Ausstellung zeigt Prinzipien der Wiederverwendung im Bauwesen
Die energieintensive Bauindustrie gehört zu den Hauptverantwortlichen der Treibhausgasemissionen und des globalen Temperaturanstiegs. Doch mit Stürmen, Überschwemmungen, Hitzewellen und anderen Naturkatastrophen, die in den kommenden Jahrzehnten immer häufiger auftreten werden, gehört auch die bebaute Umwelt zu den Opfern des Klimawandels. Die Dringlichkeit der Situation erfordert ein Umdenken – eines, das bei den Architekten beginnt.
Die Bauindustrie hat einen beträchtlichen Anteil am ökologischen Fussabdruck der Schweiz. Sie ist für 84 % der jährlich anfallenden 80 bis 90 Millionen Tonnen Abfall und für einen grossen Teil des Energieverbrauchs des Landes verantwortlich. Die Labors der Fakultät für Architektur, Bauwesen und Umwelttechnik (ENAC) der EPFL verschieben die Grenzen der Innovation und entwickeln nachhaltige Planungs- und Baumethoden, die die Gebäude der Zukunft prägen werden. Ein Beispiel dafür ist das Labor für elementare Architektur und Typenlehre (EAST), das von den ausserordentlichen Professoren Martin und Anja Fröhlich geleitet wird und in dem Forschende untersuchen, wie durch Recycling und Wiederverwendung von Baumaterialien Energie und Ressourcen eingespart werden können.
Veränderte Denkmuster
Im Jahr 2016 begann EAST mit der Erforschung effizienterer Wege zur Wiederverwertung und Wiederverwendung unerwünschter Baumaterialien und ausgedienter Strukturen. Diese neue Denkweise, bei der Gebäude nach Typ und Potenzial betrachtet werden, ist Teil eines umfassenderen Bestrebens, die Art und Weise, wie Architektinnen und Architekten ausgebildet werden, zu verändern. Sie lehnt sich an das Konzept der «Baukultur» an, einen ganzheitlichen Ansatz für die Gestaltung der baulichen Umwelt. Jedes Jahr stellt das Labor die Studierenden vor die Herausforderung, Modelle aus recycelten Materialien zu entwerfen und zu bauen. In Teams von 30 Personen müssen sie kreativ denken und zwei Entwürfe aus den gleichen Bestandteilen entwerfen. In einem Projekt bauten die Studierenden einen Kinderpavillon im Zoo von Servion in der Nähe von Lausanne.
«Wir wollen, dass unsere Architekturstudierenden in jeder Phase des Entwurfsprozesses die Nachhaltigkeit berücksichtigen», sagt Martin Fröhlich. Diese Ansicht wird von Tiago P. Borges, einem Architekten und Assistenten des Labors, geteilt: «In fünf oder vielleicht zehn Jahren werden die Studierenden von heute die Führungskräfte von morgen sein. Wenn wir wollen, dass sie die Welt verändern, müssen wir jetzt die richtigen Werte vermitteln.»
Die Arbeit von EAST wird im Mittelpunkt der dritten Schweizer Biennale des Territoriums stehen, die alle zwei Jahre in Lugano vom Internationalen Architekturinstitut (i2a) veranstaltet wird. Die diesjährige Veranstaltung, die sich auf das Thema der Wiederverwendung konzentriert, fand vom 1. bis 3. Oktober statt. Fröhlich nahm zusammen mit Prof. Martin Boesch von der Universität Lugano (USI) und Prof. Jan de Vylder von der ETH Zürich an einer Podiumsdiskussion zum Thema «Reuse at School» teil.
Mit der Struktur aus Elementen eines Gerüstes und eines Gleitschirms zusammengesetzt, entwarfen und produzierten die Studenten von EAST einen Prototyp eines Pavillons für den Schweizerischen Alpen-Club. © 2020 EAST EPF
«Etwas muss sich ändern»
Im Rahmen der Veranstaltung fand auch eine Ausstellung mit dem Titel «Rather Than – Nachhaltige Designprinzipien in der Arbeit des Studio EAST» statt, die sich eingehend mit dem Design und dem Bau von drei der Pavillons befasst. «Wir wollen zeigen, dass der Abriss eines Gebäudes nicht das Ende der Geschichte ist», sagt Tiago P. Borges, der die Ausstellung mitorganisiert. «Warum perfekt brauchbare Materialien wegwerfen, wenn wir sie wiederverwenden und dabei Ressourcen schonen können? Angesichts des Ausmasses und der Breite des Fussabdrucks der Bauindustrie ist die Verschwendung von Materialien einfach unverantwortlich. Es muss sich etwas ändern – und das beginnt mit einem besseren Design.»
Die Forschenden von EAST argumentieren, dass die meisten Lösungen, die benötigt werden, um Gebäude nachhaltiger und weniger energieintensiv zu machen, bereits heute auf dem Markt sind. Die Herausforderung besteht jetzt darin, die verschwenderischen Praktiken der Vergangenheit aufzugeben – ein Prozess, der eine konzertierte Anstrengung von Architektinnen, Fachleuten aus der Bauindustrie, Bauherren und der Gesellschaft im Allgemeinen erfordert.