Mathematisches Programm optimiert Radiochirurgie
Die Radiochirurgie ist eine Art der Strahlentherapie, bei der die Ärzte dem erkrankten Gewebe eine hohe Strahlendosis mit äusserster Präzision verabreichen, und zwar in einem einzigen Durchgang statt über mehrere Sitzungen hinweg. Diese Methode, die hauptsächlich zur Behandlung von Hirnschäden eingesetzt wird, ermöglicht es bei Patientinnen und Patienten, die an gutartigen Tumoren, Gefässmissbildungen, Neuralgien und der Parkinson-Krankheit leiden, eine konventionelle Operation zu vermeiden. Radiochirurgische Eingriffe können mit einem Gerät namens Gamma Knife durchgeführt werden, das Gammastrahlen von bis zu 192 verschiedenen Strahlen verabreichen kann. Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass die Strahlung nur das erkrankte Gewebe trifft und kein gesundes Gewebe um das Gerät herum – und gleichzeitig den Eingriff so kurz wie möglich zu halten.
Die Pläne für diese Art von Operationen werden in der Regel manuell erstellt. Neurochirurginnen arbeiten mit Radio-Onkologen und Ärztinnen zusammen, um die Anzahl, Grösse, Form und Stärke der zu verwendenden Strahlen auszuwählen und genau festzulegen, wohin sie gerichtet werden sollen, damit das gesamte Behandlungsgebiet abgedeckt wird. Wie effektiv die Pläne sind, hängt daher weitgehend von der Erfahrung der Ärztinnen und Ärzte ab. Um dies zu umgehen, machte sich Intuitive Therapeutics daran, eine Software zu entwickeln, die alle Kriterien automatisch berechnen kann. Das Start-up begann 2015 die Zusammenarbeit mit Professor Jean-Philippe Thiran am Signalverarbeitungslabor 5 (LTS5) der EPFL, und gemeinsam entwickelten sie ein Programm namens IntuitivePlan, das heute auf dem Markt erhältlich ist.
Einsatz von Mathematik zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung
IntuitivePlan verwendet ein optimales inverses Planungssystem, bei dem Ärztinnen und Ärzte die Strahlendosis festlegen, die auf jeden Bereich des erkrankten Gewebes angewandt werden soll, sowie die maximale Dosis, der das umgebende Gewebe ausgesetzt werden kann. Auf der Grundlage dieser Eingaben generiert die Software einen Operationsplan, der die verschiedenen Kriterien zusammen mit einer vorprogrammierten Beschränkung der Dauer des Eingriffs optimiert, so dass die Gesamtbestrahlungszeit der Patientinnen und Patienten minimiert wird. «Die Entwicklung der Operationspläne beinhaltet einen Prozess der kombinatorischen Optimierung, der von Natur aus rechenintensiv ist. Die von uns gewählte Berechnungsmethode wird als konvexe Optimierung bezeichnet», sagt Thiran.
Das Programm verwendet leistungsstarke Verarbeitungstechniken, die in weniger als zwei Minuten die optimale Kombination erzeugen können. «Es dauert 20 oder 30 Minuten, um einen Plan manuell zu entwickeln – bei komplizierten Verfahren manchmal sogar länger», sagt Professor Marc Levivier, Leiter der Neurochirurgie am CHUV und Direktor des Gamma Knife Center des CHUV. Levivier ist einer der weltweit führenden Gamma-Knife-Experten. «Die Software bringt oft Pläne hervor, auf die wir selbst nie gekommen wären oder die wir nicht von Hand hätten ausarbeiten können», sagt er. IntuitivePlan spart nicht nur Zeit, indem es den Prozess automatisiert, es führt auch zu besseren Plänen.
Vielversprechende erste Ergebnisse
Die Ingenieurinnen und Ingenieure von Intuitive Therapeutics waren in der Lage, ihre ursprüngliche Idee in ein komplettes Softwareprogramm umzusetzen, das speziell auf die Bedürfnisse von Ärztinnen und Ärzten zugeschnitten ist. Und nun, da ihr Programm die CE-Kennzeichnung erhalten hat, kann es in klinischen Routineverfahren eingesetzt werden. Die Ärztinnen am CHUV haben im Juli mit dem neuen Ansatz begonnen. «Ich vertraue dem Programm voll und ganz, aber für die ersten paar Eingriffe habe ich auch einige Operationspläne von Hand erstellt und sie mit den von der Software erstellten verglichen. Dann wählte ich für jeden Patienten die beste Option aus. Die ersten Ergebnisse waren sehr vielversprechend», sagt Levivier.
Im Moment ist IntuitivePlan nur mit Gamma-Knife-Geräten kompatibel, aber die Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten bereits daran, ihr Programm an andere Arten von Strahlentherapiegeräten anzupassen.