Viren zu töten könnte schwieriger werden

Eine kürzlich von der EPFL durchgeführte Studie zeigt, dass pathogene Viren möglicherweise eine Resistenz gegen warme Temperaturen und einige Arten von Desinfektionsmitteln entwickeln können. Dies könnte es, in Kombination mit der globalen Erwärmung und häufigeren und längeren Hitzewellen, noch schwieriger machen, ihre Ausbreitung zu verhindern.
Tamar Kohn, Leiterin des Labors für Umweltchemie der EPFL, und die Wissenschaftlerin Anna Carratalà führen Experimente zu Enteroviren durch. © Alain Herzog

Wir könnten bald den Tag erleben, an dem man sich zweimal überlegen muss, bevor man in Seen schwimmt, die bisher als gesund galten. Denn einige der pathogenen Viren auf der Wasseroberfläche könnten als indirekte Folge der Klimaerwärmung und der Zunahme von Hitzewellen und Rekordtemperaturen resistenter werden.

Die meisten pathogenen Viren in Seen werden auf natürliche Weise durch Sonnenlicht, warme Temperaturen und normalerweise im Wasser vorhandene Bakterien unschädlich gemacht. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Labors für Umweltchemie (LCE) der EPFL, darunter auch Tim Julian vom Wasserforschungsinstitut Eawag, hat jedoch herausgefunden, dass einige menschliche Enteroviren – die Magen-Darm-Infektionen oder schwere Krankheiten wie Meningitis verursachen können und in Fäkalien gefunden werden, d.h. sie könnten ihren Weg ins Abwasser finden – möglicherweise die Fähigkeit haben, sich an höhere Wassertemperaturen anzupassen.

Resistent gegen Desinfektionsmittel

In seiner Studie schuf das Forschungsteam vier menschliche Enterovirus-Populationen durch Inkubation von Seewasserproben bei 10°C und 30°C sowohl in Anwesenheit als auch in Abwesenheit von Sonnenlicht. Sie stellten fest, dass die im wärmeren Wasser überlebenden Viren im Gegensatz zu denen im kälteren Wasser zunehmend temperaturresistent wurden.

Legende: Design der experimentellen Anpassung des menschlichen Echovirus an verschiedene Regime (10°C im Dunkeln, 10°C unter simuliertem Sonnenlicht, 30°C im Dunkeln und 30°C unter simuliertem Sonnenlicht) © 2020 LCE

«Wir setzten die überlebenden Viren dann Chlor aus und stellten fest, dass sie auch gegen Desinfektionsmittel auf Chlorbasis resistenter geworden waren. Das bedeutet, dass Viren mit der Fähigkeit, in warmem Wasser zu überleben, möglicherweise auch mit den üblichen Wasseraufbereitungsverfahren schwieriger abzutöten sind», sagt Tamar Kohn, Mitautorin der Studie, ausserordentliche Professorin an der EPFL und Leiterin der LCE.

Die Ergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind soeben in Environmental Science and Technology veröffentlicht worden.

Eine Folge der Globalisierung

Darüber hinaus steigt im Zuge der Globalisierung die Wahrscheinlichkeit, dass resistente Viren von einer Weltregion in eine andere reisen, da Menschen und Güter (wie Obst und Gemüse), die potenziell kontaminiert sein könnten, sich leichter bewegen. So könnte zum Beispiel ein Krankheitserreger, der perfekt an das warme Wasser einer äquatorialen Region angepasst ist, versehentlich in die Schweiz eingeschleppt werden, wo er wahrscheinlich lange überleben wird, weil er gegen die Umgebungstemperaturen resistent wäre. Dies würde das Risiko erhöhen, dass das Virus eine gutartige Krankheit oder eine schwerwiegendere Krankheit wie Polio verbreitet.

«Die andere Implikation unserer Studie ist, dass es bei einem Temperaturanstieg mehr Weltregionen geben könnte, in denen Viren diese Resistenz entwickeln», sagt Kohn. Das wäre keine direkte Folge der globalen Erwärmung – denn selbst ein Anstieg um 3°C wäre zu gering, um einen Unterschied zu machen –, sondern eine Zunahme der Anzahl langer Hitzewellen. Der nächste Schritt für das Forschendenteam wird darin bestehen, seine Ergebnisse in einer Reihe von Feldexperimenten zu testen.