickelt und ermöglicht ihnen, verschiedene Datensätze zu vergleichen und wichtige Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich Korallen an den Klimawandel und an die vom Menschen verursachten Stressfaktoren anpassen können – oder eben nicht.

Die über RECIFS bereitgestellten Datensätze stammen aus dem öffentlichen Bereich und enthalten fast vier Jahrzehnte an Umweltmessungen, einschliesslich physikalischer Eigenschaften (wie Wassertemperatur, Hitzewellen und Meeresströmungsgeschwindigkeit) und chemischer Eigenschaften (wie Chlorophyllkonzentration, Salzgehalt und pH-Wert). Anhand dieser Daten lassen sich Hypothesen darüber aufstellen, wie bestimmte Umweltvariablen die Dynamik der Riffökosysteme beeinflussen, und als Reaktion darauf wirksame Erhaltungsstrategien entwickeln. RECIFS enthält auch Daten über menschliche Aktivitäten in der Nähe von Korallenriffen, wie z. B. den Schiffsverkehr (der eine Quelle der Verschmutzung darstellt), nahe gelegene Städte und deren Bevölkerungsdichte (was ein Anzeichen für Überfischung sein kann) und die landwirtschaftliche Nutzung (die auf den Abfluss von Düngemitteln ins Meer hinweisen kann). RECIFS wurde kürzlich in einem Artikel in der Zeitschrift Global Ecology and Biogeography vorgestellt .

Dichte des Schiffsverkehrs bei den Korallenriffen im Roten Meer © GEOME, LGB, EPFL

Identifizierung unumkehrbarer Prozesse

«Durch die Schaffung eines einzigen Speichers können wir die Faktoren identifizieren, die in der Vergangenheit irreversible Prozesse wie die durch Hitzewellen verursachte Korallenbleiche ausgelöst haben», sagt Oliver Selmoni, der Hauptautor der Studie, der an der EPFL in Umwelttechnik promoviert hat. «Wir können auch untersuchen, warum einige Korallenriffe widerstandsfähiger gegen diese Auswirkungen sind und bei Bedarf Meeresschutzgebiete einrichten.» Selmoni, der für seine Korallenforschung mit dem Chorafas-Preis 2020 ausgezeichnet wurde, verweist auf die Schäden, die durch die aufeinanderfolgenden Hitzewellen der letzten 20 Jahre verursacht wurden, als Folge des Klimawandels: «Wie viele Hitzewellen müssen auftreten und wie stark müssen sie sein, damit sich die Korallen anpassen können und nicht zugrunde gehen? Stärkt die lokale Wasserverschmutzung die Riffökosysteme oder macht sie sie im Gegenteil noch anfälliger? Das sind die Fragen, die wir mit dem RECIFS-Repository beantworten können», sagt Selmoni. Diese Fragen sind besonders dringlich, wenn man bedenkt, dass in den letzten 10 Jahren weltweit 14 % der Steinkorallen verloren gegangen sind, was hauptsächlich auf anomale Hitzewellen zurückzuführen ist.


Verschiedene Arten von karibischen Korallen vor der Küste von Belize © iStock

Zwei Anwendungsbeispiele

Die Forschung wurde von der Forschungsgruppe Geospatial Molecular Epidemiology (GEOME) des Labors für Biologische Geochemie der EPFL geleitet. In dem kürzlich veröffentlichten Zeitschriftenartikel geben die Forschenden zwei Beispiele dafür, wie RECIFS eingesetzt werden kann. Im ersten Fall geht es um die Charakterisierung der Korallenvielfalt in der Karibik auf der Grundlage eines Datensatzes, der die Ergebnisse fotografischer Untersuchungen von Riffen in diesem Gebiet enthält. Die Autorinnen und Autoren der Studie haben die 302 in RECIFS enthaltenen Umweltvariablen ausgewertet, um die spezifischen Umweltfaktoren zu ermitteln, die die Unterschiede in der Korallenvielfalt in verschiedenen Teilen der Karibik erklären können – oder anders gesagt, warum die Korallenriffe in einigen Teilen der Karibik vielfältiger sind als in anderen.

Stripey Snapper (Lutjanus carponotatus), ein Fisch von der Nordwestküste Australiens © Fish of Australia (CC)

Das zweite Beispiel betrifft den Schutz des Stripey Snapper, eines Fisches, der in Riffen an der Nordwestküste Australiens laicht. Hier nutzten die Studienautoren einen Satz vorhandener Genomikdaten von 1.016 Stripey Snapper-Individuen, um genetische Marker aufzuspüren, die auf eine verbesserte Fähigkeit zur Anpassung an lokale Klimabedingungen hinweisen könnten. Eine Analyse der 302 Umweltvariablen ergab, dass die in der Shark Bay lebenden Fische offenbar eine aussergewöhnliche Anpassungsfähigkeit sowohl gegenüber thermischem Stress als auch gegenüber Schwankungen der Phosphatkonzentration aufweisen.

Selmoni hatte die Idee zu RECIFS, nachdem er im Rahmen seiner Doktorarbeit an der EPFL School of Architecture, Civil and Environmental Engineering (ENAC) Korallenriffe in Neukaledonien, im Roten Meer und im Indischen Ozean untersucht hatte. Ziel ist es, Forschenden und Naturschutzakteuren einen einfachen, offenen Zugang zu den Umweltdaten zu ermöglichen, die sie für den Schutz der Korallenriffe benötigen. Das Repository wird jährlich aktualisiert und kann weiter ausgebaut werden.