Standardisierung des Organoidwachstums durch kontrollierte Zellkultivierung

Eine der neusten Erfindungen aus einem Labor der EPFL ermöglicht erstmals die Massenproduktion von standardisierten Organoiden. Dieser Durchbruch wurde dank eines massgeschneiderten Leitsystems erreicht, das eine homogene Zellkultivierung gewährleistet. Die Technik, die in einem heute in Nature Biomedical Engineering veröffentlichten Artikel beschrieben wird, ebnet den Weg für industrielle Anwendungen, wie zum Beispiel dem Screening neuer Medikamente.
Nathalie Brandenberg, Matthias Lütolf und Sylke Hoehnel, vom Laboratorium für Stammzell-Biotechnik © 2020 Alain Herzog

In den letzten zehn Jahren hat die Organoidforschung Hoffnungen geweckt, insbesondere im Hinblick auf eine personalisierte Medizin und ein verbessertes Screening für neue Medikamente. Die Struktur und die Eigenschaften dieser dreidimensionalen Gewebekulturen ähneln denen ganzer Organe, was beispiellose Möglichkeiten eröffnet. Die breite Verwendung von Organoiden wurde jedoch durch das ungeordnete Wachstum der Zellen behindert. Die Möglichkeit, Tausende von Proben für den industriellen Einsatz zu vergleichen, erfordert es, eine Reihe identischer «Mini-Organe» so anzuordnen, dass eine automatisierte Überwachung möglich ist. Das Laboratory of Stem Cell Bioengineering der EPFL hat dies dank der von ihm entwickelten mikrostrukturierten Hydrogele verwirklicht. Die Hydrogele wirken wie winzige Schimmelpilze, in denen sich die Zellen gleichmässig vermehren können. Das neue System – ausführlich in einem heute in Nature Biomedical Engineering veröffentlichten Artikel beschrieben – wurde erfolgreich in einer Studie am Universitätsspital Lausanne (CHUV) eingesetzt, in der Arzneimittelmoleküle auf Darmkrebs getestet wurden.

Automatisierte Überwachung

Mehrere Jahre der Forschung waren nötig, um die ideale Umgebung für die Förderung eines kontrollierten organoiden Wachstums zu schaffen. «Wir wussten, dass einer der wesentlichen Parameter die Geschwindigkeit ist, mit der Stammzellen aggregieren», sagt Nathalie Brandenberg, eine der Autorinnen des Artikels. Die Hydrogele sind mit Löchern von nur wenigen Mikrometern Durchmesser durchbohrt, wodurch eine Reihe von U-förmigen Mikrovertiefungen entstehen. Jede Vertiefung nimmt etwa 100 Zellen auf, die sich in etwa 30 Minuten zusammenklumpen und eine relativ kompakte Kolonie bilden. Die aggregierten Zellen wachsen und differenzieren sich dann und produzieren etwa 60 Stunden später funktionelle Organoide. «Mit diesen Kulturen erzielten wir eine Erfolgsquote von 92 %», sagt Brandenberg. Für die Massenproduktion der Gele wird die Technik der Weichlithographie verwendet. Die Methode scheint einfach zu sein, aber nach den Worten von Matthias Lütolf, dem Leiter des Labors, «stellte die Entwicklung eines äusserst zuverlässigen Design- und Herstellungsverfahrens für die Gele sowie von Methoden zur Kultivierung der darin enthaltenen Organoide eine echte wissenschaftliche Herausforderung dar».

Geeignet für verschiedene Arten von Organoiden

Das Konzept wurde kürzlich am CHUV und am Ludwig-Institut für Krebsforschung im Rahmen der Prüfung von Krebsmedikamenten eingesetzt. Tausende von winzigen Proben in sauberen Reihen ermöglichten es den Forschenden, schnell eine grosse Anzahl von Bildern und genauen Echtzeitdaten zu anatomischen, physiologischen und sogar molekularen Aspekten zu erzeugen und zu vergleichen. Das Team entdeckte auch, dass durch die Wahl eines bestimmten Durchmessers und einer bestimmten Dichte die von ihnen untersuchten Mini-Organe sechzehn Tage lang am Leben blieben, so dass sie die Wirkung von Wirkstoffen in dieser Zeitspanne untersuchen konnten. Das Zellwachstum wurde durch die tägliche Zugabe von Flüssigkeit oder Gel nicht gestört: weniger als 1 % der Proben wurden negativ beeinflusst.

Da das System je nach Bedarf angepasst werden kann, ist sein Einsatz nicht auf das Screening von Krebsmedikamenten beschränkt. «Durchmesser, Tiefe und Abstand zwischen den Mikrovertiefungen können variiert werden, ebenso wie die Formulierung des Gels. Das bedeutet, dass verschiedene Gewebearten und -grössen kultiviert werden können», sagt Lütolf. Die Technologie wird derzeit in einer klinischen Pilotstudie in Zusammenarbeit mit dem CHUV zur Züchtung von Darmorganoiden mit Stammzellen von Mukoviszidose-Patienten eingesetzt. Ziel ist es, festzustellen, ob mit dieser neuen Methode für jeden Patienten eine spezifische Wirkstoffkombination gefunden werden kann. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend.

Ein Start-up ist geboren

Das Labor der EPFL, dessen Forschung auf diesem Gebiet in den letzten zehn Jahren bereits breite Anerkennung gefunden hat, ist überzeugt, dass dieser Durchbruch den Weg zu einer breiteren Verwendung von Organoiden für die Entwicklung neuer Medikamente und personalisierter Behandlungen ebnen wird. Das neue System wird dazu beitragen, die Anzahl der erforderlichen klinischen Studien zu reduzieren. Zwei der Forscherinnen, die die Studie verfasst haben, Nathalie Brandenberg und Sylke Hoehnel, haben ein Start-up-Unternehmen, SUN bioscience, gegründet, um die Technologie zu vermarkten.