Im Labor gezüchtete Organtransplantate rücken einen Schritt näher

Ein an der EPFL entwickeltes Leberorganoid bietet neue Perspektiven für die Transplantation und die Erforschung von Lebererkrankungen.
© 2020 EPFL

Biologinnen und Bioingenieure der EPFL haben eine neue Methode zur Züchtung von vereinfachten menschlichen Mini-Lebern entwickelt. Ihr Verfahren ist ein potenziell wichtiger Durchbruch bei der Suche nach transplantierbaren, im Labor gezüchteten Geweben. Auf kürzere Sicht werden die miniaturisierten Organe als Plattform für die Erprobung von Behandlungen gegen die nichtalkoholische Fettleberkrankheit, die häufigste Lebererkrankung in der entwickelten Welt, dienen. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Die Forschenden der EPFL schufen eine vereinfachte winzige Version des Organs, ein so genanntes Organoid, mit Hilfe von bipotenten Stammzellen, die natürlicherweise in den Gallengängen vorkommen, die die Leber mit der Gallenblase verbinden.

Der wirkliche Durchbruch liegt jedoch darin, dass die Forschenden eine neuartige Matrix entwickelt haben, die wie ein Gerüst für Struktur sorgt. Die Teams um die Professorinn Kristina Schoonjans und Professor Matthias Lütolf fügten dem Nährmedium dann Peptide – die Bausteine von Proteinen – hinzu, um das Wachstum der Leberzellen zu steuern.

Ein großer Fortschritt in der regenerativen Medizin

Die an der EPFL entwickelte chemisch definierte Matrix unterscheidet sich von anderen, kommerziell erhältlichen Substraten, weil ihre Eigenschaften stabiler und nicht immunogen sind. Künftig könnten damit aus gesunden Stammzellen transplantierbare Organoide gezüchtet werden, die zur Behandlung von Patienten mit Lebererkrankungen im Endstadium eingesetzt werden könnten.

«Die meisten handelsüblichen Substrate werden aus Maustumorzellen hergestellt, was sie für eine Transplantation ungeeignet macht», erklärt Saba Rezakhani, Doktorandin im Lütolf-Labor und eine der Hauptautorinnen der Arbeit. «Unsere Matrix stellt einen großen Fortschritt in der regenerativen Medizin dar. Sie funktioniert genauso gut wie bestehende Lösungen, enthält aber keine tierischen Produkte.»

Eine Plattform zur Untersuchung von Lebererkrankungen

Auf kürzere Sicht wird die neue Matrix die Forschung im Bereich der nichtalkoholischen Fettleberkrankheiten unterstützen – einer Erkrankung, die mit Fettleibigkeit und Diabetes einhergeht und Leberfibrose und in schwereren Fällen Leberzirrhose und sogar Leberkrebs verursachen kann.

Das Team verwendete diese Matrix, um die Steifheit der gesunden und fibrotischen Leber nachzuahmen. «Organoide Zellen, die in einer starren Matrix gezüchtet werden, verhalten sich eher wie die Zellen einer erkrankten Leber, mit einem beeinträchtigten Regenerationspotential und Anzeichen von Entzündungen und Verletzungen», sagt Schoonjans, Haupt-Co-Autorin dieser Studie.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten nun daran, ihr Organoid in eine Forschungsplattform zu verwandeln. "Mit unserer Methode können wir die fibrotische Mikroumgebung rekapitulieren und potenzielle Behandlungen testen, um zu sehen, ob sie den Krankheitsverlauf stoppen oder umkehren", sagt Hauptautor Giovanni Sorrentino, ein Postdoktorand im Labor von Schoonjans.

Weitere Forschung ist nötig, vor allem im Bereich der Stammzelldifferenzierung, bevor die an der EPFL entwickelte neue Methode zur Züchtung transplantierbarer Organe eingesetzt werden kann. «Wir haben eine klinisch konforme organoide Kulturmatrix entwickelt, die eine Reihe von Vorteilen bietet», sagt Lütolf, der Mitautor ist, «jetzt liegt es an den klinischen Forschenden, unsere Technologie zum Einsatz zu bringen.»

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Artikel in Nature Communications

Literaturhinweis

Giovanni Sorrentino, Saba Rezakhani, Ece Yildiz, Sandro Nuciforo, Markus H. Heim, Matthias P. Lutolf & Kristina Schoonjans. Mechano-modulatorische synthetische Nischen zur Ableitung von Leberorganoiden. Nat Commun 11, 3416 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-17161-0