Wie Technik Menschen zusammenbringt
Kinder verhalten sich oft unbeschwert, sind ehrlich und begeisterungsfähig. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn sie Menschen mit einem Hörgerät, einer Armprothese oder einer Person im Rollstuhl begegnen. Häufig reagieren Kinder neugierig oder überrascht, sie interessieren sich für die getragene Technik und das körperliche Defizit und sprechen die Personen ganz unverblümt an.
Für die Betroffenen kann diese uneingeschränkte Offenheit mitunter zwar verletzend sein, in vielen Fällen empfinden Menschen mit Behinderung das ernstgemeinte Interesse von Kindern jedoch als positiv, wie mir Betroffene berichtet haben. Schliesslich zeugt es von einer Bereitschaft, vermeintlich vorhandene Barrieren zwischen Menschen ohne und solchen mit Beeinträchtigungen zu überwinden.
Es sind vor allem Kinder unter zehn Jahren, die so offen reagieren. Je älter Kinder und Jugendliche werden, desto mehr verliert sich diese Eigenheit, und umso verschlossener werden sie. Im Erwachsenenalter überwiegt dann oft eine Berührungsangst. Insbesondere auf Personen, die in ihrem Leben noch nie direkt mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu tun hatten, können diese befremdend wirken. Man meidet oder ignoriert sie mehr oder weniger unbewusst, was auf eine Benachteiligung hinausläuft.
Daher sollte es unser Ziel sein, vor allem im Kindesalter, in der Schule (aber auch später), Zeit und Raum für Begegnungen zu schaffen und Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenzubringen. Dies hilft, Vertrauen aufzubauen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere Gesellschaft vielfältig ist und aus ganz unterschiedlichen Menschen besteht. So wie nicht alle Menschen gut Fussball spielen können oder gut in Mathematik sind, sollte es auch kein Problem sein, wenn jemand nur einen Arm hat oder im Rollstuhl sitzt. Die Tatsache, dass wir Menschen uns unterscheiden, sollten wir als normal betrachten.
Zu Besuch in Schulklassen
Doch wie können wir diese Thematik in die Schulen transportieren, Kinder begeistern ohne sie zu langweilen oder sie gar zu etwas zu zwingen, gegenüber dem sie zunächst Scheu zeigen oder das ihnen nicht gefällt? Technik und Robotik könnten hier eine Schlüsselrolle spielen, wenn sie als Mittel eingesetzt werden, um über körperliche Beeinträchtigungen zu sprechen.
Dies nutzen wir im Schulprojekt Cybathlon @school. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickelten wir verschiedene Unterrichtsmodule, in denen je eine Person mit Behinderung gemeinsam mit einem ETH-Coach Schulklassen besucht und die Schülerinnen und Schüler erleben lässt, mit welchen Herausforderungen Menschen mit Behinderungen im Alltag konfrontiert sind. Anhand von konkreten Beispielen lernen die Kinder und Jugendlichen, wie Technik zum Vorteil von Menschen mit Behinderungen eingesetzt werden kann. Und im Austausch mit dem Betroffenen sollen sich die jungen Menschen überlegen, wie Hindernisse beseitigt oder wie Hilfsmittel gestaltet werden können, damit Menschen mit Behinderungen besser, das heisst selbständig und selbstbestimmt, am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
In Modulen für den Sport- und den Biologieunterricht konnten bereits mehrere hundert Kinder und Jugendliche das Gehen mit Beinprothesen oder das Bewältigen eines Parcours mit Rollstuhl erleben und mehr über Funktion und Beeinträchtigungen des menschlichen Bewegungsapparates lernen. Weitere Module in den Fächern Mathematik, Medien und Informatik, Textiles und Technisches Gestalten sowie «Religionen, Kulturen und Ethik» sind in Ausarbeitung.
Ganz an der Gesellschaft teilhaben
Technik, Robotik, Medizin und Zukunftsthemen ziehen die Kinder an. Wird dieses Wissen mit Behinderung in Zusammenhang gebracht, oder gar von Menschen mit Beeinträchtigung selber vermittelt, dann schafft man nachhaltig ein Bewusstsein für die Bedürfnisse dieser Menschen. Man ermöglicht den Dialog, kann direkt über die Behinderung sprechen, aber auch indirekt zeigen, dass ein Mensch mit Behinderung ganz «normal» ist, oder sogar andere spektakuläre Fähigkeiten oder Kenntnisse besitzt, die überraschen und Begeisterung erzeugen können. Berührungsängste werden so abgebaut. Dies hilft, Verständnis zu schaffen für Menschen mit Beeinträchtigung, damit diese ganz an unserer vielfältigen Gesellschaft teilhaben können.