Auf dem Weg zu optimierten Anflugverfahren

Flugzeuge machen auch im Landeanflug Lärm, was vielfach unterschätzt wird. Ein Forschungsprojekt mit Beteiligung der Empa hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, den Lärm gerade auch während des Anfluges zu mindern, besonders laute Anflüge zu vermeiden und gleichzeitig den Treibstoffverbrauch zu senken. Pilotinnen und Piloten sollen hierzu künftig Software-Unterstützung erhalten, um die komplexen Zusammenhänge zwischen Flugsicherung, Flugmechanik und Umweltauswirkungen besser managen zu können.
Das Projekt DYNCAT wird in den nächsten zwei Jahren analysieren, wie sich die derzeitig geltenden Bestimmungen auf die Arbeitsbelastung der Piloten und die Sicherheit sowie auf die Umwelt (Treibstoffverbrauch, CO2, Lärm) auswirken. Image: istock

Autofahrern wird schon während des Fahrunterrichts «vorausschauendes Fahren» beigebracht, um unnötige Beschleunigungs- und Bremsmanöver möglichst zu vermeiden. Vorausschauendes Fahren hilft Treibstoff zu sparen, vermeidet unnötigen Lärm und verhindert auch manche Gefahrensituation. Nicht nur auf der Strasse, auch in der Luft lässt sich durch «vorausschauendes Fliegen» viel gewinnen. Einerseits wird so Kerosin gespart und der CO2-Ausstoss gemindert, andererseits auch der Lärm reduziert. Die aktuellen technischen Anflughilfen sowie die Anweisungen der Flugsicherung geben dem Piloten Richtung, Höhe und Geschwindigkeit vor. Es ist den Piloten im Landeanflug aber selbst überlassen, zum idealen Zeitpunkt den Schub zu reduzieren und die Lande- und ggf. Bremsklappen auszufahren. Dabei sind Windstärke und -richtung nur für die Piste selbst bekannt, nicht aber für die gesamte Anflugschneise. So fehlen den Piloten wichtige Daten, um einen möglichst «glatten» Landeanflug hinzulegen. Mal muss, z. B. mit Bremsklappen die Geschwindigkeit reduziert, dann wieder etwas mehr Schub gegeben werden. Dies führt einerseits zu mehr Lärm, aber auch zu Mehrverbrauch an Treibstoff und einem höheren CO2-Ausstoss.

Leiserer Landeanflug dank Piloten-Assistenzsystem

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) hat daher in den letzten Jahren ein neues Assistenzsystem entwickelt, das dem Piloten via Display im Cockpit anzeigt, wann genau welche Handlung für einen lärmarmen Anflug durchzuführen ist. Das neue System namens LNAS («Low Noise Augmentation System») wurde im September 2019 vom DLR in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der «Swiss SkyLab Foundation» und der Empa an Bord des DLR-Forschungsflugzeugs «ATRA» (Advanced Technology Research Aircraft) vom Typ A320 bei 90 Anflügen auf den Flughafen Zürich getestet. Die Ergebnisse der ausgewerteten Flugversuche in Zürich waren positiv: Es konnten besonders laute Anflüge vermieden werden, der mittlere Lärmpegel wurde reduziert und hochgerechnet auf die Swiss A320-Flotte (2017) jährliche Einsparungen von 3000 Tonnen Kerosin bzw. 9000 Tonnen CO2 berechnet. LNAS soll mittelfristig als industrialisierte Lösung in das Flugmanagementsystem von regulären Linienflugzeugen implementiert werden.

Nachfolgendes EU-Forschungsprojekt DYNCAT

Seit Juli 2020 koordiniert das DLR das weiterführende Forschungsprojekt DYNCAT («Dynamic Configuration Adjustment in the Terminal Manoeuvring Area»), an dem neben den bisherigen Forschungspartnern auch die Swiss International Air Lines und die THALES Gruppe beteiligt ist. Ziel der im Rahmen der europäischen Programme «Horizon 2020» und SESAR («Single European Sky ATM Research Programme») geförderten Forschung ist es, umweltfreundlichere und besser vorhersehbare Flugprofile insbesondere im Anflug zu ermöglichen. Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung der Piloten beim Konfigurationsmanagement und der Analyse des Einflusses der Lotsenvorgaben.

DYNCAT wird daher in den nächsten zwei Jahren analysieren, wie sich die derzeitig geltenden Bestimmungen auf die Arbeitsbelastung der Piloten und die Sicherheit sowie auf die Umwelt (Treibstoffverbrauch, CO2, Lärm) auswirken. Es sollen Vorschläge für Änderungen der Verfahren an Bord und am Boden ausgearbeitet und die notwendigen technischen sowie regulatorischen Voraussetzungen ausgemacht werden. Ausserdem soll das ökologische und wirtschaftliche Potenzial der vorgeschlagenen Verbesserungen aufgezeigt werden, indem das neue Tool frühzeitig als Prototyp in einem echten Flugmanagementsystem simuliert und getestet wird. Die Tests werden durch externe Piloten mit der Thales-Testplattform durchgeführt und bewertet. Zudem werden durch die Erprobung im Simulator bereits realitätsnahe Flugbahnen generiert, welche direkt in das Fluglärmsimulationsprogramm «sonAIR» gespeist werden, um die Lärmauswirkungen zu beurteilen.

Der Zugang zu Aufzeichnungen von tatsächlichen Flugbetriebsdaten, den damit verbundenen erteilten Instruktionen der Flugsicherung, Wetterdaten und Lärmmessungen für eine Vielzahl von Operationen im Schweizer Luftraum einerseits und die Implementierung der verbesserten Funktionalitäten auf einer industriellen Testplattform andererseits ermöglichen eine hohe Validität und Relevanz der Ergebnisse.