Die (Neuro-)Wissenschaft vom Motivieren und motiviert bleiben

Neurowissenschaftlerinnen der EPFL und der Universität Edinburgh haben herausgefunden, dass der Grad der Motivation und die Ausdauer, um sie aufrechtzuerhalten, vom Verhältnis zwischen den Neurotransmittern Glutamin und Glutamat im Nucleus accumbens des Gehirns abhängt.
(Bild: iStock-Fotos. Credit: Rich Vintage)

Es steht ausser Frage, dass die Motivation einer der härtesten und doch wichtigsten Faktoren im Leben ist. Sie ist der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg, Zielsetzung und Ziellosigkeit, Wohlbefinden und Unzufriedenheit. Und dennoch, warum ist es so schwer, sich motivieren zu lassen – oder, selbst wenn wir es schaffen, es aufrechtzuerhalten?

Das ist die Frage, die Forschende unter der Leitung von Professor Carmen Sandi an der EPFL und Dr. Gedi Luksys an der Universität Edinburgh zu beantworten suchten. Aus bestehenden Erkenntnissen wussten die Forschenden zwei Dinge: Erstens, dass sich die Menschen in ihrer Fähigkeit zu motiviertem Verhalten stark unterscheiden und dass Motivationsprobleme wie Apathie bei neurodegenerativen und psychiatrischen Erkrankungen häufig auftreten. Zweitens, dass sie auf einen Bereich des Gehirns abzielen mussten, der «Nucleus accumbens» genannt wird.

Da der Nucleus accumbens nahe der Hirnbasis sitzt, ist er Gegenstand zahlreicher Forschungen gewesen. Der Grund dafür ist, dass sich schnell herausstellte, dass er eine wichtige Rolle bei Funktionen wie Abneigung, Belohnung, Verstärkung und Motivation spielt.

Um die Motivation zu testen und zu quantifizieren, entwarf das Team der EPFL eine sogenannte «monetäre Incentive-Force-Aufgabe». Die Idee dahinter ist, dass die Teilnehmenden eine Aufgabe mit zunehmendem – und messbarem – Aufwand durchführen und dafür Geldbeträge erhalten, die ihrem Aufwand entsprechen. Grundsätzlich gilt: mehr tun und mehr bezahlt werden.

In dieser Studie wurden 43 Männer gescannt, um die Metaboliten im Nucleus accumbens in ihren Gehirnen mit einer hochentwickelten Hirnabbildungstechnik namens «Protonenmagnetresonanzspektroskopie» oder 1H-MRS zu messen. Damit kann die Fülle an Neurochemikalien im Gehirn, wie z.B. Neurotransmitter und Metaboliten, spezifisch gemessen werden. Aus diesem Grund wird die 1H-MRS auch im klinischen Umfeld zur Bestimmung neurologischer Störungen eingesetzt.

Anschliessend wurde jeder Teilnehmer gebeten, ein Gerät, das die Kraft misst – ein Dynamometer – bis zu einem bestimmten Grad der Kontraktion zusammenzudrücken, um entweder 0,2, 0,5 oder 1 Schweizer Franken zu verdienen. Diese Prozedur wurde für eine Anzahl von 120 aufeinanderfolgenden Versuchen wiederholt, was die Leistung bei dieser Aufgabe ziemlich anspruchsvoll machte.

Illustration der Handgriff-Kraftanstrengungsaufgabe. Im Experiment wurden die Teilnehmenden zunächst gebeten, den Griff mit ihrer maximalen Kraft oder Kapazität zu drücken. Dann mussten sie ihn während der Ausführung der Aufgabe in jedem Versuch bis zu einer Kraftschwelle von 50 % ihrer maximalen freiwilligen Kontraktion zusammendrücken und weitere drei Sekunden lang bei dieser Kraft bleiben, um den besonderen finanziellen Anreiz zu erhalten, der jedem Versuch zugeschrieben wird. Die Aufgabe bestand aus 80 aufeinander folgenden Versuchen. Kredit: João Rodrigues (EPFL)

Die Idee des Experiments bestand darin, dass die verschiedenen Summen die Teilnehmer dazu drängen würden, zu entscheiden, ob sie Energie investieren und die Aufgabe bei jedem Versuch entsprechend ausführen würden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten das Experiment auch unter Isolations- und Gruppenbedingungen durch, um den Einfluss des Wettbewerbs auf die Leistung zu untersuchen.

Nachdem sie die Verhaltensdaten gesammelt hatten, verarbeiteten die Forschenden diese durch ein Rechenmodell, das die geeignetsten Parameter schätzte, die im Hinblick auf Nutzen, Aufwand und Leistungsfunktionen gemessen werden sollten. Auf diese Weise konnten sie abfragen, ob bestimmte Neurotransmitter-Spiegel spezifische Motivationsfunktionen vorhersagen.

Die Analyse ergab, dass der Schlüssel zur Leistung – und damit zur Motivation – im Verhältnis von zwei Neurotransmittern im Nucleus accumbens liegt: Glutamin und Glutamat. Konkret bezieht sich das Verhältnis von Glutamin zu Glutamat auf unsere Fähigkeit, die Leistung über einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten, was die Forschenden als «Ausdauer» bezeichnen.

Eine weitere Entdeckung war, dass Wettbewerb von Beginn der Aufgabe an die Leistungen zu steigern scheint. Dies war insbesondere bei Personen mit einem niedrigen Glutamin-Glutamat-Verhältnis im Nucleus accumbens der Fall.

«Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Motivationsneurobiologie», sagt Carmen Sandi. «Sie zeigen, dass das Gleichgewicht zwischen Glutamin und Glutamat dazu beitragen kann, spezifische, rechnerische Komponenten motivierter Leistung vorherzusagen. Unser Ansatz und unsere Daten können uns auch dabei helfen, therapeutische Strategien zu entwickeln, darunter auch Ernährungsinterventionen, die Defizite bei der Leistungsbereitschaft durch eine gezielte Beeinflussung des Stoffwechsels beheben.»

Das Labor von Professor Carmen Sandi ist Teil des EPFL Brain Mind-Institut in der Faculté des sciences de la vie.

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Finanzierung

Schweizerischer Nationalfonds (NFS Synapsy)

EPFL

Literaturhinweis

Alina Strasser, Gediminas Luksys, Lijing Xin, Mathias Pessiglione, Rolf Gruetter, Carmen Sandi. Glutamine-to-glutamate ratio in the nucleus accumbens predicts effort-based motivated performance in humans. Neuropsychopharmacology 13 August 2020. DOI: 10.1038/s41386-020-0760-6