EPFL, ETH Zürich und IKRK gemeinsam für humanitäre Hilfe

Die Initiative Engineering Humanitarian Aid, die offiziell am 10. Dezember 2020 lanciert wurde, setzt das Fachwissen der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen für humanitäre Hilfsprogramme ein. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Bereichen Energie und Umwelt, Datenwissenschaften und digitale Technologien sowie personalisierte Gesundheit und verwandte Technologien.
Eines der Projekte dreht sich um den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Kartierung gefährdeter Bevölkerungsgruppen. ©ICRC

Humanitäre Hilfsorganisationen sehen sich heute beispiellosen Herausforderungen gegenüber, zu deren Bewältigung Wissenschaft und Technologie beitragen können. Aus diesem Grund haben sich die ETH Zürich, die EPFL und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in der Initiative Engineering Humanitarian Aid zusammengeschlossen. Ziel ist es, das Fachwissen der beiden ETH in den Dienst der humanitären Hilfe zu stellen. Unter ihrer Ägide werden Projekte in drei strategischen Bereichen durchgeführt: Energie und Umwelt, Datenwissenschaften und digitale Technologien sowie personalisierte Gesundheit und verwandte Technologien.

Die drei Partnerorganisationen haben im Laufe der Jahre bereits in einer Reihe von Projekten zusammengearbeitet. Diese Initiative zielt jedoch darauf ab, die Bemühungen um die Nutzung neuer Technologien zu beschleunigen, um die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu verbessern. «Das Potenzial für den Einsatz digitaler Technologien zur Unterstützung humanitärer Hilfsprogramme ist noch weitgehend ungenutzt», sagt Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich. «Die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen können dank technischem Know-how etwas bewegen und die Arbeit des IKRK vor Ort erleichtern. Dabei können wir uns auf unsere bisherigen Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit stützen.»

«Unsere neue Initiative mit der ETH Zürich und dem IKRK verleiht unserer Arbeit einen zusätzlichen Sinn, weil wir wissen, dass unsere Arbeit konkrete, positive Auswirkungen auf das tägliche Leben der Menschen haben wird.»      Martin Vetterli

Forschung und Entwicklung sowie Technologietransfer sind in der Tat sowohl für die ETH Zürich als auch für die EPFL von zentraler Bedeutung. «Diese Zusammenarbeit steht im Einklang mit der humanitären Tradition der Westschweiz», sagt EPFL-Präsident Martin Vetterli. «Die EPFL führt seit mehreren Jahren gemeinsame Projekte mit dem IKRK durch. Dazu gehören die Schaffung des Humanitarian Tech Hub im Jahr 2016 und die Entwicklung einer innovativen Fussprothese für Konfliktopfer. Unsere neue Initiative mit der ETH Zürich und dem IKRK verleiht unserer Arbeit zusätzliche Bedeutung, weil wir wissen, dass das, was wir tun, einen konkreten, positiven Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen haben wird.»

Geist der Innovation

Laut IKRK-Präsident Peter Maurer «herrschte in der gesamten Geschichte des IKRK ein Geist der Innovation und der Partnerschaft, um neue Lösungen zu entwickeln. Von 1863 bis heute haben wir uns bemüht, das Beste der Wissenschaft zu nutzen, um denjenigen zu helfen, die in Krieg und Konflikten leben. Angesichts der enormen, komplexen humanitären Herausforderungen, die durch Gewalt, Klimawandel und Pandemien verursacht werden, ist dies heute besonders wichtig. Wir müssen sicherstellen, dass sich die humanitären Dienste so weiterentwickeln, dass sie relevant, effizient und integrativ bleiben – und die dringendsten Bedürfnisse der Menschen erfüllen».

Mehrere Projekte sind bereits angelaufen und weitere sind in Vorbereitung. Ein aktuelles Projekt unter der Leitung von Carmela Troncoso, Professorin am Security and Privacy Engineering Laboratory der EPFL, befasst sich mit Fragen des Datenschutzes im Zusammenhang mit biometrischen Daten. Biometrische Daten könnten ein wirksames Mittel sein, um Redundanzen in der Hilfeleistung zu beseitigen und sicherzustellen, dass die Hilfe des IKRK so viele Menschen wie möglich erreicht. Dennoch werfen diese Arten von Daten Datenschutzprobleme auf. Das Projekt von Troncoso versucht, die Anforderungen des IKRK an die Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre vor Ort bei der Verarbeitung der biometrischen Daten der Begünstigten zu ermitteln und ein System zu entwerfen, das diese Daten vertraulich behandelt.

Ein weiteres Projekt beinhaltet den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Kartierung gefährdeter Bevölkerungsgruppen. Durch die Zusammenstellung von Informationen wie Satellitenbildern und Social Media Posts wird das Projekt die Grösse und Dichte dieser Bevölkerungen sowie damit verbundene Informationen wie Siedlungstyp und Veränderungen in der Bevölkerung abschätzen. Die daraus resultierenden Daten werden in Geländekarten eingespeist. Das Projekt wird von Konrad Schindler vom Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der ETH Zürich und Devis Tuia, dem Leiter des Environmental Computational Science and Earth Observation Laboratory der EPFL, durchgeführt.

Im Bereich der Technologie für personalisierte Medizin ist ein Projekt unter der Leitung von Stephan Wagner, Professor für Logistikmanagement der ETH Zürich, besonders hervorzuheben. Sein Projekt zielt darauf ab, die Verfügbarkeit von medizinischen Geräten in Konfliktgebieten zu verbessern. Ziel ist es, Engpässe zu verringern und die Verschwendung bestimmter medizinischer Produkte zu reduzieren. Durch die Analyse von Daten aus der medizinischen Versorgungskette und deren Kombination mit einer qualitativen Bewertung des IKRK-Systems hofft das Projektteam, die Ursachen für den ungenügenden Informationsfluss zu identifizieren, mögliche Verbesserungen zu modellieren und praktikable Lösungen vorzuschlagen.

ETH-Bereich stellt Seed-Finanzierung zur Verfügung

Forschende der ETH Zürich und der EPFL können im Rahmen der Initiative Projekte vorschlagen. Gemeinsame Anstrengungen, die auch andere Angehörige des ETH-Bereichs einbeziehen, sind besonders erwünscht. Die Vorschläge werden von einem Lenkungsausschuss geprüft, der sich aus je zwei Mitgliedern der drei Partnerorganisationen zusammensetzt. Der ETH-Rat hat für die Projekte über einen Zeitraum von zwei Jahren (2021-2022) eine Anschubfinanzierung von 5 Millionen Franken vorgesehen. Die Partnerorganisationen hoffen, das Programm im kommenden Jahr ausbauen zu können. An der EPFL werden die Anstrengungen im Rahmen der Initiative vom EssentialTech Center koordiniert, während sie an der ETH Zürich von ETH for Development (ETH4D) geleitet werden.

Die drei Partnerorganisationen verpflichten sich, gemeinsame Projekte durchzuführen, innovative Produkte und Prozesse zu entwickeln und zu vertreiben sowie Studierende, IKRK-Mitarbeitende und lokale Partner auszubilden. Es besteht die Hoffnung, dass diese einzigartige Partnerschaft durch die Optimierung des Ressourceneinsatzes den bedürftigsten Bevölkerungsgruppen zugute kommt.