PSI

Bildgebung auf der nächsten Stufe

Sie heissen Marianne Liebi und Adrian Wanner. Zwei junge Forschende, die die Nanostruktur von makroskopischen Proben wie Knochen oder Gehirngewebe über hochauflösende Bilder dreidimensional sichtbar machen. Dies geschieht durch Messdaten, die sie mit Röntgenlicht an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des PSI gewinnen und, aufwändig computertechnisch aufbereitet, zur Bildgebung verwenden.
«Imaging at the Next Level – Bildgebung auf der nächsten Stufe»: So nennen Mariannne Liebi (rechts im Bild) und Adrian Wanner vom PSI ihre Ambition, neue hochaufgelöste Visualisierungen von makroskopischen Proben zu entwickeln. (© ETH-Rat / Kellenberger Photographie)

Zwei Forschende, ein Interesse: Beide wollen sie den Aufbau von Proben, die mehrere Millimeter oder gar Zentimeter gross sind, dreidimensional mit einer Auflösung von wenigen millionstel Millimetern untersuchen und vor allem über Bildgebung sichtbar machen. Beide wurden sie mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet und können so ihre eigene Forschungsgruppe aufbauen und entwickeln.

Die eine: Marianne Liebi, Assistenz-Professorin an der EPFL und Gruppenleiterin am PSI, promovierte in Lebensmittelwissenschaften an der ETH Zürich und erhielt zudem im vergangenen Jahr den internationalen Innovationspreis des Freundeskreises des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB). Ausgezeichnet wurde ihre Erfindung der Kleinwinkelstreuungstensor-Tomographie (SASTT), mit der sie ein Problem gelöst hat, das Biologen wie auch Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler umtreibt: Wie lassen sich Nanostrukturen in makroskopischen Proben in 3D charakterisieren? Seither entwickelt Liebi ihre Methodik stetig weiter und forscht auch an biologischen Proben wie etwa Knochen. Der andere: Adrian Wanner, interdisziplinärer Naturwissenschaftler mit Schwerpunkten in theoretischer Physik und Neuroinformatik, promovierte in Neurobiologie und ist ebenfalls Gruppenleiter am PSI. Dort erforscht Wanner Anwendungen der Synchrotron-Bildgebung zur Rekonstruktion der synaptischen Verknüpfungen zwischen hunderttausenden von Nervenzellen im Gehirn. 

Visualisierungen von makroskopischen Strukturen im Nanobereich

«Imaging at the Next Level – Bildgebung auf der nächsten Stufe» so nennen die beiden Forschenden ihre Ambition, neue Visualisierungen von makroskopischen Strukturen im Nanobereich zu entwickeln und über komplexe Bildgebungsverfahren ihre Wissenschaft voranzubringen. «Die Methodenentwicklung war der Grundstein meiner wissenschaftlichen Karriere», sagt Liebi. Es begann damit, dass sie winzige Fasern von Knochen, sogenannte Kollagenfibrillen, untersuchte, deren Ausrichtung an verschiedenen Stellen eines Knochens variiert und die für die mechanische Stabilität der Knochen entscheidend sind. Mit der klassischen Computertomographie liess sich jedoch nur die Knochendichte bestimmen, nicht jedoch die aussagekräftigere örtliche Ausrichtung und Nanostruktur.

Um zu Daten für eine dreidimensionale Bildgebung zu kommen, wurde ein Knochenstück an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) des PSI mit extrem feinem und intensivem Röntgenstrahl durchleuchtet. «Dieser Strahl rastert über die Probe und vermisst sie so Punkt für Punkt», sagt Liebi, «dadurch kann an jedem Messpunkt die lokale Nanostruktur bestimmt werden.» Daraus resultiert eine immense Menge an Daten, die dann über einen von Liebi aufwändig entwickelten mathematischen Algorithmus zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt werden, das Auskunft über Dichte und Orientierung der Fibrillen gibt.

«Wir wollen verstehen, wie die Nervenzellen im Gehirn miteinander verknüpft sind und wie sie Informationen verarbeiten»      Adrian Wanner, Gruppenleiter am PSI

Was mit Knochen funktioniert, funktioniert in ähnlicher Weise auch bei Hirngewebe, an dem Wanner forscht. «Wir wollen verstehen, wie die Nervenzellen im Gehirn miteinander verknüpft sind und wie sie Informationen verarbeiten», umreisst Wanner die Zielsetzung. Die «Kabel» der Nervenzellen verästeln sich im ganzen Gehirn und verbinden sich dabei über Zehntausende Synapsen mit anderen Gehirnzellen. Diese Verbindungen und damit die Kommunikation zwischen Nervenzellen sind bei einer Vielzahl von Gehirnerkrankungen gestört oder defekt. Um zu verstehen, wie der Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen im gesunden und im kranken Gehirn funktioniert, misst er in einem ersten Schritt die Aktivitäten der Nervenzellen und analysiert anschliessend mihilfe des Röntgenlichts an der SLS die neuronalen Strukturen der Probe aus Gehirngewebe bis in die kleinsten Verästelungen hinein.

Das Resultat ist eine gewaltige Menge von experimentellen Daten, die dann unter Einsatz von künstlicher Intelligenz zu einem Schaltplan der synaptischen Verknüpfungen im Gehirn zusammengesetzt werden. Damit sollen die Synapsen und ihr Zusammenspiel sichtbar gemacht werden, um «neue Einsichten in den Kommunikationsschaltplan und die Funktion des Gehirns zu gewinnen», erhofft sich der Wissenschaftler durch seine Forschung

Grundlage für das Verständnis verschiedener Krankheiten

Liebi und Wanner sind beides Grundlagenforschende. Für Liebi steht neben der experimentellen Forschung an Proben die Weiterentwicklung ihrer Methodik im Vordergrund, die sie auch für andere Wissenschaftszweige nutzbar machen will. Wanner will grundlegend neue Erkenntnisse über den Aufbau und die Funktionsweise des gesunden und des kranken Gehirns gewinnen. Ihre Forschung bildet eine wichtige Grundlage für das Verständnis verschiedener Krankheiten wie Osteoporose oder Alzheimer und anderer neurogenerativer Erkrankungen.