Transistor setzt einen neuen Standard für Energieeffizienz

Forschende des Nanoelektronik-Labors (Nanolab) der EPFL unter der Leitung von Professor Adrian Ionescu haben eine neue Art von Technologie auf Basis von 2D-Halbleitermaterialien entwickelt, die fast so energieeffizient ist wie das menschliche Gehirn.
© 2020 EPFL

Smartphones, Laptops und Smartwatches verbrauchen Unmengen an Energie, doch nur etwa die Hälfte dieser Energie wird tatsächlich für die Versorgung wichtiger Funktionen verwendet. Und da weltweit Milliarden dieser Geräte im Einsatz sind, wird eine beträchtliche Energiemenge verschwendet. Professor Adrian Ionescu und sein Team am Nanoelektronik-Labor der EPFL (Nanolab) haben eine Reihe von Forschungsprojekten gestartet, um Transistoren energieeffizienter zu machen. «Der Transistor ist das am häufigsten vorkommende künstliche Objekt, das je vom Menschen geschaffen wurde», sagt Prof. Ionescu. «Er ermöglicht unsere gesamte rechnerische Infrastruktur und die Art und Weise, wie wir im 21. Jahrhundert in Echtzeit mit der tragbaren Informationsverarbeitung interagieren. Er bildet den Grundbaustein sowohl für die digitale als auch für die analoge Signalverarbeitung.»

Fragen der Energieeffizienz

«Heute wissen wir, dass das menschliche Gehirn etwa die gleiche Energiemenge verbraucht wie eine 20-Watt-Birne», sagt Ionescu. «Im Vergleich dazu verbrauchen moderne elektronische Geräte etwa die zehnfache Menge. Obwohl unser Gehirn so wenig Energie verbraucht, ist es in der Lage, Aufgaben auszuführen, die um mehrere Grössenordnungen komplexer sind als das, was ein Computer bewältigen kann – nämlich die von unseren Sinnen gelieferten Informationen zu analysieren und intelligente Entscheidungsprozesse zu generieren. Unser Ziel ist es, elektronische Technologie für tragbare Geräte zu entwickeln, die in ihrer Effizienz den menschlichen Neuronen ähnelt.» Der von den Forschenden der EPFL gebaute Transistor legt die Messlatte für Energieeffizienz höher. Er wurde im Reinraum der School of Engineering (STI) entwickelt und besteht aus 2D-Schichten aus Wolframdiselenid (WSe2) und Zinndiselenid (SnSe2), zwei Halbleitermaterialien. Er ist als 2D/2D-Tunneltransistor bekannt und nutzt die Bandausrichtung des WSe2/SnSe2-Gate-Übergangs aus. Und da er nur wenige Nanometer misst, ist er für das menschliche Auge unsichtbar. Im Rahmen desselben Forschungsprojekts entwarf das Nanolab-Team auch eine neue hybride Doppeltransportstruktur, die eines Tages die Leistung der Technologie noch weiter steigern könnte.

Grenzen überwinden

Mit diesem Transistor hat das EPFL-Team auch eine der fundamentalen Grenzen von elektronischen Geräten überwunden. «Stellen Sie sich einen Transistor wie einen Schalter vor, der zum Ein- und Ausschalten Energie benötigt», erklärt Ionescu. «Stellen Sie sich analog dazu vor, wie viel Energie es bräuchte, um auf den Gipfel eines Schweizer Berges zu steigen und ins nächste Tal hinabzusteigen. Dann stellen Sie sich vor, wie viel Energie wir sparen könnten, wenn wir stattdessen einen Tunnel durch den Berg bauen würden. Genau das erreicht unser 2D/2D-Tunneltransistor: Er führt die gleiche digitale Funktion mit viel weniger Energie aus.» Bisher war es Wissenschaftlern und Ingenieurinnen nicht gelungen, diese fundamentale Grenze für den Energieverbrauch von 2D/2D-Bauteilen dieser Art zu durchbrechen. Doch der neue Transistor ändert all das und setzt einen neuen Standard für die Energieeffizienz im digitalen Schaltprozess. Das Nanolab-Team arbeitete mit der Gruppe um Professor Mathieu Luisier von der ETH Zürich zusammen, um die Eigenschaften des neuen Tunneltransistors mittels atomistischer Simulation zu testen und zu bestätigen. «Dies ist das erste Mal, dass wir diese fundamentale Grenze überwunden haben und gleichzeitig eine höhere Leistung als ein Standardtransistor aus dem gleichen 2D-Halbleitermaterial und bei einer sehr niedrigen Versorgungsspannung erreichen», sagt Prof. Ionescu.

Von Wearables bis hin zu Edge-KI

Mit dieser neuen Technologie könnten elektronische Systeme gebaut werden, die fast so energieeffizient sind wie die Neuronen in unserem Gehirn. «Unsere Neuronen arbeiten mit etwa 100 Millivolt (mV), das ist etwa zehnmal weniger als die Spannung, die von einer Standardbatterie geliefert wird», sagt Prof. Ionescu. "Unsere Technologie arbeitet derzeit mit 300 mV und ist damit etwa 10-mal effizienter als ein herkömmlicher Transistor», so Prof. Ionescu. Keine andere heute existierende elektronische Komponente kommt an dieses Effizienzniveau heran.

Dieser lang erwartete Durchbruch kann potentiell in zwei Bereichen angewandt werden: tragbare Technologien (wie Smart-Uhren und intelligente Kleidung) und Künstliche Intelligenz. Aber, um aus diesem Proof-of-Concept im Labor ein industrielles Produkt zu machen, sind noch mehrere Jahre harter Arbeit nötig.

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Literaturhinweise

Nicolò Oliva, Jonathan Backman, Luca Capua, Matteo Cavalieri, Mathieu Luisier und Adrian M. Ionescu
WSe2/SnSe2 vdW-Heteroübergangstunnel-FET mit subthermionischer Charakteristik und MOSFET auf derselben WSe2-Flocke ko-integriert. npj 2D Mater Appl 4, 5 (2020). https://doi.org/10.1038/s41699-020-0142-2

Nature