Der «Magic Cube» bringt Elektrotechnik in die Klassenzimmer

Das neue Lehrmittel «Magic Cube» will Schülerinnen und Schüler für Elektrotechnik begeistern. Es vermittelt fachliche Grundlagen auf spielerische Weise und wurde von der ETH Zürich zusammen mit ABB und «mint & pepper» entwickelt.
Jugendliche lösen in einer neuartigen Spielanordnung praktische Aufgaben aus der Elektrotechnik und bringen damit den «Magic Cube» wieder zum Leuchten. (Bild: Veselinka Arnaut / ETH Zürich)

«Bevor ich ‹Magic Cube› kennengelernt habe, konnte ich mir eigentlich nicht viel unter Elektrotechnik vorstellen. Dabei begegnet man ihr eigentlich überall im täglichen Leben», sagt eine Schülerin des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasiums Rämibühl (MNG Rämibühl), an dem das neue Lehrmittel Mitte Oktober diesen Jahres zum ersten Mal in einer Schulklasse getestet wurde. Entwickelt wurde das Magic Cube von der ETH Zürich zusammen mit dem Technologieunternehmen ABB und mint & pepper, dem Nachwuchsförderungsprojekt des Wyss Zurich, der ETH und Universität Zürich.

Nichts geht mehr

Alles beginnt mit einem Unwetter: In den Magic Cube, einen geheimnisvollen geometrischen Körper, schlägt der Blitz ein und die gesamte Stromversorgung der Parallelwelt «Elektron» fällt aus. Solarautos, Fabriken, Mikroskope, Strassenlaternen – alles ist defekt und stillgelegt.

Nachdem die Schülerinnen und Schüler die Ausgangssituation im Film gesehen haben, können sie nun in ihrem Schulzimmer konkrete, physische Aufgaben lösen, um den Menschen in Elektron zu helfen. Dabei müssen sie ganz grundlegende Themen bearbeiten: Was ist eine elektronische Schaltung? Wie wird Energie umgewandelt, verteilt und gespeichert? Wofür braucht man Sensoren? Der Magic Cube fungiert dabei als «Spielmacher»: Wenn ein Team ein Modul richtig gelöst hat, dann leuchten einzelne Panels am Cube auf. Waren alle Teams erfolgreich, dann leuchtet der gesamte Cube und er öffnet sich – Elektron ist gerettet und es gibt eine Überraschung für alle Teilnehmenden.

Magic Cube - Faszination Elektrotechnik (Trailer) (Video: ETH Zürich / Veselinka Arnaut / storymotion)

Unterricht einmal ganz anders

Doch bis der Magic Cube wieder funktioniert, wird diskutiert, gelacht und getüftelt, es werden Grundlagen erarbeitet, Tests durchgeführt und Abläufe programmiert. So gibt es beispielsweise Module zum Vernetzen von Quellen und Verbrauchern in einem intelligenten Stromnetz, zum Programmieren eines Sortierablaufs in einer Fabrik, zum Zusammenbau eines Streckennetzes und zur Regelung der Fahrgeschwindigkeit eines Zugs, zur Steuerung eines Autos über ein Gehirn-Interface und zum Brückenbau mit einem Roboter.

Beim Modul «Elektroauto» soll ein Auto mit Solarstrom eine definierte Strecke bewältigen. Dafür muss der Energiebedarf berechnet und mit der entsprechenden Schaltung der Solarzellen sowie der Getriebeübersetzung die Fahrzeit hergeleitet werden.

In einem weiteren Modul bauen die Jugendlichen ein Mikroskop komplett selbst auf, um damit Proben zu identifizieren. Sie justieren die Linsen und deren Abstände zueinander, richten die Beleuchtung ein und schliessen einen Kamerachip an. Eine spannende Aufgabe!

Faszination für Elektrotechnik wecken

Die Idee hinter der Entwicklung des Magic Cube ist klar: Bei Kindern und Jugendlichen soll die Lust am Tüfteln und Lösen technischer Aufgaben geweckt werden, damit sie Vertrauen in die eigenen technischen Fähigkeiten aufbauen können. Insbesondere junge Frauen unterschätzen häufig ihre mathematischen und technischen Kompetenzen, was dazu beiträgt, dass sie sich seltener eine berufliche Zukunft im MINT-Bereich vorstellen können als junge Männer. «Es ist toll zu sehen, wie begeistert die Schülerinnen und Schüler bei der Sache sind und die Aufgaben gemeinsam lösen möchten», meint Axelle Krayenbühl-Tapponnier, Lehrerin am Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium Rämibühl, «Fast nebenbei lernen sie ganz spielerisch wichtige Grundlagen der Elektrotechnik und Physik kennen. Das ist eine tolle Bereicherung für den Unterricht.»

Ein neues Lehrmittel

Beim Magic Cube handelt es sich um ein neues, methodisch und didaktisch auf den Lehrplan21 abgestimmtes Lehrmittel, das Lehrpersonen im Fachbereich Natur und Technik unterstützen soll. Die ersten Ideen dazu entwickelte das Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET) zusammen mit Trainees von ABB. Beide Institutionen sind interessiert an talentierten Studierenden und Masterabsolventinnen und -absolventen. «Wir sind auf gut ausgebildete Fachkräfte am Hochtechnologiestandort Schweiz angewiesen – gerade auch mit Blick auf die grossen Herausforderungen unserer Zeit wie den Klimawandel oder die Digitalisierung», sagt Nicole Kamm, Country Human Resources Managerin ABB Schweiz. «Wir müssen deshalb klar kommunizieren, wie vielfältig die Gebiete sind, die sich hinter dem Wort ‹Elektrotechnik› verbergen und wie gross ihr Nutzen für die Gesellschaft ist», ergänzt Christian Franck, Professor für Hochspannungstechnik am D-ITET. «Mit dem Lehrmittel Magic Cube kommen wir diesem Ziel einen Schritt näher.»

Den Nachwuchs im Visier

Mit mint & pepper, dem Nachwuchsförderungsprojekt des Wyss Zurich (ETH Zurich/Universität Zurich), wurde ein Partner gefunden, der das Forschungs-Know-how am D-ITET und die praktische Expertise in den Bereichen Industrie, Mobilität und Infrastruktur von ABB perfekt ergänzt. Das Team von mint & pepper weiss, wie man erlebnisorientierte Lehrmittel aufbaut und übernimmt auch die Vernetzung im Schul- und Freizeitumfeld. Unter der technischen und didaktischen Leitung von mint & pepper erhielt der Magic Cube seinen Namen und seine «magischen» Funktionalitäten. Für die Module bereiteten ETH Studierende und Spezialisten aus dem pädagogischen Bereich komplexe technische und wissenschaftliche Inhalte so auf, dass sie der Altersstufe entsprechend attraktiv, robust und kostengünstig umgesetzt werden können.

Ab Februar 2021 verfügbar

Magic Cube mit 12 verschiedenen Module aus dem Bereich der Elektrotechnik wird ab Februar 2021 für den Einsatz in Schulen und Freizeitangeboten bereit sein. Schon jetzt können Lehrpersonen Buchungen für das nächste Semester vornehmen. Magic Cube ist für Schulklassen oder Gruppen bis 24 Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren geeignet. ETH-Studierende und ABB Trainees, die von mint & pepper für das Projekt Magic Cube ausgebildet werden, bringen das Material vor Ort. Sie vermitteln die technischen Zusammenhänge und unterstützen bei der Lösungsfindung. Sie teilen aber auch ihre Begeisterung für ihre Studienwahl und geben praktische und spannende Einblicke in das Berufsfeld. Damit können sie vielleicht so manchen Jugendlichen motivieren, diesen Weg ebenfalls einzuschlagen.