EPFL Carbon Team will CO2 mit Sieben und Schwämmen abfangen

Das Studierendenteam arbeitet an einem einzigartigen Prototyp, der Graphenmembranen in Kombination mit einem porösen, schwammartigen Material verwendet, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu gewinnen. Die Technologie wird bald auf einem EPFL-Campus getestet, wobei das abgeschiedene CO2 zur Herstellung von kohlensäurehaltigem Wasser verwendet wird.
Das Studententeam arbeitet an einem einzigartigen Prototyp, bei dem Graphenmembranen mit einem porösen, schwammartigen Material kombiniert werden. ©Alain Herzog/EPFL

Im Jahr 2021 rief Elon Musk den XPRIZE-Wettbewerb zur Kohlenstoffentfernung ins Leben, bei dem ein Preisgeld von 100 Millionen Dollar für die vielversprechendste Technologie zur Kohlenstoffentfernung ausgelobt wurde, darunter 50 Millionen Dollar für die effektivste und kostengünstigste Innovation.

«Der Wettbewerb hat uns wirklich angespornt», sagt Karl Khalil, Gründer und Leiter des EPFL Carbon Teams, «wir haben an der Ausschreibung vom Februar 2022 teilgenommen, als wir gerade dabei waren, das Projekt auf die Beine zu stellen. Unsere Technologie kam unter die besten 60, obwohl wir es nicht unter die letzten 15 schafften. Aber als studentisches Team, das gerade erst gegründet worden war, haben wir das als grossen Erfolg verbucht.»

Das EPFL Carbon Team wurde im Rahmen des MAKE-Programms der Schule gegründet. Die rund 30 Studierenden, die alle Fakultäten vertreten, haben ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollen eine Maschine bauen, die CO2 aus der Luft entfernen kann, und ihre Maschine dann auf einem EPFL-Campus installieren. Der Wettlauf um die Entwicklung von Technologien zur CO2-Abscheidung stösst auf grosses Interesse, wie die über 1000 Teilnehmenden am XPRIZE Carbon Removal zeigen. Doch das EPFL-Studierendenteam betritt Neuland, indem es zwei bahnbrechende Technologien kombiniert, die am Walliser Campus der Hochschule entwickelt wurden.

Alle Vorteile ohne die Nachteile

Der Ansatz des Teams zielt darauf ab, alle Vorteile der beiden Technologien zu nutzen und gleichzeitig ihre Nachteile zu vermeiden. Bei der ersten Technologie wird ein Adsorptionspulver verwendet, das im Labor für funktionelle anorganische Materialien (LFIM) unter der Leitung von Prof. Wendy Queen entwickelt wurde. Die Substanz wirkt wie ein Schwamm, der CO2 aus der Luft aufnimmt, wenn es ihn durchdringt. Das Pulver wird dann erhitzt, um den eingeschlossenen Kohlenstoff freizusetzen.

«Durch die Kombination dieser beiden Ansätze können wir die Kosten der Kohlenstoffabscheidung erheblich senken.»      Prof. Wendy Queen, Leiterin des Labors für funktionelle anorganische Materialien

Die zweite Technologie wurde von Prof. Kumar Agrawal entwickelt, der den Gaznat-Lehrstuhl für fortgeschrittene Trennverfahren innehat und der wissenschaftliche Berater des Teams ist. Sein Labor entwirft poröse, atomar dicke Graphenmembranen, die wie Siebe wirken und nur CO2 aus dem Gemisch von CO2 und N2 durchlassen: «Unsere Technologie basiert auf der relativen Molekülgrösse», erklärt er, «durch einen chemischen Prozess stechen wir winzige, CO2-grosse Löcher in die Graphenschicht. CO2 kann durch diese Löcher hindurchgehen, nicht aber N2, das ein grösseres Molekül ist.»

Der Vorteil von Prof. Queens Technologie besteht darin, dass sie CO2 selbst bei niedrigen Konzentrationen einfangen kann. Da das Pulver jedoch erhitzt werden muss, um CO2 freizusetzen, ist der Prozess energieintensiv. Ausserdem beschädigt die Hitze das Adsorptionspulver, das in regelmässigen Abständen ausgetauscht werden muss. Die Technologie von Prof. Agrawal hingegen verbraucht sehr wenig Energie, funktioniert aber nur bei relativ hohen CO2-Konzentrationen effizient. Im Grossen und Ganzen besteht das Konzept des Studierendenteams darin, «CO2-angereicherte» Luft mit einem nur mässig starken Adsorptionspulver aufzubereiten und diese Luft dann durch die Membranen zu leiten, die bei höheren Konzentrationen effizienter arbeiten: «Durch die Kombination dieser beiden Ansätze können wir die Kosten für die Kohlenstoffabscheidung erheblich senken», so Prof. Queen.

«Bei den MAKE-Projekten geht es um die Ausbildung der nächsten Generation von umweltbewussten Wissenschaftlern, Managerinnen und Führungskräften.»      Prof. Kumar Agrawal, Gaznat-Lehrstuhl für fortgeschrittene Trennverfahren

«Es ist wirklich aufregend, mit Studierendengruppen zu arbeiten, die so motiviert sind, einen positiven Einfluss auf die Welt zu nehmen», fährt Prof. Queen fort, «sie gehen unvoreingenommen an die Technologie heran, während mein eigenes Denken durchaus von meinen eigenen Erfahrungen gefärbt sein könnte. Ihr Ansatz eröffnet neue Möglichkeiten für das Testen von Materialien und für die Forschung im Allgemeinen.» Und Prof. Agrawal fügt hinzu: «Bei MAKE-Projekten geht es darum, die nächste Generation umweltbewusster Forschender, Managerinnen und Führungskräfte auszubilden. Die Studierenden krempeln die Ärmel hoch, lernen technologiebezogene Herausforderungen kennen und entwickeln in einem Prozess von Trial and Error einen Prototyp.»

Herstellung von kohlensäurehaltigem Wasser

Prof. Agrawal ist erfreut über die Fortschritte, die das Team in den letzten zwei Jahren gemacht hat. Die Studierenden haben bereits den Konzeptnachweis für ihren Entwurf erbracht, und die Ergebnisse der gross angelegten Simulationen sind vielversprechend. Sie haben auch einen Prototyp gebaut, der nun getestet werden muss. Eine der grössten Herausforderungen für das Team war die Skalierung: «Im Labor arbeiten wir im Zentimeter-Massstab», sagt Prof. Agrawal, «wir mussten Membranen im Meter-Massstab bauen und sie dann auf die zehnfache Grösse vergrössern, um sie für reale Anwendungen geeignet zu machen.» Zunächst wird der Prototyp nur winzige Mengen CO2 einfangen können. «Aber unser Ziel ist es, ein bis zwei Kilo CO2 pro Tag abzufangen», sagt Khalil, «und bis Ende des Jahres wollen wir auf dem Campus kohlensäurehaltiges Wasser herstellen.»

Ist das Filtern von Kohlenstoff aus der Luft auf dem EPFL-Campus nicht ein bisschen so, als würde man versuchen, den Ozean mit einem Teelöffel trocken zu legen? «Ja... aber nicht wirklich», sagt Khalil, «unser Ziel ist es, eine Technologie zu entwickeln, die funktioniert. Es ist nicht nötig, sie an einem industriellen Schornstein zu testen. Wenn wir beweisen können, dass unser System hier auf dem Campus funktioniert, können wir es auch woanders installieren. Wir denken auch langfristig: Wenn die Welt ihre Klimaziele erreichen soll, müssen wir nicht nur das  CO2 abscheiden, das wir heute ausstossen. Wir müssen auch den gesamten Kohlenstoff entfernen, der seit Beginn des Industriezeitalters in die Atmosphäre gelangt ist.»