Biosensor entdeckt Proteine der neurogenerativen Krankheiten

Forschende der EPFL stellen das hochmultidisziplinäre, KI-gestützte Biosensing-Tool ImmunoSEIRA zum Nachweis fehlgefalteter Proteine vor, die mit der Parkinson- und Alzheimer-Krankheit in Zusammenhang stehen.
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© 2023 EPFL / Veuillet & Mitchell

Durch die Kombination mehrerer fortschrittlicher Technologien in einem einzigen System haben EPFL-Forschende einen bedeutenden Fortschritt bei der Diagnose von neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer erzielt. Es handelt sich dabei um den ImmunoSEIRA-Sensor, eine Biosensortechnologie, die den Nachweis und die Identifizierung von fehlgefalteten Protein-Biomarkern ermöglicht, die mit neurodegenerativen Krankheiten in Verbindung stehen. Die in Science Advances veröffentlichte Forschungsarbeit nutzt auch die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz (KI), indem sie neuronale Netze zur Quantifizierung von Krankheitsstadien und -verläufen einsetzt. Dieser bedeutende technologische Fortschritt ist nicht nur für die Früherkennung und Überwachung von neurodegenerativen Erkrankungen vielversprechend, sondern auch für die Bewertung von Behandlungsmöglichkeiten in verschiedenen Stadien des Krankheitsverlaufs.

Die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen stellt eine grosse Herausforderung dar, da es an wirksamen Diagnosemethoden zur Früherkennung und Überwachung des Krankheitsverlaufs mangelt. Die Fehlfaltung von Proteinen, ein häufiger Mechanismus bei der Neurodegeneration, wurde als Schlüsselereignis beim Fortschreiten der Krankheit identifiziert. Es wird angenommen, dass sich gesunde Proteine in frühen Stadien zunächst zu Oligomeren und in späteren Krankheitsstadien zu Fibrillen fehlfalten. Diese fehlgefalteten Proteinaggregate zirkulieren im Gehirn und in den Bioflüssigkeiten und lagern sich auch in den Gehirnen verstorbener NDD-Patienten ab. Die Entwicklung von Instrumenten zur Erkennung dieser verräterischen Krankheitsanzeichen – so genannter Biomarker – war bisher jedoch nicht möglich. Die Hürden für eine genaue Erkennung sind vielfältig, unter anderem stößt die derzeitige Technologie an ihre Grenzen, wenn es darum geht, verschiedene Proteinaggregate genau zu trennen und zu quantifizieren.

Die Kombination mehrerer fortschrittlicher Technologien in einem Sensor

Um diesen fortschrittlichen NDD-Biomarker-Sensor zu entwickeln, haben die Forschenden des Labors für bionanophotonische Systeme (BIOS) von Professor Hatice Altug und des Labors für molekulare Neurobiologie und Neuroproteomik (LMNN) von Professor Hilal Lashuel mehrere Wissenschaftsbereiche miteinander kombiniert: Proteinbiochemie, Optofluidik, Nanotechnologie und künstliche Intelligenz (KI). «Im Gegensatz zu den derzeitigen biochemischen Ansätzen, die sich auf die Messung der Konzentrationen dieser Moleküle stützen, konzentriert sich unser Ansatz auf den Nachweis ihrer abnormen Strukturen. Mit dieser Technologie können wir auch zwischen den beiden wichtigsten abnormen Formen unterscheiden, die bei der Entstehung und dem Fortschreiten von NDD eine Rolle spielen: Oligomere und Fibrillen», sagt Lashuel.

Der ImmunoSEIRA-Sensor nutzt eine Technologie namens oberflächenverstärkte Infrarotabsorptionsspektroskopie (SEIRA). Mit dieser Methode können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Formen bestimmter krankheitsassoziierter Moleküle, so genannter Biomarker, die mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung stehen, aufspüren und analysieren. Der Sensor ist mit einem einzigartigen Immunoassay ausgestattet, der wie ein molekularer Detektiv funktioniert und diese Biomarker mit hoher Präzision identifiziert und erfasst.

«In unserer Arbeit stellen wir eine technologische Lösung vor, die Nanoplasmik, Reinraum-Nanofabrikation, Mikrofluidik, Immunoassay, künstliche Intelligenz und fortschrittliche biochemische Methoden integriert», sagt Deepthy Kavungal, Doktorand und Hauptautor der Arbeit, «Unser ImmunoSEIRA-Sensor weist eine strukturelle Empfindlichkeit auf und ist in der Lage, eine Reihe von komplementären Biomarkern mit hoher Spezifität aus kleinen Probenmengen in komplexen Biomatrices zu überwachen.»

Die Kombination von Nanotechnologie und künstlicher Intelligenz

Der ImmunoSEIRA-Sensor besteht aus Goldnanoröhrchen-Arrays mit Antikörpern zum spezifischen Nachweis von Proteinen. Er ermöglicht die spezifische Erfassung und Strukturanalyse von Ziel-Biomarkern aus extrem kleinen Proben in Echtzeit. Neuronale Netze, eine Untergruppe von KI-Algorithmen, werden dann eingesetzt, um das Vorhandensein spezifischer fehlgefalteter Proteinformen, der oligomeren und fibrillären Aggregate, zu identifizieren, wodurch ein bisher unerreichtes Mass an Nachweisgenauigkeit beim Fortschreiten der Krankheiten erreicht wird. Lashuel hält dies für einen bedeutenden Fortschritt in der Krankheitserkennung und fügt hinzu: «Da der Krankheitsprozess eng mit Veränderungen der Proteinstruktur verbunden ist, glauben wir, dass strukturelle Biomarker, insbesondere wenn sie mit anderen biochemischen und Neurodegenerations-Biomarkern integriert werden, den Weg für eine präzisere Diagnose und Überwachung des Krankheitsverlaufs ebnen könnten.»

Das EPFL-Forschungsteam ging noch einen Schritt weiter und zeigte, dass der ImmunoSEIRA-Sensor in realen klinischen Situationen, d. h. in Bioflüssigkeiten, eingesetzt werden kann. Sie waren in der Lage, die spezifische Signatur abnormaler Fibrillen, ein Schlüsselindikator für neurodegenerative Erkrankungen, selbst in komplexen Flüssigkeiten wie menschlicher Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) genau zu identifizieren. Professor Altug erklärt, dass der nächste Schritt mit dieser neuen Technologie darin besteht, «ihre Möglichkeiten weiter auszubauen und ihr diagnostisches Potenzial bei der Parkinson-Krankheit und der wachsenden Zahl von Krankheiten, die durch Proteinfehlfaltung und -aggregation verursacht werden, zu bewerten».

Die Ergebnisse dieser Studie stellen einen bedeutenden Fortschritt in den Bereichen Biosensorik, Infrarotspektroskopie, Nanophotonik und Biomarker für neurodegenerative Krankheiten dar. Der Einsatz des KI-gestützten ImmunoSEIRA-Sensors ist ein willkommener Fortschritt für die frühzeitige Erkennung von neurodegenerativen Erkrankungen, die Krankheitsüberwachung und die Bewertung der Wirksamkeit von Arzneimitteln, um den kritischen Bedarf an rechtzeitiger Intervention und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen zu decken.