EPFL Changemakers: Geschäftsideen von morgen ausbrüten

Zwanzig EPFL-Studierende haben kürzlich das erste EPFL-Changemakers-Programm abgeschlossen – eine neue Initiative, die Studierenden dabei helfen soll, Führungs- und unternehmerische Fähigkeiten zu entwickeln und ihre Geschäftsideen zu konkretisieren. Wir haben uns drei der vielversprechenden Projekte, an denen sie arbeiten, genauer angeschaut.
Valentin Karam und Raphaël Ausilio © 2021 EPFL

Zwanzig Bachelor-, Master- und PhD-Studierende der EPFL nahmen am ersten EPFL Changemakers-Programm teil, das von Oktober 2020 bis Februar 2021 lief. Das Programm, eine gemeinsame Initiative von Tech4Impact und der EPFL Start-Ups Unit, endete am 10. März mit einer Zeremonie, bei der die Studierenden ihre Geschäftsideen präsentierten und die wichtigsten Punkte ihrer Erfahrungen teilten.

Erkennung von Hindernissen für Blindenstöcke

Raphaël Ausilio und Valentin Karam, zwei Masterstudenten der Mikrotechnik, kamen vor einem Jahr im Rahmen eines Produktdesignkurses auf ihre Idee. Sie waren Teil einer Gruppe von fünf Studierenden, die für ihr Klassenprojekt ein System entwarfen, das Hindernisse für weisse Blindenstöcke erkennen kann – und damit Blinden und Sehbehinderten das tägliche Leben erleichtert. Ausilio und Karam sahen viel Potenzial in ihrer Idee und beschlossen, sie im Rahmen des EPFL Changemakers-Programms weiterzuentwickeln. Heute stehen die Prototypen ihres Hikane-Systems kurz davor, von rund einem Dutzend Freiwilliger getestet zu werden.

Hikane ist ein kleines Gerät, das direkt am Griff eines Stocks befestigt werden kann. Es besteht aus zwei Lidar-Laser- und Sensor-Mechanismen, die derzeit in der Lage sind, Hindernisse etwa 20 cm vor der Spitze des Stocks zu erkennen. Wenn ein Hindernis erkannt wird, gibt das System eine haptische Rückmeldung in Form einer Vibration, die die Stocktragenden am Daumen spüren.

Während herkömmliche Blindenstöcke nur anzeigen, was sich auf dem Boden befindet, fügt Hikane den Informationen ein vertikales Element hinzu: «Unser System kann Objekte erkennen, die mit dem Gesicht der Benutzenden in Berührung kommen könnten, wie z. B. Baumäste, Schaufenster, Autos und Schilder», sagt Karam: «Als wir an unserer Idee forschten, fanden wir heraus, dass blinde und sehbehinderte Menschen mindestens einmal im Monat einen Unfall haben. Und in 10 % der Fälle landen sie im Krankenhaus! Das ist ein echtes Problem. Hindernisse erkennen zu können, bevor sie trotz Blindenstock in sie hineinlaufen, wäre eine grosse Verbesserung.»

«Wir wollen den Studierenden die Werkzeuge an die Hand geben, um gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben, sowohl individuell als auch als Teil einer Gruppe.»      Alessandra Rojas

Ähnliche Detektionssysteme gibt es bereits auf dem Markt, doch das hat die Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer nicht abgeschreckt: «Die bestehenden Geräte haben alle das gleiche Problem – sie sind viel zu teuer, zwischen 600 und 5000 Franken pro Stück», sagt Ausilio, «und sie sind schwer zu bedienen. Manche erfordern eine Woche Training, andere müssen per Bluetooth mit einem Smartphone verbunden werden. Hikane hingegen soll eigenständig laufen, einfach und möglichst erschwinglich sein.»

Bewertung der Umweltauswirkungen von Restaurantmahlzeiten

Die Idee von Alessandra Capurro zielt darauf ab, Verbraucherinnen zu helfen, nachhaltige, umweltbewusste Entscheidungen zu treffen: «Es basiert auf meiner persönlichen Erfahrung», sagt sie. «Letzten Sommer habe ich angefangen, meinen eigenen ökologischen Fussabdruck genauer unter die Lupe zu nehmen und wollte meine Einkaufsgewohnheiten ändern, aber ich habe gemerkt, dass es oft schwer zu wissen ist, welche Produkte besser sind als andere. Wenn man zum Beispiel im Supermarkt ist, sollte man dann regional oder biologisch kaufen? Die Informationen, die man braucht, sind nicht immer verfügbar. Capurro, eine Masterstudentin in Mikrotechnik, wollte ein System entwickeln, das den Verbrauchern einen einfachen Zugang zu Informationen über die Umweltauswirkungen von Produkten ermöglicht.

© 2021 EPFL

Zunächst war sie sich nicht sicher, wie sie ihre Idee in eine konkrete Geschäftsmöglichkeit umwandeln sollte, also beschloss sie, sich bei EPFL Changemakers anzumelden: «Es war das perfekte Programm für mich, da ich nichts über Unternehmertum oder Projektmanagement wusste», sagt Capurro: «Ich brauchte eine Anleitung, und EPFL Changemakers vermittelte mir die grundlegenden Fähigkeiten, um einen Business Case von Grund auf zu erstellen. Es ist ein hervorragendes Programm – ich bin wirklich froh, dass ich daran teilnehmen konnte!»

Sie arbeitete mit einer Gruppe von sieben anderen Personen an der Entwicklung des Systems, das EcoLens genannt wird. Es besteht aus einem Bewertungssystem, das mit einer Datenbank verbunden ist, mit der Restaurantmanager den CO2-Fussabdruck der Gerichte auf ihren Speisekarten berechnen können. Die Restaurants können diese CO2-Werte dann mit ihren Kunden teilen, die so in der Lage sind, einfach und zuverlässig verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. «Wir sind auch am Act for Change-Programm beteiligt, über das wir direkt mit den Managerinnen der EPFL-Campus-Restaurants sprechen können», sagt Capurro. «Wir hoffen, dass wir ihnen unser Bewertungssystem bis zum Ende des Semesters zur Verfügung stellen können.»

Lokale Waren nachhaltiger ausliefern

Green Truck ist die Idee von Mohamed Khadri und Jules Courtois, zwei Informatikern, die einen nachhaltigen Warenlieferdienst aufbauen wollen. Sie haben bereits einen Service eingeführt, der Produkte mit Lastenfahrrädern an Einzelhandelskunden ausliefert, und planen nun, diesen mit Lastwagen zu erweitern, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Khadri, ein Masterstudent der Informatik, und Courtois, ein ehemaliger Doktorand der digitalen Geisteswissenschaften, glauben, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt ist, um einen schlüsselfertigen Service auf den Markt zu bringen, der die transportbedingten Kohlendioxidemissionen erheblich reduzieren und Kaufinteressierte dazu ermutigen könnte, lokal einzukaufen.

Die beiden sahen, wie ihre Geschäftsidee im Januar 2020 Gestalt annahm, als Tesla seinen Semi-Sattelschlepper vorstellte. «Es gibt viele Privatfahrzeuge auf dem Markt, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, aber relativ wenige grosse Nutzfahrzeuge», sagt Courtois. «Wenn alles gut läuft, können wir einen Tesla Semi bekommen, wenn er Ende 2021 verfügbar ist.»

Khadri und Courtois haben bereits ein Unternehmen namens Green Future gegründet, das als Inkubator für nachhaltige Geschäftsideen dient und Produzierenden, Ingenieurinnen und allen anderen, die an sauberer Logistiktechnologie arbeiten, eine Plattform bietet, um ihre Fähigkeiten zu bündeln. Ein System, das im Inkubator entwickelt wird, ist eine App, die verschiedene Logistikprogramme zentralisiert und leicht zugänglich macht: «Es gibt bereits Software für die Logistikoptimierung – etwa für die Planung optimaler Lieferrouten, die Verwaltung verschiedener Aufgaben und die Verfolgung von Sendungen –, aber die Programme sind oft kompliziert und zu teuer für kleine Produzierende», sagt Khadri. «Wir wollten diesen Unternehmen eine Schnittstelle bieten, die einfach und überschaubar ist.»

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EPFL Changemakers in Kürze

EPFL Changemakers ist ein Programm, das aus Workshops zu Nachhaltigkeit und Unternehmertum, Mentoring-Sitzungen und gemeinschaftsbildenden Aktivitäten besteht. Alessandra Rojas, eine EPFL-Changemaker-Programm-Managerin, erklärt: «Unser Programm ist darauf ausgelegt, die Führungsqualitäten der Studenten zu entwickeln, den Unternehmergeist zu fördern, die Studierenden zu nachhaltigkeitsbezogenen Themen zu schulen und eine Gemeinschaft zukünftiger Unternehmer aufzubauen, die dieselbe Vision und denselben handlungsorientierten Ansatz haben – und die sich gegenseitig unterstützen können. Wir wollen den Studenten das Rüstzeug geben, um den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, sowohl individuell als auch als Teil einer Gruppe.»

Rojas und der Rest des EPFL-Changemaker-Teams waren mit diesem ersten Durchlauf zufrieden: «Es lief sogar besser, als wir erwartet hatten», sagt sie. «Wir haben uns gefreut, dass die Studierenden so motiviert waren, praktische Fähigkeiten zu erlernen und hart an der Entwicklung und Umsetzung ihrer Ideen zu arbeiten. Sie waren während des gesamten Semesters offen für Feedback und Vorschläge – einige baten sogar darum, zusätzliche Module zu belegen. Ihr Elan war unglaublich! Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir alle Sitzungen online abhalten mussten. Wir waren auch angenehm überrascht zu sehen, dass mehr als die Hälfte der 20 Studierenden Geschäftsideen hatten, die sich auf Nachhaltigkeit konzentrierten – und das, obwohl wir das nicht einmal zu den Anforderungen des Programms gemacht hatten. Das zeigt, dass sie den klaren Wunsch haben, sozial- und umweltverträgliche Innovationen zu entwickeln, und dass sie Nachhaltigkeit als eine Priorität für die Zukunft sehen.»